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Bewaffnete Konflikte, staatliche Repressionen und organisierte Kriminalität führten in den Staaten Nord- und Südamerikas seit Mitte des 20. Jahrhunderts zum Verschwinden(lassen) hunderttausender Menschen. Staatliche Behörden gehen solchen Fällen unzureichend nach. Diejenigen, die den Mut aufbringen, Antworten zu fordern, werden häufig diskriminiert, angegriffen und juristisch verfolgt, um sie zum Schweigen zu bringen.
Trotz dieser Repressalien besteht eine Bewegung, die ehrliche Antworten auf das Schicksal ihrer vermissten Angehörigen fordert. Die meisten von ihnen sind Frauen, die die Suche leiten und dafür sorgen, dass die Gesichter und Geschichten der Verschwundenen bekannt werden. Für viele Menschen sind diese Frauen ein letzter Hoffnungsschimmer. Sie stellen eine letzte Chance auf Wahrheit, Versöhnung und ein Ende des gewaltsamen Verschwindenlassens dar.
Im Zuge bewaffneter Konflikte war es Behörden über Jahrzehnte möglich, ein Narrativ zu entwickeln, wonach es der "öffentlichen Sicherheit" diene, die Opposition zum Schweigen zu bringen, und somit das Verschwindenlassen von Menschen zu legitimieren. Sie unterstellten den gewaltsam Verschwundenen und den mit ihnen verbundenen Personen, dass sie Kriminelle seien und das, was mit ihnen geschah, irgendwie verdient hätten. In vielen Fällen entschied die öffentliche Meinung“ darüber, wer unschuldig oder schuldig war, und nicht ein tatsächlicher fairer Prozess.
Diese Darstellung der Ereignisse ermöglichte es den Behörden und nichtstaatlichen Akteuren, weiterhin Menschenrechtsverletzungen zu begehen, ohne dass diese näher untersucht wurden.
Trotz der Einführung rechtlicher Mechanismen zur Eindämmung dieser Verstöße sowohl auf internationaler als auch auf regionaler Ebene ist das Verschwindenlassen von Personen auf dem gesamten amerikanischen Kontinent nach wie vor an der Tagesordnung. Die Staaten reagieren immer noch nicht angemessen auf Fälle gewaltsamen Verschwindenlassens.
In vielen betroffenen Ländern gibt es keine wirksame öffentliche Politik zum Schutz der Menschenrechte, die durch das Verschwindenlassen von Personen verletzt werden. Es gibt nur wenige Maßnahmen, um das gewaltsame Verschwindenlassen zu verhindern oder umfassende Ermittlungen durchzuführen, um die gewaltsam Verschwundenen ausfindig zu machen und all jene zur Rechenschaft zu ziehen, die der kriminellen Verantwortung verdächtigt werden.
Wenn der Staat seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, nehmen Familien und Angehörige der gewaltsam Verschwundenen die Suche nach ihnen auf sich. Sie sind Menschenrechtsverteidiger*innen, die für Gerechtigkeit, Wahrheit und Wiedergutmachung kämpfen. Diese kraftvollen Bewegungen werden häufig von Frauen angeführt.
Anstatt gefeiert und geschützt zu werden, werden diese Frauen jedoch häufig angegriffen, verleumdet, diskreditiert und sogar kriminalisiert. Suchende Frauen und ihre Familien sind gezwungen, in Angst vor denen zu leben, die sie zum Schweigen bringen wollen. Sie erhalten regelmäßig Gewaltandrohungen, einschließlich sexueller Gewalt. Familien sind oft sogar gezwungen, aufgrund von Gewaltandrohungen aus dem Land zu fliehen.
Sie werden zur Zielscheibe von Verleumdungskampagnen, die nicht nur die Fortsetzung ihrer Menschenrechtsarbeit erschweren, sondern sich auch auf fast jeden anderen Aspekt ihres Lebens auswirken. Die Menschen verlieren Freunde, werden von ihrer Gemeinschaft gemieden und bleiben isoliert, nur weil sie es gewagt haben, Antworten auf das Schicksal der Verschwundenen zu finden.
In den schlimmsten Fällen führen diese Gewaltandrohungen zu gewalttätigen Angriffen und sogar zu Morden. Zwischen 2019 und 2024 wurden allein in Mexiko 16 Suchende wegen ihrer Menschenrechtsarbeit getötet, darunter 13 Frauen. Eine suchende Frau ist verschwunden.
Angehörige von vermissten Personen nehmen an einer Demonstration am Internationalen Tag der Verschwundenen am 30. August 2022 in Guadalajara, im Bundesstaat Jalisco in Mexiko teil.
Die Geschlechterdynamik stellt Suchende oft vor noch größere Hindernisse, die sie bei ihrem Streben nach Gerechtigkeit überwinden müssen. Einer der Hauptgründe dafür, dass so viele Suchende Frauen sind, liegt in den kulturellen Erwartungen, die sie als Versorgerinnen sehen.
