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Die Machtübernahme durch die Taliban am 15. August 2021 hat das Leben aller Menschen in Afghanistan grundlegend verändert, aber afghanische Frauen und Mädchen sind nun in ihrem täglichen Leben besonders stark in ihren Rechten eingeschränkt. Die Behauptung der an den internationalen Verhandlungen beteiligten Taliban-Führer, die Einstellung der Taliban zu Frauenrechten habe sich weiterentwickelt, ist durch die Ereignisse vor Ort schnell widerlegt worden.
Abgesehen von Mitarbeiterinnen im Gesundheitswesen und einigen wenigen Ausnahmen[1] wurde den afghanischen Frauen mitgeteilt, dass sie nicht arbeiten dürfen und zu Hause bleiben sollen, bis sich die Situation „normalisiert“ habe und „frauenbezogene Verfahren eingerichtet worden“ seien.[2] Seit dem 20. September 2021 dürfen Mädchen ab der sechsten Klasse (ab dem 12. Lebensjahr) nicht mehr zur Schule gehen, und die starre Geschlechtertrennung an den Universitäten hat die Möglichkeiten vieler junger Frauen, zu studieren, stark eingeschränkt.
In den ersten Tagen standen alle unter Schock. Aber dann sah ich mutige Frauen, aufstehen, demonstrieren und ihre Stimme erheben. Das ist die neue Generation. Sie hatten ihren Vorgängerinnen zugehört. Sie sind die Revolution.
Shukria Barakzai
Die abrupte Kürzung der internationalen Hilfe und das Einfrieren von Vermögenswerten der afghanischen Regierung durch die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds (IWF) tragen zu einer wachsenden humanitären Katastrophe bei. Das Arbeitsverbot für Frauen hat die wirtschaftlichen Probleme vieler Familien verschärft, die noch vor wenigen Monaten über ein festes Einkommen verfügten und nun vor dem Nichts stehen. Abgesehen von den wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Ausschluss von Frauen aus dem öffentlichen Dienst zu sehr großen Personallücken in den Behörden geführt; sie können nicht mehr effizient arbeiten.
Dass die Taliban nach der Machtübernahme das Ministerium für Frauenangelegenheiten durch das Ministerium für die Förderung der Tugend und die Verhinderung des Lasters ersetzt haben, ist eine besonders bedrohliche Entwicklung. Denn diese Institution war während der ersten Taliban-Regierung in den 1990er Jahren für schwere Menschenrechtsverletzungen an Frauen verantwortlich. Frauen haben nicht nur keinen Zugang mehr zu Bildung und Beruf, sondern sind auch vermehrt von geschlechtsspezifischer Gewalt bedroht und in ihren Rechten auf Versammlungs-, Bewegungs- und Meinungsfreiheit stark eingeschränkt, bis hin zur Wahl ihrer Kleidung.
[1] So durften beispielsweise im Passamt angestellte Frauen Berichten zufolge Anfang Oktober an ihren Arbeitsplatz zurückkehren
[2] Laut Taliban sollten Frauen "für ihre eigene Sicherheit temporär zuhause bleiben".
Anlässlich der Aktion 16 Tage Aktivismus gegen geschlechtsspezifische Gewalt 2021 stellt Amnesty International die Leistungen von 16 bemerkenswerten afghanischen Frauen vor. Zu einem Zeitpunkt, an dem den Afghan*innen fast über Nacht ein ganzes Spektrum von Rechten genommen wurde, erinnern diese 16 Geschichten daran, wie viel die afghanischen Frauen trotz politischer Instabilität und aller Konflikte in den letzten 20 Jahren erreicht haben, und daran, dass sie unter dem neuen Regime viel höheren Risiken ausgesetzt sind.
Vor allem aber zeigen diese Beispiele, wie viel die Frauen zu ihren Gemeinschaften, zur Gesellschaft und zu ihrem Land beitragen, wenn sie ihre Rechte wahrnehmen können und die Möglichkeit haben, uneingeschränkt am öffentlichen Leben teilzunehmen. Angesichts der großen humanitären und politischen Krise in Afghanistan ist es unverständlich, dass sich eine Regierung dazu entschließt, diese und viele andere afghanische Frauen aktiv von der Teilnahme am öffentlichen Leben auszuschließen und sie ihrer Menschenrechte zu berauben.
Assistenzprofessorin an der Universität Kabul
"Ich hoffe, dass nicht nur die internationale Gemeinschaft, sondern auch die Afghan*innen und die Frauen auf der ganzen Welt, auf internationaler Ebene ihre Stimme erheben, um gegen die Gewalt und Diskriminierung, der wir ausgesetzt sind, aufzustehen."
Manizha Ramizy ist Akademikerin und Menschenrechtsverteidigerin. Viele Hochschuldozentinnen sind nach der Machtübernahme durch die Taliban aufgefordert worden, nicht mehr zur Arbeit zu kommen, und viele Hochschulmitarbeiterinnen sind nicht mehr bezahlt worden. Einige Privatuniversitäten haben nach Geschlechtern getrennte Klassenräume eingerichtet, aber viele öffentliche Universitäten haben beschlossen, dass Frauen dort nicht lehren können, bis getrennte Klassen für Frauen und Männer eingerichtet worden sind.
"Nach meinem Eintritt in die akademische Welt habe ich mich für Änderungen im Lehrplan eingesetzt, z. B. für die Aufnahme von Menschenrechten in den Lehrplan der Universität. Nach drei Jahren stimmte das Ministerium für Hochschulbildung schließlich zu, die Menschenrechte in den Lehrplan der Fakultäten für Soziologie und Psychologie aufzunehmen.
In der Vergangenheit hat die Regierung versucht, die verschiedenen Frauenbewegungen in Afghanistan zu kontrollieren – wenn sie dafür sorgte, dass die Frauen sich nicht zusammenschlossen, war es einfacher, sie zu kontrollieren. Trotzdem haben viele Frauen im ganzen Land Bewegungen gegründet und ihre Stimme erhoben.
