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Appell an BM Rauch: Amnesty fordert gemeinsam mit tausenden Menschen das Recht auf ein menschenwürdiges Zuhause für alle

7. März 2023

Das Recht auf Wohnen muss verfassungsrechtlich verankert sein, die bürokratischen und strukturellen Hürden im Zugang zu Wohnungslosenhilfe müssen abgebaut werden und es braucht dringend einen Ausbau der unterschiedlichen Angebote der einzelnen Bundesländer bei Wohnungslosigkeit. Eine entsprechende Petition zur Stärkung des Menschenrechts auf Wohnen haben im vergangenen Jahr knapp 6.000 Menschen in Österreich unterschrieben. Die Unterschriften wurden gestern von Amnesty International an Sozialminister Johannes Rauch persönlich übergeben.

„Wenn Wohnen ein Menschenrecht wäre, würde ich so nicht wohnen.“ Unter diesem Titel – ein Zitat einer von Wohnungslosigkeit Betroffenen – hat Amnesty International vergangenes Jahr einen Bericht zur Situation von Obdach- und Wohnungslosigkeit herausgebracht. Das Ergebnis: Österreich schützt das Recht auf Wohnen nicht ausreichend und verletzt dadurch seine völkerrechtlichen Verpflichtungen, zu denen sich das Land durch die Ratifizierung des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) verpflichtet hat.

Österreich muss ein System schaffen, in dem Wohnen für jede*n möglich und zugänglich ist.

Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International

„Österreich muss ein System schaffen, in dem Wohnen für jede*n möglich und zugänglich ist“, nimmt Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International, die Verantwortlichen – also konkret den Bund, die Länder und die Gemeinden – in die Pflicht. Die Wohnungslosenhilfe in ihrer derzeitigen Ausgestaltung ist dafür nicht ausreichend und geeignet – das zeigen auch die Zahlen: Laut Statistik Austria sind rund 20.000 Menschen hierzulande als wohnungs- und obdachlos registriert, die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein. Die krisenreichen vergangenen Jahre sowie die enorme Teuerung haben das Problem verschärft.

Menschen müssen ihr Recht einfordern können

Es braucht unbedingt eine Änderung im System: Denn in Österreich gibt es keine nationale, bundesweite Strategie zur Beendigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit – mit der Folge, dass jedes Bundesland die Wohnungslosenhilfe unterschiedlich ausgestaltet: Während manche Bundesländer ein diverses Angebot an Einrichtungen für verschiedene Zielgruppen zur Verfügung stellen, gibt es in anderen Bundesländern nicht einmal eine umfassende Delogierungsprävention. Hinzu kommt die generelle Hürde der Anspruchsberechtigung mit strengen gesetzlichen Zugangskriterien, die Menschen daran hindern, bestehende Angebote in Anspruch nehmen zu können.

Amnesty-Aktivist*innen vor dem Bundesministerium für Soziales (c) Amnesty International

„Wir brauchen und fordern dringend die Verankerung des Rechts auf Wohnen – als Teil der sozialen Menschenrechte – in der österreichischen Verfassung“, verleiht Schlack der Petition, die heute mit 6.000 Unterschriften an Sozialminister Johannes Rauch übergeben wurde, Nachdruck. „Menschen müssen ihr Recht einfordern können, und nicht als Bittsteller*innen um Almosen ansuchen“, so Schlack mit Blick auf das derzeit vielerorts herrschende Narrativ, dass Wohnungslosenhilfe als gönnerhafte Leistung des Sozialstaats angesehen wird und nicht einen Rechtsanspruch darstellt. Und sie erinnert die Politik an ihr eigenes Bekenntnis in der Erklärung von Lissabon 2021, Obdachlosigkeit in Österreich bis zum Jahr 2030 beenden zu wollen.

Sozialminister Johannes Rauch zeigt sich den Forderungen gegenüber verständnisvoll. „Obdachlosigkeit ist eine der schlimmsten Formen von Armut. Ich danke Amnesty International für ihr Engagement und die Übergabe der Petition. Es ist sehr wichtig, dass Impulse wie dieser aus der Zivilgesellschaft kommen“, betont Sozialminister Johannes Rauch. „Politisch versuchen wir in punkto Wohnungslosigkeit bereits mit dem Unterstützungsprogramm Wohnschirm entgegenzuwirken. Wir investieren 139 Millionen Euro um Menschen vor dem Wohnungsverlust zu bewahren und sie finanziell bei ihrer Energierechnung zu unterstützen. Damit haben wir in Österreich bereits für über 6.500 Menschen die Delogierung verhindern können. Mit dem Projekt 'zuhause ankommen' finanzieren wir außerdem ein bundesländerübergreifendes Pilotprojekt, bei dem wohnungslose Menschen nach dem Housing-First Prinzip eine eigene, leistbare Wohnung und maßgeschneiderte Unterstützung durch Sozialarbeiter*innen erhalten“, so Sozialminister Johannes Rauch abschließend.


Konkret fordert Amnesty International gemeinsam mit rund 6.000 Menschen in Österreich in ihrer Petition:

  • Die verfassungsrechtliche Verankerung des Menschenrechts auf Wohnen, damit der Rechtsanspruch auch durchgesetzt werden kann.
  • Die Sicherstellung von vielfältigen Angeboten in der Wohnungslosenhilfe, damit auch die besonderen Bedürfnisse von Frauen, jungen Erwachsenen, Migrant*innen und LGBTIQ-Personen berücksichtigt werden.
  • Eine nationale Wohnstrategie, um dem Ziel, Obdach- und Wohnungslosigkeit in Österreich bis zum Jahr 2030 zu beenden, näher zu kommen und die Unterschiede bei den Angeboten der einzelnen Bundesländer abzubauen.
  • Eine systematische, statistische Erhebung über die Ursachen und das Ausmaß von Wohnungs- und Obdachlosigkeit, um daraus geeignete Maßnahmen ableiten zu können.
  • Die Abschaffung der diskriminierenden Zugangskriterien zur Wohnungslosenhilfe.
  • Die Bereitstellung ausreichender finanzieller Ressourcen, um eine ganzjährige und ganztägige Öffnung von Notunterkünften zu ermöglichen.

Wohnen ist (d)ein Menschenrecht

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