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Veröffentlicht am 30.6 2022, zuletzt aktualisiert am 12.1.2024
Rassismus ist eine besonders weit verbreitete Form der Diskriminierung und ein Angriff auf die Grundidee der Menschenrechte, wonach alle Menschen gleich sind. Menschen werden aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Abstammung oder anderer, zumeist äußerlicher Zuschreibungen, diskriminiert und ausgegrenzt − auch in Österreich.
Jede Art von Diskriminierung verletzt die menschliche Würde. Amnesty International fordert deshalb die verantwortlichen Staaten auf, Diskriminierung zu bekämpfen und Einzelne davor zu schützen.
Wir alle können von Diskriminierung betroffen sein, gleichzeitig sind wir aber auch nicht davor gefeit, andere bewusst oder unbewusst zu diskriminieren. Nicht zuletzt deswegen ist es wichtig, rassistische und diskriminierende Denkmuster und Verhaltensweisen zu erkennen, zu hinterfragen und zu vermeiden. Im folgenden Text erfährst du wie Rassismus definiert wird, woher er kommt und was wir alle gemeinsam gegen Rassismus tun können.
> Definition: Was ist Rassismus?
> Historische Ursprünge: Rassistische Ideologien
> Historische Beispiele für Rassismus
> Was bedeutet rassistische Diskriminierung?
> Rassistische Diskriminierung im Völkerrecht
> Rassistische Diskriminierung und Meinungsäußerungsfreiheit
> Was ist institutioneller bzw. systemischer Rassismus?
Rassismus ist ein Angriff auf die universellen Menschenrechte an sich. Er verleugnet eines der Grundprinzipien der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – nämlich, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind. Rassismus verweigert Menschen systematisch die Ausübung ihrer Grundrechte unter dem Vorwand der Hautfarbe, der „Rasse“ oder ethnischen Herkunft, der nationalen oder auch der sozialen Herkunft (z.B. im indischen Kastensystem). Deshalb ist Rassismus eine Bedrohung für alle Menschenrechte – seien es die bürgerlichen und politischen oder die wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Rechte.
Es gibt zwar keine völkerrechtliche Definition von Rassismus, aber international anerkannte Menschenrechtsstandards verbieten die Diskriminierung aufgrund von „Rasse“ oder Ethnie.
Vorurteile, Hass und Gewalt gegenüber Menschen, die als „anders“ oder „fremd“ wahrgenommen werden, haben viele Ursachen – und sie haben schwerwiegende Folgen: Rassismus kann von Ausgrenzung und Diskriminierung über Apartheid bis hin zu ethnischen Säuberungen und Völkermord führen.
Im Mittelpunkt aller Formen von Diskriminierung stehen Vorurteile, die auf Identitätskonzepten und dem Bedürfnis beruhen, sich mit einer bestimmten Gruppe zu identifizieren. Dies kann zu Spaltung, Hass und sogar zur Entmenschlichung anderer Menschen führen, weil sie eine andere Identität haben.
Das Recht, nicht rassistisch diskriminiert zu werden, ist ein Grundpfeiler der internationalen Menschenrechtsgesetzgebung. Es ist ein Prinzip, das in praktisch allen wichtigen Menschenrechtsinstrumenten sowie in der Charta der Vereinten Nationen enthalten ist. Dennoch gibt es rassistische Diskriminierung in fast allen Gesellschaften – trotz der Bemühungen der Vereinten Nationen und von Organisationen auf der ganzen Welt, die sich der Bekämpfung des Rassismus verschrieben haben.
In seiner klassischen Ausprägung geht Rassismus davon aus, dass Menschen in biologisch definierte „Rassen“ mit genetisch bedingten Merkmalen eingeteilt werden können, nach denen sie sich voneinander unterscheiden. Historisch wurde aus diesen Unterschieden eine Hierarchie von „höheren“ und „minderwertigen Rassen“ konstruiert, denen entsprechende Privilegien zukommen oder eben vorenthalten werden dürfen. Rassismus diente deshalb in der Vergangenheit auch als Rechtfertigung für Kolonialismus und Sklaverei.
Der Begriff der „Rasse“ selbst hat keine wissenschaftliche Grundlage. Heute wird er als Kern eines problematischen ideologischen Konzepts betrachtet. Dennoch lebt Rassismus in anderen Ausformungen nach wie vor weiter, beispielsweise indem bestimmten Menschengruppen aufgrund ihrer Herkunft, Ethnie oder Nationalität gewisse Eigenschaften oder Verhaltensweisen zugeschrieben werden. Dies äußert sich in pauschalen Vorurteilen wie „Nigerianer sind Drogendealer“ oder „Roma sind Diebe“.