Die Taliban nehmen nun Frauen und Mädchen systematisch alle grundlegenden Rechte und Freiheiten. Beschränkungen der Bewegungsfreiheit und der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Teilhabe sind die größten Hindernisse für die Rechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan.
Die Taliban haben meinen Kolleginnen den Zutritt zur Universität von Kabul verwehrt und auch die Häuser und Büros von Frauenrechtsgruppen durchsucht. Darüber hinaus gehen die Taliban mit Gewalt gegen Demonstrantinnen vor und betrachten Frauen lediglich als diejenigen, die gebären und ihre Zeit im Haus verbringen sollten.
Ich hoffe, dass nicht nur die internationale Gemeinschaft, sondern auch die Afghan*innen und die Frauen auf der ganzen Welt, auf internationaler Ebene ihre Stimme erheben, um gegen die Gewalt und Diskriminierung, der wir ausgesetzt sind, aufzustehen."
Journalistin
"Leute aus dem Westen stempelten uns immer wieder als 'Elitefrauen' und 'verwestlichte Frauen' ab, die nicht wirklich repräsentativ für die afghanischen Frauen seien. Das taten sie, um uns zum Schweigen zu bringen und sicherzustellen, dass wir nicht gehört werden. Wir wurden von den Leuten verraten, die uns sagten, sie seien wegen der afghanischen Frauen in Afghanistan."
Elaha Sahel ist Journalistin und Frauenrechtsaktivistin. In den ersten Tagen nach der Machtergreifung konnten afghanische Journalistinnen noch Vertreter der Taliban interviewen, doch dann kam es zu einer raschen Verschlechterung der Lage. Beim nationalen Fernsehsender wurden Moderatorinnen aus dem Programm genommen, und Journalistinnen erhielten Drohungen, in denen sie aufgefordert wurden, ihre Arbeit einzustellen. Im Jahr vor der Machtübernahme der Taliban in Kabul wurden mehrere in den Medien tätige Frauen getötet. Nach Recherchen von Reporter ohne Grenzen wurden seit der Machtübernahme durch die Taliban Hunderte von Journalistinnen gezwungen, ihre Arbeit einzustellen, und Dutzende von Medienunternehmen haben ihre Tätigkeit eingestellt. Viele hochrangige Journalistinnen sind aus dem Land geflohen oder halten sich derzeit versteckt und suchen nach einer Möglichkeit zur Flucht.
"Ich habe schon sehr früh angefangen, als Journalistin zu arbeiten, kurz nachdem das Taliban-Regime 2001 von den USA gestürzt wurde.
Ich habe mich mit Themen wie Kinderehen, Frauen in Gefängnissen und obdachlosen Frauen und Mädchen beschäftigt. Ich wurde 2020 als „Journalist*in des Jahres“ ausgezeichnet und habe in Usbekistan einen weiteren Preis für meine journalistische Arbeit erhalten. Ich leitete mehrere investigative Projekte zur Situation von Frauen und Mädchen in Afghanistan, von denen einige zu Debatten auf höheren Regierungsebenen führten.
Wenn Frauen und Mädchen andere Frauen auf ihren Fernsehbildschirmen sahen oder ihre Stimmen im Radio hörten, konnten sie träumen, wer sie sein und was sie tun könnten.
Es ist sehr traurig und schmerzhaft für mich, an die Situation zurückzudenken, als ich als zehnjähriges Mädchen die Taliban zum ersten Mal erlebte. Es war der schlimmste Moment meines Lebens, im August 2021 zu sehen, wie sich die Geschichte der Frauen wiederholt.
Unsere Familien waren die ersten, die uns Beschränkungen auferlegten, weil sie Vergeltungsmaßnahmen der Taliban fürchteten. Sie sagten uns, dass wir das Haus nicht verlassen sollten, was wir anziehen sollten, um jegliche Form von Angriffen der Taliban zu vermeiden.
Als vor zwei Jahren die Friedensgespräche begannen, forderten afghanische Frauen die internationale Gemeinschaft immer wieder auf, dafür zu sorgen, dass die Rechte der Frauen während und nach dem Friedensprozess geschützt werden. Leider hat uns niemand zugehört. Leute aus dem Westen stempelten uns immer wieder als 'Elitefrauen' und 'verwestlichte Frauen' ab, die nicht wirklich repräsentativ für die afghanischen Frauen seien. Das taten sie, um uns zum Schweigen zu bringen und sicherzustellen, dass wir nicht gehört werden. Wir wurden von den Leuten verraten, die uns sagten, sie seien wegen der afghanischen Frauen in Afghanistan."
Polizeibeamtin
"In den letzten Tagen habe ich gehört, dass die Taliban die Polizistinnen auffordern, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, aber das ist nichts anderes als eine Falle. Einige der Polizistinnen haben Anrufe von den Taliban erhalten, die ihren Aufenthaltsort herausfinden wollen oder sie bedrohen. Sie alle haben Angst und sind verzweifelt."
Zala Zazai ist eine Polizistin, die als Leiterin der Kriminalpolizei der Provinz Khost und später als Ermittlerin für Verbrechen an Frauen tätig war. Mindestens vier afghanische Polizistinnen, darunter eine im achten Monat schwangere, wurden Berichten zufolge seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 von Taliban-Kämpfern getötet. Afghanische Polizistinnen laufen Gefahr, von Menschen, die sie zuvor festgenommen haben (viele von ihnen wurden in den Wirren der Taliban-Übernahme freigelassen), sowie von konservativen Familien- oder Gemeindemitgliedern, die ihre Berufswahl missbilligen, bestraft zu werden.
"Ich bin seit Juni 2020 Polizistin und damit die erste Frau bei der Polizei in der Provinz Khost.
