Nahostkonflikt: Menschenrechte in Israel und im besetzten palästinensischen Gebiet
Der auf Zivilist*innen gerichtete grausame Angriff der Hamas und anderer bewaffneter Gruppen am 7. Oktober im Süden Israels, bei dem mindestens 1.400 Menschen, die meisten von ihnen Zivilist*innen, getötet und mehr als 200 Menschen entführt wurden, hat eine neue Eskalation des Konflikts in Gang gesetzt. Die israelischen Streitkräfte führten seitdem Tausende von Luft- und Bodenangriffe auf den Gazastreifen aus, die Zivilist*innen verletzt und getötet und zivile Einrichtungen getroffen haben. Auch die israelische Zivilbevölkerung ist weiterhin dem wahllosen Raketenbeschuss durch die Hamas und andere bewaffnete Gruppen aus dem Gazastreifen ausgesetzt. Seit der Eskalation der andauernden grenzüberschreitenden Feindseligkeiten zwischen Israel und Hisbollah im September 2024 ist auch die Zivilbevölkerung im Libanon Tod und Vertreibung ausgesetzt. Hunderttausende sind aus dem Südlibanon, der Bekaa und anderen Gebieten vertrieben worden.
Die derzeitige Eskalation der Gewalt ist beispiellos. Die Folgen für die Zivilbevölkerung der betroffenen Gebiete sind verheerend. Der Konflikt hat bereits Zehntausende Menschenleben gefordert und zudem die humanitäre Not im Gazastreifen noch gravierend verschlimmert und nun benötigt auch die Zivilbevölkerung im Libanon dringend Schutz und humanitäre Hilfe.
Ammesty Untersuchung belegt Genozid
Amnesty International kommt aufgrund der gesammelten Belege zu dem Schluss, dass der Staat Israel durch seine Politik, Handlungen und Unterlassungen einen Genozid an den Palästinenser*innen im Gazastreifen begangen hat und weiterhin begeht. Die umfassende Untersuchung zeigt auf, dass Israels Handlungen unter den Geltungsbereich der Völkermordkonvention fallen. Israel begeht die in der Konvention definierten Handlungen mit dem Vorsatz, Palästinenser*innen im Gazastreifen als Gruppe zu zerstören.
Unsere Recherchen ergeben, dass der israelische Staat Handlungen mit dem Vorsatz verübt, palästinensisches Leben im Gazastreifen auszulöschen.
Shoura Zehetner-Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich
Amnesty International stellt angesichts dieser Eskalation die folgenden Forderungen:
- Amnesty International fordert politische Entscheidungsträger*innen weltweit und insbesondere auch die österreichische Bundesregierung auf, klar Stellung zu beziehen: Sie müssen den Genozid an der palästinensischen Bevölkerung in Gaza öffentlich anprangern, auf einen sofortigen Waffenstillstand drängen, die Versorgung der Bevölkerung in Gaza mit dringend benötigter humanitärer Hilfe sicherstellen und Rechenschaft einfordern. Sie müssen außerdem dringend sicherstellen, dass alle Waffenlieferungen an Konfliktparteien umgehend gestoppt werden.
- Amnesty International fordert die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) auf, dringend zu erwägen, den Straftatbestand des Völkermords in die Liste der von ihr untersuchten Verbrechen aufzunehmen und alle Staaten aufzufordern, die rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, die dafür Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Niemand darf einen Völkermord begehen und ungestraft bleiben.
- Amnesty International ruft alle Konfliktparteien zu einem sofortigen Waffenstillstand auf, um weitere Verluste unter der Zivilbevölkerung zu verhindern und den Zugang zu lebensrettenden Hilfsgütern für die Menschen sicherzustellen.
- Amnesty International fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung aller zivilen israelischen Geiseln, darunter auch Kinder, die seit dem 7. Oktober im besetzten Gazastreifen festgehalten werden. Geiselnahme und die Entführung von Zivilpersonen sind nach internationalem Recht verboten und stellen Kriegsverbrechen dar. Geiseln müssen menschlich und im Einklang mit dem Völkerrecht behandelt werden und dürfen nicht in Online-Videos vorgeführt oder zu Aussagen gezwungen werden.
- Die laufenden Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs zur Lage in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten müssen umfassend fortgesetzt werden und die volle Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und alle erforderlichen Mittel erhalten. Gegenstand dieser umfassenden Ermittlungen müssen Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte aller Konfliktparteien sein.
- Ein internationaler Untersuchungsmechanismus für alle Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte durch alle Konfliktparteien im Libanon ist einzurichten.
- Alle Staaten müssen Waffenlieferungen an die Konfliktparteien einstellen, da ein erhebliches Risiko besteht, dass die Waffen in Zusammenhang mit schweren Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht verwendet werden könnten.
Der Schutz von Zivilist*innen und zivilen Objekten, wie Spitälern oder Schulen, muss an oberster Stelle stehen. Alle Parteien dieses Konfliktes müssen sich an das humanitäre Völkerrecht und die Genfer Konventionen halten. Das ist nicht verhandelbar.
Gestützt auf Recherchetätigkeit und Verifizierung von Fakten beobachtet und dokumentiert Amnesty International weiterhin die Handlungen aller Konfliktparteien. Unsere Untersuchungen zu Menschenrechtsverletzungen werden hier veröffentlicht. Wenngleich unser Anspruch ist, so schnell wie möglich über Menschenrechtsverletzungen zu informieren, können umfassende Untersuchungen im Sinne der gebotenen Sorgfalt teilweise Wochen, Monate oder in manchen Fällen Jahre bis zu ihrer Veröffentlichung benötigen.