Aufgrund der geschlechtsspezifischen Diskriminierung sehen sich Suchende immer wieder mit Hindernissen und Bedrohungen für ihre persönliche Sicherheit konfrontiert. Sie werden durch den Umgang mit den Behörden stigmatisiert, die versuchen, die Suchenden herabzusetzen und zu entfremden, sobald sie auf das Verschwinden einer Person hinweisen.
Patriarchalische und frauenfeindliche kulturelle Normen beeinflussen auch die Art und Weise, in der die suchenden Frauen mit Gewalt oder Gewaltandrohungen bedroht werden. Sie erhalten häufig Drohungen mit sexueller und anderer geschlechtsspezifischer Gewalt.
Armut und gewaltsames Verschwinden sind eng miteinander verwoben. Menschen, die in Armut leben, sind stärker gefährdet, gewaltsam zu verschwinden. Sobald sie verschwunden sind, müssen ihre Familienangehörigen noch mehr wirtschaftliche Lasten tragen, um über die Runden zu kommen. Somit kann das Verschwindenlassen auch eine Verletzung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Familie darstellen.
Diese schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen müssen berücksichtigt werden, wenn es um die verschiedenen Menschenrechtsverletzungen geht, mit denen Suchende konfrontiert sind. Sie führen nicht nur den Kampf um Gerechtigkeit für ihre Angehörigen, sondern müssen auch herausfinden, wie sie die Pflegeaufgaben und die Versorgung der Familie während der Abwesenheit ihrer Angehörigen bewältigen können.
Suchende Frauen leiden häufig unter schweren gesundheitlichen Problemen wie Bluthochdruck, chronischer Müdigkeit und anderen Stresssymptomen, Ängsten und Depressionen.
Verwandte verschwundener Menschen warten vor einem Krematorium, das von paramilitärischen Gruppierungen genutzt worden war, in der Nähe von Juan Frio Relatives in der Gemeinde Villa del Rosario in Kolumbien. 27. September 2023.
Wir setzen uns für einen besseren Schutz von Suchenden in Nord- und Südamerika ein und fordern, dass die Staaten sie bei der Suche nach Gerechtigkeit, Wahrheit und Wiedergutmachung für ihre Angehörigen unterstützen.
Wir haben einen rechtlichen Rahmen skizziert, der die Verantwortung der Staaten gegenüber den Suchenden erläutert. Dazu gehört die Anerkennung ihres Status als Menschenrechtsverteidiger*innen und ihres Rechts, ohne Diskriminierung nach Verschwundenen zu suchen.
Unsere Kampagne #SearchingWithoutFear wird in Zusammenarbeit mit den Frauen durchgeführt, die diese Arbeit leiten. Wir hoffen auf eine Zukunft, in der diese inspirierenden Frauen für ihre Arbeit zur Beendigung des gewaltsamen Verschwindenlassens in Nord- und Südamerika gefeiert werden. Wir arbeiten daran, das Bewusstsein für die Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, zu schärfen und die Verantwortung der Staaten hervorzuheben, damit diese Frauen ihre wichtige Arbeit zur Verteidigung der Menschenrechte fortsetzen können.
Karla Martínez, Verónica Durán Lara und Bibiana Mendoza suchen nach ihren vermissten Angehörigen in León, Guanajuato in Mexiko, zu finden. Zuerst auf eigene Faust, nun im Rahmen des Kollektivs "Hasta Encontrarte". Sie übernehmen anspruchsvolle Aufgaben, die eigentlich von den Behörden wahrgenommen werden sollten - sie leiten Ermittlungen und graben Leichen aus, und das Alles unter anstrengenden und gefährlichen Bedingungen. Trotz aller Entbehrungen, Gewalt und Drohungen sind sie weiterhin füreinander da.
Von links nach rechts: Karla Martínez, Verónica Durán Lara und Bibiana Mendoza geben die Hoffnung nicht auf, ihre vermissten Angehörigen zu finden.
Yanettes Schwester Nydia war eine studentische Aktivistin, die 1987 in Bogotá gewaltsam verschwand. Die Familie wurde sofort aktiv, hängte Plakate und Flugblätter auf und rief Menschenrechtsorganisationen an, um bei der Suche nach Nydia zu helfen.
Mit der Zeit entwickelte sich Yanettes Suche nach ihrer Schwester zu einer größeren Mission für Gerechtigkeit, Wahrheit und Wiedergutmachung, bei der sie mit anderen Familien zusammenarbeitete, um ihnen zu helfen, ihre Angehörigen zu finden.
Jetzt setzt sie sich für einen Gesetzentwurf zum Schutz der Frauen ein, die ihr Leben der Suche nach ihren Angehörigen gewidmet haben. In einem Land, in dem mindestens 200.000 Menschen verschwunden sind.
Du kannst dich für Yanette Bautista einsetzen.
Und für die in Mexiko verschwundene indigene Anwältin Sandra Domínguez