In meiner eigenen Familie gab es viel Widerstand gegen meinen Eintritt in die Polizei, und ich musste dort sehr viel Überzeugungsarbeit leisten. Nachdem ich meine Ausbildung abgeschlossen hatte und in den Polizeidienst eingetreten war, wurde mir klar, dass auch andere Menschen keine Frau im Polizeidienst sehen wollten.
In den letzten Tagen habe ich gehört, dass die Taliban die Polizistinnen auffordern, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, aber das ist nichts anderes als eine Falle. Einige der Polizistinnen haben Anrufe von den Taliban erhalten, die ihren Aufenthaltsort herausfinden wollen oder sie bedrohen. Sie alle haben Angst und sind verzweifelt.
Die internationale Gemeinschaft muss Druck auf die Taliban ausüben, um die Rechte der Frauen zu gewährleisten, und sie muss alles tun, um sicherzustellen, dass Frauen an der neuen Regierung beteiligt sind. Die Taliban können nicht die Hälfte der Bevölkerung Afghanistans auslöschen. Sie haben keine andere Wahl, als die Frauen einzubeziehen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Arbeit fortzusetzen und aktiv am sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben teilzunehmen."
Ehemalige Abgeordnete und Aktivistin
"Die internationale Hilfe muss davon abhängig gemacht werden, dass die Rechte der Frauen und der Schutz der gesamten afghanischen Bevölkerung gewährleistet sind und die diskriminierenden Praktiken gegenüber ethnischen Minderheiten beseitigt werden."
Roshan Sirran ist eine langjährige Frauenrechtsaktivistin und Geschäftsführerin der Training Human Rights Association for Afghan Women (THRA). Sie hat sich unter anderem intensiv mit der Wahlreform befasst und sich für den Schutz der Rechte von Frauen im Friedensprozess eingesetzt. Sie war Mitglied des afghanischen Parlaments und gehörte in den 1980er-Jahren der afghanischen Friedensdelegation an. Seit der zweiten Machtergreifung der Taliban sehen sich Menschenrechtsaktivist*innen – insbesondere diejenigen, die sich für die Rechte der Frauen einsetzen – einem äußerst feindseligen Umfeld gegenüber.
"Meine größte Errungenschaft ist die afghanische Verfassung. Ich bin sehr stolz darauf, Teil dieses Prozesses gewesen zu sein, der die Grundrechte und die Freiheit aller afghanischen Bürger*innen gewährleistet hat. Unter der neuen Verfassung haben die Frauen in verschiedenen Bereichen große Fortschritte gemacht; sie wurden zu einem wichtigen Bestandteil der Regierung und des privaten Sektors. Damals wurde die Beteiligung von Frauen an allen Bereichen des Lebens schrittweise zu etwas Selbstverständlichem.
Seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 wurde Frauen das Arbeiten verboten, egal ob sie Lehrerinnen, Ärztinnen, Richterinnen oder Polizistinnen sind. Dies wird langfristige Auswirkungen auf unsere Gesellschaft haben.
Die internationale Hilfe muss davon abhängig gemacht werden, dass die Rechte der Frauen und der Schutz der gesamten afghanischen Bevölkerung gewährleistet sind und die diskriminierenden Praktiken gegenüber ethnischen Minderheiten beseitigt werden."
Ehemalige Abgeordnete
"Als ich in den 1990er-Jahren von den Taliban auf der Straße ausgepeitscht wurde, habe ich danach nicht demonstriert. Es war unmöglich – es gab kein Netz, keine Texte, keine sozialen Medien. Aber ich habe etwas anderes gemacht: Zusammen mit anderen Frauen haben wir eine inoffizielle Schule in meinem Haus eingerichtet. Ich unterrichtete die Mädchen in Mathematik und Naturwissenschaften."
Shukria Barakzai ist eine frühere Abgeordnete und ehemalige Botschafterin Afghanistans in Norwegen. Während der ersten Taliban-Ära in den 1990er-Jahren richtete sie in ihrem Haus heimlich eine Schule ein und gründete 2002 eine einflussreiche Frauenzeitschrift namens Mirror. Zwischen 2005 und 2010 wurde sie zweimal ins Parlament gewählt. Nach einem Anschlag auf ihr Leben wurde sie als Diplomatin nach Norwegen entsandt. Während der Ausarbeitung der Verfassung debattierte sie mit berüchtigten Milizenführern und erreichte, dass die 2004 verabschiedete Verfassung den Afghan_innen – und insbesondere den afghanischen Frauen – einen bemerkenswerten Schutz bietet.
"Ich war an der Ausarbeitung mehrerer Artikel in der Verfassung von 2004 beteiligt, die sich mit der Beseitigung von Gewalt gegen Frauen befassen, und kämpfte für die Präsenz der Frauen im Parlament. Es war nicht einfach, in den Verfassungsausschüssen mit hochrangigen Milizenführern zu debattieren. Aber dank unserer Bemühungen konnten die Afghan*innen wenigestens 17 Jahre lang ihre Rechte und Pflichten im Rahmen dieser Verfassung wahrnehmen. Ich bin stolz darauf, dass die Verfassung den Menschen in Afghanistan Chancen, Gerechtigkeit, Gleichheit und eine gewählte Regierung gegeben hat.
Wir haben uns sehr für eine Übergangsjustiz eingesetzt und ein Sondergericht für Kriegsverbrechen gefordert. Wir wollten, dass die Warlords und alle Kriminellen zur Rechenschaft gezogen werden. Es ist uns nicht gelungen. Aber es war eine große Leistung, gemeinsam für diese Forderung einzutreten.
Als ich in den 1990er-Jahren von den Taliban auf der Straße ausgepeitscht wurde, habe ich danach nicht demonstriert. Es war unmöglich – es gab kein Netz, keine Texte, keine sozialen Medien. Aber ich habe etwas anderes gemacht: Zusammen mit anderen Frauen haben wir eine inoffizielle Schule in meinem Haus eingerichtet. Ich unterrichtete die Mädchen in Mathematik und Naturwissenschaften.