Rassismus ist also eine sozio-politische Kategorisierung, die im Allgemeinen auf der Grundlage von äußerlichen Merkmalen konstruiert wird. Er werden fiktive Abstammungs- und Herkunftsgemeinschaften erschaffen, denen bestimmte negative Merkmale zugeordnet werden. Rassenkategorien sind willkürlich und werden oft für politische Zwecke verwendet. Die eigentliche Bedeutung der „Rasse“ und die ideologischen Ausdrucksformen des Rassismus ändern sich je nach Epoche und nach geografischer Region. Rassismus wird von dominanten Gruppen oft als Rechtfertigung für ihren privilegierten Status in der Gesellschaft benutzt. Eine rassistische Einstellung kann aber manchmal auch ein Ausdruck der Entfremdung und Verzweiflung von Personengruppen sein, die ihrerseits von der Gesellschaft marginalisiert werden.
Quer durch die Epochen finden sich zahlreiche exemplarische Fälle für Rassismus, die in ihrer Gesamtheit das weitreichende und facettenreiche Ausmaß dieser sozio-politischen Kategorisierung aufzeigen. Darunter sind auch Ereignisse, die nicht nur die tiefgreifende Verankerung von rassistischen Strukturen dokumentieren, sondern auch die Vielschichtigkeit und Variabilität des Rassismus als gesellschaftlichen Problematik veranschaulichen. Zu den markantesten Beispiele zählen unter anderem:
Diese Beispiele stellen lediglich einen Ausschnitt der vielfältigen historischen Erscheinungsformen von Rassismus dar.
Im Gegensatz zu Rassismus als Ideologie spricht man von rassistischer Diskriminierung (bzw. Rassendiskriminierung), wenn Einzelpersonen oder Gruppen wegen ihrer äußeren Erscheinung, Hautfarbe, Herkunft, Ethnie oder Nationalität ungleich behandelt, benachteiligt und in Worten oder Taten herabgesetzt und/oder angegriffen werden.
Rassistische Diskriminierung kann direkt erfolgen, wenn eine bestimmte Gruppe gezielt diskriminiert oder bevorzugt wird, oder indirekt, wenn die Ungleichbehandlung ethnischer Gruppen nicht absichtlich geschieht, aber dennoch auf einem bestimmten Gesetz oder einer bestimmten Praktik basiert. Beide Formen von rassistischer Diskriminierung sind laut internationalen Menschenrechtskonventionen verboten. Nationale Behörden sind verpflichtet, rassistische Diskriminierung in Gesetzen und Praktiken zu verbieten und die Gleichbehandlung aller Personen und Gruppen zu fördern.
Amnesty International setzt sich weltweit dafür ein, dass das Recht auf Gleichbehandlung geachtet wird und die Staaten zur Verantwortung gezogen werden.
Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung wurde 1965 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen einstimmig angenommen. Österreich ratifizierte die Rassendiskriminierungskonvention 1972 und akzeptiert auch die Zuständigkeit des Rassendiskriminierungsausschusses für Individualbeschwerden.
Das Übereinkommen nennt eine Reihe von Grundrechten und Maßnahmen zur Beseitigung der Rassendiskriminierung in all ihren Formen. Es zielt auch darauf ab, Gleichheit zu fördern, sodass alle Menschen in den Genuss aller grundlegenden Menschenrechte kommen können, sowohl im zivilen und politischen als auch im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich. Darüber hinaus sind die ratifizierenden Staaten verpflichtet, Personen vor allen Formen der Diskriminierung zu schützen – unabhängig davon, ob diese von Privatpersonen oder von staatlichen Akteuren selbst ausgehen.
Mit diesem Übereinkommen wurde zum ersten Mal ein Gremium geschaffen – der Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD) –, dessen Aufgabe es ist, zu überwachen und zu beurteilen, wie die Staaten ihren Verpflichtungen aus den Bestimmungen des Übereinkommens nachkommen.
Das Verbot der Rassendiskriminierung steht auch im Mittelpunkt anderer wichtiger UN-Instrumente. Es ist unter anderem im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), im Übereinkommen über die Rechte des Kindes (KRK) und im Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (CAT) verankert.
Das Verbot rassistischer Diskriminierung kann in Widerspruch zum Recht auf freie Meinungsäußerung geraten. Zum Beispiel im Fall „Atamanchuk gegen Russland“: Der Politiker, Journalist und Gründer einer Zeitung Vladimir Leonidovich Atamanchuk verfasste einen Artikel, in dem er seine Entscheidung darlegte, sich bei den bevorstehenden Wahlen zu enthalten. Im Artikel behauptete er, dass russische Personen leiden würden, und dass nicht-russische Personen daran schuld seien. Unter Verwendung von "ethnischen Merkmalen" als Grundlage argumentierte er, dass Mitglieder nicht-russischer Gruppen in kriminelle Aktivitäten verwickelt seien. Atamanchuk wurde aufgrund der Veröffentlichung wegen „Aufstachelung zu Hass, Feindschaft und Herabsetzung der Würde einer Gruppe von Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Sprache, Herkunft und Religion“ verurteilt. Der Journalist zog daraufhin vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, weil er sein Recht auf freie Meinungsäußerung durch die Verurteilung verletzt sah. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte jedoch in seinem Urteil im Jahr 2020 keine Verletzung des Artikels 10 (Meinungsfreiheit) fest, wobei die schädliche Natur verallgemeinernder rassistischer Aussagen berücksichtigt wurde.
