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© Amnesty International/Andrew Stanbridge

Presse © Amnesty International/Andrew Stanbridge

Verbrechen gegen Rohingya: Amnesty belastet Militärspitze Myanmars

27. Juni 2018

Der Oberbefehlshaber Myanmars, General Min Aung Hlaing, und 12 weitere ranghohe Beamte sind in Verbrechen gegen die Menschlichkeit verwickelt. Das zeigen Recherchen von Amnesty International. Die Menschenrechtsorganisation veröffentlicht am Mittwoch den bislang umfassendsten Bericht zu den ethnischen Säuberungen und zur Vertreibung der Rohingya. Amnesty fordert, dass sich der Internationale Strafgerichtshof (ICC) mit der Situation in Myanmar befasst.

„Die Verbrechen, die von den Sicherheitskräften in Rakhine verübt wurden – einschließlich Mord, Vergewaltigung, Folter, dem Niederbrennen und Aushungern ganzer Dörfer – war nicht die Aktion einzelner, fehlgeleiteter Einheiten. Es gibt überwältigende Beweisen, dass es sich um einen minutiös geplanten, systematischen Angriff auf das Volk der Rohingya handelte“, sagte Matthew Wells, Krisenexperte bei Amnesty International.

„Diejenigen mit Blut an den Händen – bis hin zum Oberkommandanten der Streitkräfte Min Aung Hlaing – müssen für ihre Rolle bei der Überwachung oder Durchführung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen gemäß dem Völkerrecht zur Verantwortung gezogen werden“, sagte Matthew Wells. Neben Min Aung Hlaing nennt Amnesty International neun Untergebene in den Tatmadaw – den Streitkräften Myanmars – und drei in der Grenzschutzpolizei (BGP) mit Rang und Namen.

 

Diejenigen mit Blut an den Händen müssen für ihre Rolle bei der Überwachung oder Durchführung von Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden.

Matthew Wells, Krisenexperte bei Amnesty International

Amnesty International hat die spezifischen militärischen Divisionen oder Bataillone, die an vielen der schlimmsten Gräueltaten beteiligt waren, identifiziert. Sie verübten mutmaßlich neun von elf Arten von Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs.

Amnesty International prüfte vertrauliche Dokumente über das Militär Myanmars, aus denen hervorgeht, dass während militärischer Operationen wie in Rakhine die Streitkräfte vor Ort normalerweise unter der strengen Kontrolle hoher Befehlshaber operieren. Kampfverbände – die die überwiegende Mehrheit der Verbrechen gegen die Rohingya begangen haben – haben strenge Berichtspflichten bezüglich Bewegungen, Einsätzen und Waffengebrauch, die ihre Kommandanten kannten oder hätten kennen müssen.

Mutmaßliche Täter identifiziert

Darüber hinaus reisten führende Militärkommandanten, darunter Min Aung Hlaing persönlich, direkt vor oder während der ethnischen Säuberungskampagne in den nördlichen Bundesstaat Rakhine, um Teile der Operation zu überwachen. Hochrangige Militärbeamte wussten – oder hätten es wissen müssen –, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden, nutzten jedoch ihre Befehlsgewalt nicht, um diese Verbrechen zu verhindern, zu stoppen oder zu bestrafen. Außerdem gibt es genügend Beweise, um eine Untersuchung darüber zu verlangen, ob einige oder alle der Verdächtigten direkt an der Planung, Anordnung oder Begehung von Mord, Vergewaltigung, Folter und dem Niederbrennen von Dörfern beteiligt waren.

Straflosigkeit muss ein Ende haben

Angesichts des wachsenden internationalen Drucks kündigten die Behörden Myanmars im vergangenen Monat die Einsetzung einer „unabhängigen Untersuchungskommission“ an, um Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Frühere Ermittlungen der Regierung und des Militärs dienten nur dazu, militärische Gräueltaten zu beschönigen.

„Die internationale Gemeinschaft sollte sich von diesem jüngsten Versuch, die Täter zu schützen, nicht täuschen lassen. Stattdessen muss sie endlich den Jahren der Straflosigkeit ein Ende setzen und dafür sorgen, dass sich dieses dunkle Kapitel in Myanmars jüngster Geschichte nie wiederholt“, sagte Matthew Wells.

„Der Uno-Sicherheitsrat muss die Situation in Myanmar dringend an den Internationalen Strafgerichtshof verweisen, ein umfassendes Waffenembargo gegen Myanmar verhängen und gezielte finanzielle Sanktionen gegen hohe Beamte verhängen, die für schwere Verletzungen und Verbrechen verantwortlich sind. Die internationale Gemeinschaft sollte zudem den Uno-Menschenrechtsrat nutzen, um einen Mechanismus zur Sammlung und Aufbewahrung von Beweismitteln für künftige Strafverfahren zu schaffen.“

Über den Bericht

Amnesty International recherchierte neun Monate lang intensiv, unter anderem in Myanmar und Bangladesch. Es ist der bisher umfassendste Bericht von Amnesty International darüber, wie das Militär in Myanmar am 25. August 2017 eine koordinierte Operation gegen das Volk der Rohingya startete.

Mehr als 702.000 Frauen, Männer und Kinder – über 80 Prozent der Bevölkerung im nördlichen Teil von Rakhine – wurden in der Folge nach Bangladesch vertrieben. Der neue Bericht geht im Detail auf die erschütternden Verbrechen ein, die bei den „Räumungsoperationen“ des Militärs passierten. Grundlage sind mehr als 400 Interviews und eine Vielzahl von Beweismitteln, darunter Satellitenbilder, verifizierte Fotos und Videos sowie forensische Auswertungen und Waffenanalysen.

Der Bericht enthält auch die bisher detailliertesten Informationen über Gewaltakte der Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA) vor Beginn der Vergeltungskampagne des Militärs. Dazu gehören Tötungen von Menschen aus verschiedenen ethnischen und religiösen Gemeinschaften sowie gezielte Tötungen und Entführungen von mutmaßlichen Informanten durch die Aufständischen.