Wir brauchen jede und jeden, um die Stimme der afghanischen Frauen zu sein und ihre Sicherheit einzufordern. Dies kann durch Medien, soziale Medien, Artikel und Demonstrationen geschehen. Für diejenigen, deren Leben in Gefahr ist, ist es sehr wichtig, dass sie sicher außer Landes gebracht werden.
Es wäre sehr ungerecht, wenn wir wegen der Taliban 35 Millionen Menschen mit Sanktionen bestrafen würden. Wenn die Taliban das Sagen haben, dann müssen wir sie zur Rechenschaft ziehen. Ich möchte ihnen die Stirn bieten. Warum sollten wir den Preis für den Krieg bezahlen? Es reicht jetzt."
Richterin am Obersten Gerichtshof
"Als die Taliban im August 2021 die Kontrolle über Afghanistan übernahmen, war ich schockiert und wie betäubt. Es war ein Albtraum und ich konnte nicht glauben, was um mich herum geschah. Ich sah meine 20 Jahre harte Arbeit, meine Ausbildung und meine Berufserfahrung in Sekundenschnelle vor meinen Augen verschwinden. Ich wusste, dass es für mich und Millionen afghanischer Frauen nie mehr so sein würde wie früher."
Fawzia Amini ist ein hochrangiges Mitglied der Justiz, die zahlreiche leitende Positionen im afghanischen Rechtssystem bekleidet hat. In den letzten Jahren wurden mehrere Richterinnen bei mutmaßlichen Anschlägen der Taliban getötet. Seit die Taliban die Kontrolle über die Regierung übernommen haben, können Richterinnen nicht mehr arbeiten, und das gesamte Rechtssystems steht auf dem Spiel. Mehrere Richterinnen sind aus dem Land geflohen, andere sind untergetaucht. Die Richterinnen büßen nicht nur ihre Karriere und ihren Lebensunterhalt ein, sondern sind auch der Gefahr von Vergeltungsangriffen durch Personen ausgesetzt, die sie in der Vergangenheit inhaftiert hatten, und von denen viele während der Machtübernahme durch die Taliban freigelassen wurden oder entkamen.
"Meine größten Erfolge waren, dass ich Mitglied des Ausschusses für die Ausarbeitung des Gesetzes zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, des Familiengesetzes und der Vorschriften für Schutzzentren für gefährdete Frauen war. Ich habe auch an den Artikeln 22 und 45 der afghanischen Verfassung und an der Reform des schiitischen Personenstandsgesetzes mitgearbeitet.
Als die Taliban im August 2021 die Kontrolle über Afghanistan übernahmen, war ich schockiert und wie betäubt. Es war ein Albtraum und ich konnte nicht glauben, was um mich herum geschah. Ich sah meine 20 Jahre harte Arbeit, meine Ausbildung und meine Berufserfahrung in Sekundenschnelle vor meinen Augen verschwinden. Ich wusste, dass es für mich und Millionen afghanischer Frauen nie mehr so sein würde wie früher.
Ich erhielt Morddrohungen, wie auch andere Richter*innen, und wir verloren sogar das Schutzsystem, das wir unter der vorherigen Regierung hatten.
Sie wollen die Frauen aus der Gesellschaft verbannen und uns alle zu Gefangenen in unseren eigenen Häusern machen.
Die internationale Gemeinschaft muss sehr vorsichtig sein, um die Taliban nicht international anzuerkennen. Sie müssen den Taliban sagen, dass es keine 'Gesellschaft nur eines Geschlechts' geben darf und dass sie eine inklusive Regierung zusammenstellen müssen."
Gynäkologin
"Bald nach der Rückkehr der Taliban ging die Unterstützung für den Gesundheitssektor zurück, und ich sah, wie alles zusammenbrach. Es gibt zwar Tausende von Ärzt*innen, die sich um die medizinische Versorgung bemühen, aber ohne die richtige Ausrüstung und die richtigen Hilfsmittel ist das nicht möglich."
Dr. Masouda Faizi ist eine erfahrene Medizinerin, die bereits mehrere hochrangige Positionen in medizinischen Einrichtungen innehatte. Medizinische Fachkräfte gehören zu den wenigen Frauen, denen die Taliban die Ausübung ihrer Tätigkeit gestatten, aber sie sind jetzt in ihren Möglichkeiten stark eingeschränkt. Sie dürfen nur mit Patientinnen arbeiten und scheinen von der Ausübung von Führungsaufgaben weitgehend ausgeschlossen zu sein. Ihre Aussichten auf Weiterbildung oder beruflichen Aufstieg scheinen äußerst begrenzt oder nicht vorhanden zu sein.
"Ich bin Ärztin und mein Fachgebiet ist die Gynäkologie. In den letzten 20 Jahren war ich als Ärztin und als Frauenrechtlerin tätig. Ich habe Hunderte von Studierenden ausgebildet, die jetzt als Ärzt*innen in verschiedenen Teilen Afghanistans arbeiten. Ich war Leiterin der Entbindungsstationen mehrerer großer Krankenhäuser und habe Tausenden von Frauen geholfen, u.a. durch Operationen. Ich habe das Brustscreening-Zentrum und die Laparoskopie-Abteilung im Estiqlal-Krankenhaus in Kabul aufgebaut.
Bald nach der Rückkehr der Taliban ging die Unterstützung für den Gesundheitssektor zurück, und ich sah, wie alles zusammenbrach. Es gibt zwar Tausende von Ärzt*innen, die sich um die medizinische Versorgung bemühen, aber ohne die richtige Ausrüstung und die richtigen Hilfsmittel ist das nicht möglich.
Die internationale Gemeinschaft hat uns im Stich gelassen; sie hätte auf die Frauen in Afghanistan hören sollen. Sie müssen nun Druck auf die Taliban ausüben, damit sie die Frauen in alle Bereiche der Gesellschaft einbeziehen. Es muss etwas dagegen unternommen werden, dass Frauen und Männer ihrer grundlegenden und natürlichen Rechte beraubt werden."