Der Fall zeigt: Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist kein absolutes Recht. Wie andere Rechte auch kann es eingeschränkt werden, wenn andere Grundrechte auf dem Spiel stehen, zum Beispiel eben das Recht, nicht diskriminiert zu werden. Das Völkerrecht stellt an solche Einschränkungen aber sehr hohe Anforderungen: Sie müssen eine gesetzliche Grundlage haben, ein legitimes Ziel verfolgen (etwa den Schutz der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Moral oder der Rechte und Freiheiten Dritter), und sie müssen verhältnismäßig sein.
Von institutionellem Rassismus wird gesprochen, wenn Menschen durch Institutionen der Gesellschaft rassistisch diskriminiert werden – beispielsweise durch fehlende Möglichkeiten zur politischen Beteiligung, im Bildungssystem, am Arbeitsmarkt oder auch am Wohnungsmarkt. Institutioneller Rassismus wird auch als struktureller oder systemischer Rassismus bezeichnet.
Sowohl in Österreich als auch international gibt es immer wieder Fälle von rassistischer Diskriminierung durch Polizei und andere Justizorgane. In Österreich befasst sich Amnesty International seit vielen Jahren mit dem Thema rassistische Diskriminierung bei der Exekutive, da es sich um ein seit langem bestehendes, tief verwurzeltes Problem handelt.
Rassistische Diskriminierung bei der österreichischen Polizei und Justiz wurde sowohl von österreichischen Nichtregierungsorganisationen als auch von Institutionen zur Überwachung der Menschenrechte im Rahmen der internationalen Organisationen (darunter der Europarat und die Vereinten Nationen) immer wieder aufgezeigt. Doch reale Verbesserungen geschehen nur langsam. Amnesty International ist auch besorgt, dass Angehörige ethnischer Minderheiten als Opfer von Verbrechen oft weniger Schutz erhalten als die Mehrheit der Bevölkerung.
Ob gewollt oder ungewollt – die meisten weißen* Menschen handeln im Alltag rassistisch. Das liegt daran, dass sie in einer rassistisch geprägten Gesellschaft aufgewachsen sind und so unbewusst rassistische Verhaltens- und Denkweisen gelernt und verinnerlicht haben. Das zu erkennen – vor allem bei sich selbst – ist gar nicht so einfach.
Wir haben Empfehlungen gesammelt, die Menschen helfen sollen, Rassismus zu verstehen und antirassistisch zu handeln. Denn das beste Mittel gegen Rassismus bist du selbst, und das kritische Hinterfragen deines eigenen Handelns und Sprechens.
Mehr dazu findest du hier: 7 Dinge, die du gegen Rassismus tun kannst
Bildung zum Thema Rassismus ist wichtig für jede*n Einzelne*n von uns, um unser eigenes Handeln zu reflektieren, und wichtig für unsere Gesellschaft, um langfristig rassistische Denkweisen abzulegen. Wenn du dich weiterbilden oder zum Beispiel mit deinen Kindern oder deiner Schulklasse über Rassismus sprechen möchtest, wird dir das von uns zusammengestellte Unterrichtsmaterial zum Thema Rassismus vielleicht nützlich sein.
* „Weiß“ und „weißsein“ bezeichnen ebenso wie „Schwarzsein“ keine biologische Eigenschaft und keine reale Hautfarbe, sondern eine politische und soziale Konstruktion. Mit weißsein ist die dominante und privilegierte Position innerhalb des Machtverhältnisses Rassismus gemeint, die sonst zumeist unausgesprochen und unbenannt bleibt.
Im Zusammenhang mit dem Thema Rassismus ist die Sprache, die wir verwenden, besonders relevant. Die meisten von uns möchten durch ihre Wörter und Formulierungen nicht verletzen, doch manchmal ist es schwer, sich richtig auszudrücken. Unser Glossar für diskriminierungssensible Sprache hilft, sich im persönlichen Bereich gegen Rassismus einzusetzen. Sich mit der eigenen Sprache zu beschäftigen, hilft dabei, sich selbst kritisch zu hinterfragen und sich mit den eigenen Vorurteilen auseinanderzusetzen.
Mehr dazu findest du hier: Glossar für diskriminierungssensible Sprache
Wer in einer rassistisch geprägten Gesellschaft aufwächst, wird höchstwahrscheinlich selbst rassistisch denken und handeln. Möglichst früh mit Bildung zum Thema Rassismus anzusetzen, wird auf lange Sicht hoffentlich dazu beitragen, dass wir als Gesellschaft Rassismus besser verstehen und antirassistisch zu denken lernen. Wir haben einige kostenlose Unterrichtsmaterialien zum Thema Rassismus gestaltet, die einen kleinen Beitrag dazu leisten sollen. Du findest sie hier in der Liste zu deiner Verwendung.