Aktivistin
"Seit die Taliban die Macht übernommen haben, muss ich mich verstecken und kann nicht mehr tun, was ich vorher getan habe. Unser Kampf wird weitergehen, und wir müssen für eine bessere Zukunft für die nächsten Generationen kämpfen."
Shamail Zarei ist eine Frauenrechtsaktivistin. Viele Menschenrechtsaktivist*innen und -netzwerke sind aufgrund des Arbeitsverbots für Frauen praktisch handlungsunfähig, und viele Menschenrechtsverteidigerinnen sind entweder aus dem Land geflohen oder haben sich versteckt, nachdem sie von den Taliban bedroht wurden. Die Taliban beschuldigen einige Menschenrechtsverteidigerinnen, eine „westliche“ und „anti-islamische Agenda“ zu verfolgen.
"Ich bin u.a. Vorstandsmitglied des Afghan Women's Network (AWN). Ich hatte eine aktive Rolle bei der Förderung von Frauenrechten und schrieb sowohl für Print- als auch für Online-Medien. Für meine Menschenrechtsarbeit habe ich mehrere Preise auf nationaler und internationaler Ebene erhalten.
Meine größte Herausforderung war die geschlechtsspezifische Voreingenommenheit vieler Afghan*innen und ihre Auffassung darüber, was Frauen tun sollten und was nicht. Trotzdem genossen ich und Millionen anderer afghanischer Frauen und Mädchen ein gewisses Maß an Freiheit und Unabhängigkeit. Niemand konnte uns daran hindern, unseren Beruf zu wählen oder das, was wir studieren wollten. Ich bin in den Medien aufgetreten, habe gearbeitet und geschrieben.
Seit die Taliban die Macht übernommen haben, muss ich mich verstecken und kann nicht mehr tun, was ich vorher getan habe. Unser Kampf wird weitergehen, und wir müssen für eine bessere Zukunft für die nächsten Generationen kämpfen."
Geschäftsfrau
"Unser Institut war mehrere Wochen lang geschlossen, bevor die Taliban uns erlaubten, unter neuen Einschränkungen zu arbeiten. Trotz der Einschränkungen ging ich in mein Büro und begann mit meiner Arbeit. Es ist schmerzlich zu sehen, dass von 1.400 Studierenden nur 300 in die Universität kommen können. Ich musste meinen Kindergarten schließen, weil die Frauen jetzt zu Hause sind und nicht zur Arbeit gehen dürfen. Das waren die schwersten Momente meines Lebens."
Sediqa Mushtaq ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau und die Leiterin eines Gesundheitsinstituts. Nach der Machtübernahme der Taliban waren sie und andere Geschäftsfrauen zunächst gezwungen, zu Hause zu bleiben, und es ist noch unklar, wie sich die neuen Taliban-Vorschriften auf Frauen im Privatsektor auswirken werden. Beschränkungen der Freizügigkeit und die allgemeine Einstellung, dass Frauen sich nur um häusliche Belange kümmern sollten, bedeuten, dass Frauen in der Wirtschaft auf absehbare Zeit auf große Hindernisse stoßen werden.
"Seit 2014 bin ich Leiterin des der medizinischen Hochschule Farabi Health Institute, und seit 2021 leite ich meinen eigenen Kindergarten. 2021 wurde ich vom Handelsministerium als eine der zehn erfolgreichsten Geschäftsfrauen in Afghanistan ausgezeichnet.
Die frühere Situation [2001-2021] war nicht angenehm, aber es gibt einen gewaltigen Unterschied zu heute. Eine diskriminierende Haltung war bei einigen Männern in der Gesellschaft vorhanden, aber jetzt sind solche Verhaltensweisen legal und Teil der offiziellen Politik der Taliban.
Seit der Rückkehr der Taliban habe ich alles verloren. Ich kann nicht arbeiten gehen. Als ich die Nachricht hörte, dass die Taliban in Kabul einmarschiert waren, fühlte ich mich, als würde ich in Stücke brechen. Ich fiel von einem hellen Ort in die Dunkelheit, ohne jeden Hoffnungsschimmer.
Unser Institut war mehrere Wochen lang geschlossen, bevor die Taliban uns erlaubten, unter neuen Einschränkungen zu arbeiten. Trotz der Einschränkungen ging ich in mein Büro und begann mit meiner Arbeit. Es ist schmerzlich zu sehen, dass von 1.400 Studierenden nur 300 in die Universität kommen können. Ich musste meinen Kindergarten schließen, weil die Frauen jetzt zu Hause sind und nicht zur Arbeit gehen dürfen. Das waren die schwersten Momente meines Lebens.
Die internationale Gemeinschaft muss Druck auf die Taliban ausüben, damit sie Frauen erlauben zu arbeiten. Jegliche Hilfe für Afghanistan muss an die Bedingung geknüpft werden, dass die Frauen in den staatlichen und nichtstaatlichen Sektoren voll mitwirken."
Sportlerin
"In den letzten Jahren hatte ich viele Freiheiten – ich konnte studieren, reisen, Sport treiben und meine Träume verfolgen, wobei ich von meiner Familie und meinen Trainer*innen unterstützt wurde. Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 kann ich nichts davon mehr tun. Mein Fitnessstudio musste schließen, mir wurden mein Sport und mein Beruf genommen. Aus Angst um mein Leben war ich gezwungen, mein Land zu verlassen."
Hafiza Bahmani ist eine erfolgreiche Sportlerin und Medaillengewinnerin, die ihr Land bei internationalen Wettkämpfen vertreten hat. Taliban-Vertreter haben erklärt, dass Frauen keinen Sport treiben „müssen“ und dass, wenn sie es täten, dabei ihre Haare oder ihre Körper zu sehen sein könnten. Mehrere afghanische Frauen-Nationalmannschaften wurden außer Landes gebracht, aus Sorge, dass sie sonst von den Taliban verfolgt werden.
"Ich bin Mitglied der afghanischen Muay Thai-Nationalmannschaft. Mein größter Erfolg ist die Silbermedaille, die ich bei den Asienmeisterschaften in Macau in China gewonnen habe. Ich habe mich unglaublich gefreut, mein Land auf internationaler Ebene zu vertreten.
In den letzten Jahren hatte ich viele Freiheiten – ich konnte studieren, reisen, Sport treiben und meine Träume verfolgen, wobei ich von meiner Familie und meinen Trainer*innen unterstützt wurde.
Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 kann ich nichts davon mehr tun. Mein Fitnessstudio musste schließen, mir wurden mein Sport und mein Beruf genommen. Aus Angst um mein Leben war ich gezwungen, mein Land zu verlassen.
In den vergangenen zwei Monaten haben die Taliban bewiesen, dass sie die Rechte der Frauen nicht respektieren werden; sie erstickten die Stimmen der afghanischen Frauen, indem sie bei mehreren Frauendemonstrationen in Kabul brutale Gewalt gegen Frauen angewendet haben.
Beschäftigte im humanitären Sektor und Sozialarbeiterin
Fast alle unsere Projekte wurden eingestellt. Die Geberorganisationen haben Afghanistan verlassen oder ihre Hilfe eingestellt. So haben beispielsweise die Weltbank, USAID und andere Regierungen, die ausländische Hilfsprogramme durchführen, wie Kanada, Südkorea, Japan und Deutschland, das Land verlassen.
Najeeba Baqi ist eine erfahrene Sozialarbeiterin und ist im humanitären Bereich tätig. Frauen wie Najeeba stehen heute vor immensen Problemen bei der Ausübung ihrer wichtigen Arbeit. Bewegungseinschränkungen und die Notwendigkeit eines männlichen Vormunds erschweren es den Sozialarbeiter*innen zusätzlich, auf die wachsende wirtschaftliche und humanitäre Krise zu reagieren.
"Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich als Sozialarbeiterin und biete Frauen und Kindern in der westlichen Region Afghanistans soziale Unterstützung, Menschenrechts- und Allgemeinbildung sowie Gesundheits- und Schutzdienste an.
Ich habe Frauen und Straßenkindern Qualifizierungsmaßnahmen angeboten und ihnen Fähigkeiten vermittelt, die ihnen helfen, Arbeit zu finden und Geld zu verdienen. Ich habe dazu beigetragen, Bildungseinrichtungen für Analphabet*innen und Kinder zu schaffen.
Fast alle unsere Projekte wurden eingestellt. Die Geberorganisationen haben Afghanistan verlassen oder ihre Hilfe eingestellt. So haben beispielsweise die Weltbank, USAID und andere Regierungen, die ausländische Hilfsprogramme durchführen, wie Kanada, Südkorea, Japan und Deutschland, das Land verlassen.
Die Vereinten Nationen und die Industrieländer sollten diplomatischen und politischen Druck auf die Taliban und die Länder, die sie unterstützen, ausüben. Die humanitäre Hilfe für in Armut lebende Frauen und andere Zivilpersonen muss fortgesetzt werden. Gefährdete Frauen und Kinder, die Gewalt erfahren haben, müssen unterstützt werden. Auch Frauen und Mädchen, die gezwungen waren, Afghanistan zu verlassen, müssen unterstützt werden und Bildungsmöglichkeiten erhalten."
Schulleiterin und Professorin
"Unter den vorherigen Regierungen hatte ich das Recht, auf Leitungsebene in Bildungseinrichtungen zu arbeiten, trotzdem gab es auch Herausforderungen wie geschlechtsspezifische, ethnische und sprachliche Diskriminierung. Andere Probleme wie Armut, eine von Männern dominierte Gesellschaft und eine diskriminierende Haltung gegenüber den Rechten der Frauen und ihrer Teilhabe an der Gesellschaft stellten Hindernisse für das Vorankommen der Frauen dar. Ich möchte daran erinnern, dass Frauen trotz dieser Hindernisse unter der früheren Regierung das Recht hatten, für ihre Rechte einzutreten. Jetzt haben Frauen nicht mehr das Recht zu arbeiten und können sich nicht mehr für ihre Rechte einsetzen."
Maria Kabiri ist eine erfahrene Pädagogin, Professorin und Schulleiterin. Nach der Machtübernahme durch die Taliban wurde sie, wie viele andere Lehrerinnen im ganzen Land, aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Das Ausscheiden von Lehrerinnen aus dem Berufsleben bedeutet nicht nur, dass viele Frauen ihre Karriere und ihren Lebensunterhalt verlieren, es wird auch zu einem enormen Lehrer*innenmangel führen und sich negativ auf den Zugang der Kinder zur Bildung auswirken.
"Von 2009 bis 2018 war ich Rektorin eines Gymnasiums in Kabul und von 2018 bis 2021 Professorin an einer privaten Universität. Ich habe hart und erfolgreich daran gearbeitet, die Qualität der Bildung zu verbessern und Diskriminierung in der Arbeitswelt zu bekämpfen.
Unter den vorherigen Regierungen hatte ich das Recht, an sozialen Aktivitäten teilzunehmen, hatte Zugang zu Arbeitsmöglichkeiten, konnte meine Karriere verfolgen und aktiv an der Gemeindeentwicklung mitwirken. Ich hatte das Recht, auf Leitungsebene in Bildungseinrichtungen zu arbeiten, trotzdem gab es auch Herausforderungen wie geschlechtsspezifische, ethnische und sprachliche Diskriminierung. Andere Probleme wie Armut, eine von Männern dominierte Gesellschaft und eine diskriminierende Haltung gegenüber den Rechten der Frauen und ihrer Teilhabe an der Gesellschaft stellten Hindernisse für das Vorankommen der Frauen dar. Ich möchte Sie und euch daran erinnern, dass Frauen trotz dieser Hindernisse unter der früheren Regierung das Recht hatten, für ihre Rechte einzutreten. Jetzt haben Frauen nicht mehr das Recht zu arbeiten und können sich nicht mehr für ihre Rechte einsetzen.
Seit der Machtübernahme durch die Taliban sitze ich, wie andere berufstätige Frauen, zu Hause und darf nicht mehr arbeiten. Die internationale Gemeinschaft muss Druck auf die Taliban-Behörden ausüben, damit diese die Rechte der Frauen anerkennen und respektieren."
Autorin und Aktivistin mit Schwerpunkt ethnische Minderheiten
"Ich war selbst von häuslicher Gewalt und Frühverheiratung betroffen. Ich habe viele schwierige Situationen erlebt und für meine Unabhängigkeit gekämpft. Nach meiner Scheidung zog ich nach Kabul. Als ich nach Kabul kam, konnte ich kein Haus mieten, weil kein Immobilienmakler einen Vertrag mit einer Frau abschließen wollte, aber nach einer Weile konnte ich dieses Problem lösen. Jetzt ist alles zerstört, und ich kann aus dem Ausland nichts für die Menschen im Land tun. Ich bin wieder bei Null angelangt und weiß nicht, wo ich anfangen soll. Habe ich die Kraft dazu?"
Zahra Yagana ist Autorin, Aktivistin und Umweltschützerin. Der Schwerpunkt ihres Engagement liegt auf die Unterstützung der schiitischen Hazara-Minderheit, einer ethnischen und religiösen Minderheit, die sowohl von den Taliban als auch von der Gruppe Islamischer Staat Khorasan-Provinz (ISKP) angegriffen wurde. Obwohl die Taliban behaupten, dass sich ihre Haltung gegenüber nicht-paschtunischen ethnischen Gruppen geändert hat und sie eine Regierung für alle Afghan*innen sein werden, gibt es Berichte über ethnische und religiöse Minderheiten, einschließlich der Hazara-Gemeinschaft, die Repressalien ausgesetzt sind und deren Häuser beschlagnahmt werden.
"Ich bin die Gründerin und Leiterin der Green House Organization, einer NGO mit 2000 Mitgliedern, die sich auf den Umweltschutz konzentrierte und den Menschen durch Sensibilisierungsprogramme beibrachte, wie sie die Umwelt schützen können. Eine große Zahl von Frauen und Mädchen, die von Kriegen und Selbstmordattentaten betroffen sind, wurde von uns ebenfalls unterstützt.
Mein größter Erfolg war zunächst die medizinische Versorgung von Kriegsopfern. Ich habe auch Mädchen aus vom Krieg betroffenen Familien geholfen, Zugang zu Bildung zu erhalten. Außerdem habe ich ein Buch mit dem Titel 'Licht der Asche' (Light of Ash, Roshenahee Khakister) veröffentlicht, das die Misere der afghanischen Frauen beschreibt.
Ich war selbst von häuslicher Gewalt und Frühverheiratung betroffen. Ich habe viele schwierige Situationen erlebt und für meine Unabhängigkeit gekämpft. Nach meiner Scheidung zog ich nach Kabul. Als ich nach Kabul kam, konnte ich kein Haus mieten, weil kein Immobilienmakler einen Vertrag mit einer Frau abschließen wollte, aber nach einer Weile konnte ich dieses Problem lösen.
Jetzt ist alles zerstört, und ich kann aus dem Ausland nichts für die Menschen im Land tun. Ich bin wieder bei Null angelangt und weiß nicht, wo ich anfangen soll. Habe ich die Kraft dazu? Gibt es eine Möglichkeit, alles neu zu aufzubauen? Ich habe keine Mittel, um die Situation zu verbessern. Die einzige Möglichkeit für mich ist, ein zweites Buch zu schreiben, und damit bin ich gerade beschäftigt.
Da mein Büro mit ethnischen Minderheiten aus der Gemeinschaft der Hazara und Schiit*innen arbeitete, mussten wir unsere Tätigkeit aus Sicherheitsgründen einstellen. Da ich alleinerziehend bin, kann nur ich die Familie ernähren. Wenn ich nicht arbeiten darf, kann ich meine Kinder nicht versorgen und habe eine düstere Lebensperspektive.
Die internationale Gemeinschaft sollte unter den internationalen Organisationen und Geberländern, die an den Initiativen der Frauen in Afghanistan interessiert sind, eine Gruppe zur Unterstützung der Rechte der Frauen gründen."
Rechtsanwältin
"Als Strafverteidigerin habe ich anderen Menschen geholfen, Zugang zu ihrem Recht zu erhalten. Jetzt kann ich nicht mal mein eigenes Recht auf Arbeit durchsetzen. Das tut mir sehr weh. Das ist nicht nur eine Diskriminierung, sondern eine systematische Verletzung der Rechte der Hälfte der Bevölkerung."
Azam Ahmadi ist Rechtsanwältin und engagiert sich in der Zivilgesellschaft. Juristinnen können unter den Taliban nicht praktizieren. Sie haben ihren Arbeitsplatz und ihre Lebensgrundlage verloren. Vielen wurde im Zusammenhang mit Fällen, an denen sie früher gearbeitet haben, Gewalt angedroht. Sie laufen Gefahr, Ziel von Vergeltungsanschlägen durch Personen zu werden, die zuvor inhaftiert waren, aber während der Machtübernahme der Taliban freigelassen wurden. Anwältinnen, die Betroffene von häuslicher Gewalt vertreten haben, berichten, dass sie Drohungen von den Ehemännern oder Familien ihrer Klientinnen erhalten.
2017 gründete ich meine eigene NGO mit dem Namen Voice of Law and Welfare Organization. Ich arbeitete als Pro-Bono-Anwältin für Frauen und Mädchen, die Betroffene von häuslicher und anderen Formen von Gewalt waren.
Seitdem die Taliban die Kontrolle über das Land übernommen haben, fühle ich mich wie im Gefängnis. Selbst Gefangene haben Rechte, aber Frauen haben unter den Taliban keine Rechte.
Als Strafverteidigerin habe ich anderen Menschen geholfen, Zugang zu ihrem Recht zu erhalten. Jetzt kann ich nicht mal mein eigenes Recht auf Arbeit durchsetzen. Das tut mir sehr weh. Das ist nicht nur eine Diskriminierung, sondern eine systematische Verletzung der Rechte der Hälfte der Bevölkerung.
Die internationale Gemeinschaft muss sich mit der afghanischen Bevölkerung solidarisch zeigen. Sie muss die Taliban warnen, dass sie isoliert werden, wenn sie keine inklusive Regierung bilden, in der die Rechte der Afghan*innen aller Ethnien, Sprachen und Geschlechter respektiert und geschützt werden.
Mitglied des afghanischen Robotik-Teams
"Wir haben einige Roboter im Bereich der künstlichen Intelligenz gebaut, zum Beispiel Rollstühle, die durch die Pupille des Auges gesteuert werden. Einer der größten Erfolge war der Bau eines Beatmungsgeräts nach Ausbruch der Corona-Pandemie. Jetzt können Mädchen nicht einmal mehr zur Schule gehen, und ihre Freiheiten sind eingeschränkt worden. Frauen sind das Kernstück einer Gesellschaft. Wenn sie nicht studieren, wie kann es dann eine stabile Gesellschaft geben?"
Nahid Rahimi studiert und arbeitet auf dem Gebiet der Robotik. Unter dem Taliban-Regime sind Mädchen wie Nahid bei der Fortsetzung ihres Studiums große Beschränkungen auferlegt worden, ganz zu schweigen von der Möglichkeit, anschließend im Bereich Wissenschaft und Technologie zu arbeiten. Die Taliban haben erklärt, dass junge Frauen erst dann wieder ein Hochschulstudium aufnehmen können, wenn getrennter Unterricht für Männer und Frauen eingerichtet wurde. Doch die begrenzte Anzahl weiblicher Lehrkräfte in bestimmten Fächern bedeutet, dass es sehr schwierig sein wird, dies in der Praxis umzusetzen. Darüber hinaus kritisieren hochrangige Taliban-Führer das Konzept der akademischen Ausbildung und erklären, dass das Land keine Master-Abschlüsse oder Doktortitel braucht und sie eine religiöse Ausbildung im Madrassa-Stil vorziehen. Die Taliban-Behörden haben die Leiter*innen verschiedener akademischer Einrichtungen durch Talibs (Angehörige der Taliban) mit Madrassa-Ausbildung und wenig oder gar keiner akademischen Erfahrung ersetzt, was zum Rücktritt zahlreicher Universitätsbeschäftigter geführt hat.
"Ich bin Mitglied des afghanischen Robotik-Teams namens 'Dreamers' und arbeite in der Abteilung für Robotermechanik. Wir haben verschiedene Preise gewonnen und an Wettbewerben in aller Welt teilgenommen. Wir haben einige Roboter im Bereich der künstlichen Intelligenz gebaut, zum Beispiel Rollstühle, die durch die Pupille des Auges gesteuert werden. Einer der größten Erfolge war der Bau eines Beatmungsgeräts nach Ausbruch der Corona-Pandemie.
Jetzt können Mädchen nicht einmal mehr zur Schule gehen, und ihre Freiheiten sind eingeschränkt worden. Frauen sind das Kernstück einer Gesellschaft. Wenn sie nicht studieren, wie kann es dann eine stabile Gesellschaft geben?"
Künstlerin und Mitglied der Artlords-Gruppe
"Die Taliban lehnen künstlerische Arbeiten, insbesondere von Frauen, ab. Sie haben alle Graffiti und Gemälde zerstört, die wir zuvor an die Wände der Stadt Kabul gemalt hatten. Sie haben unsere Graffiti mit ‚Herzlichen Glückwunsch zu eurer Unabhängigkeit‘ überschrieben. Ich frage mich, welche Unabhängigkeit das sein soll."
Nagena Azimi ist eine Straßenkünstlerin, die mit ihren Werken die Öffentlichkeit für eine Vielzahl von Themen sensibilisiert. Seit ihrer Rückkehr an die Macht haben die Taliban viele Straßenkunstwerke in Kabul übermalt, von denen sie viele als unislamisch betrachten. Während ihrer ersten Regierungszeit verboten die Taliban Bilder mit menschlicher Gestalt, weil sie als Götzendienst angesehen wurden.
"Ich bin Mitglied der Artlords-Gruppe, einer Basisbewegung von Künstler*innen und Freiwilligen, die den Weg für sozialen Wandel und Verhaltensänderungen ebnen möchten, indem sie die sanfte Macht von Kunst und Kultur als eine nicht übergriffige Methode einsetzen. Ich denke, mein größter Erfolg ist es, junge Mädchen zu ermutigen und zu motivieren, die eine positive Rolle in der Gesellschaft spielen und künstlerisch tätig sein wollen.
Die Taliban lehnen künstlerische Arbeiten, insbesondere von Frauen, ab. Sie haben alle Graffiti und Gemälde zerstört, die wir zuvor an die Wände der Stadt Kabul gemalt hatten. Sie haben unsere Graffiti mit ‚Herzlichen Glückwunsch zu eurer Unabhängigkeit‘ überschrieben. Ich frage mich, welche Unabhängigkeit das sein soll.
Sie haben die Schulbildung für Mädchen ab der sechsten Klasse verboten. Das ist eine ungeheure Verletzung der Menschenrechte und Diskriminierung von Frauen. Die Mentalität der Taliban ist auf Krieg, Töten und Gewalt ausgerichtet. Die Taliban haben sich nicht verändert. Sie denken heute noch genauso, wie vor 20 Jahren. Wenn die internationale Gemeinschaft das Taliban-Regime anerkennen würde, wäre das ein schwerer Schlag nach 20 Jahren unseres Kampfes und unserer Erfolge."