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Novelle von COVID-19-Regelungen: Fehlende Klarheit, unpräzise Ausgestaltung

28. August 2020

Zusammenfassung

  • Amnesty International analysierte die geplanten Änderungen der COVID-19-Regelungen in Österreich
  • Kritik an legistischer Unklarheit: Menschen müssen sich verlassen können, dass klar geregelt ist, was erlaubt ist und was nicht
  • Stellungnahme zum Download

Amnesty International Österreich veröffentlicht heute eine Stellungnahme zu den geplanten Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit COVID-19 in Österreich, deren Begutachtungsfrist heute endet.

„Besonders in Krisenzeiten sind Transparenz und politische Fehlerkultur wichtig. Wir beobachten von Beginn an die menschenrechtlichen Auswirkungen von COVID-19 auf die Menschen in Österreich und fordern von den Entscheidungsträger*innen Klarheit hinsichtlich der COVID-19-Regelungen ein. Alle Menschen in Österreich müssen sich darauf verlassen können, dass klar geregelt ist, was erlaubt ist und was nicht, und welche Befugnisse die Behörden haben“, sagt Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, und sagt weiter:

„Zu Beginn der Pandemie war verständlich, dass rasch gehandelt werden muss, damit eine Ausbreitung des Virus verhindert wird. Doch nun gibt es es keinen offensichtlichen Grund für Eile, Ungenauigkeit und fehlende Transparenz. Dennoch sind die geplanten Gesetzesänderungen nach wie vor unpräzise und teilweise widersprüchlich formuliert."

Wir fordern die Regierung wiederholt auf, nachzujustieren, jede Maßnahme auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen und einem konsequenten Menschenrechtscheck zu unterziehen.

Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich

Unklar ist beispielsweise die gesetzliche Regelung für allgemeine Betretungsverbote im öffentlichen Raum – die auf der bisherigen gesetzlichen Regelung beruhende Verordnung wurde von Expert*innen scharf kritisiert und vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Unter anderem bleibt nach wie vor offen, inwiefern durch die vorgeschlagene Änderung das Betreten von privaten Wohnungen geregelt werden kann.

Ein Betretungsverbot für private Wohnungen würde einen massiven Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens darstellen und darf nur auf gesetzlicher Grundlage und unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen, fordert Amnesty.

„Betretungsverbote sind ein massiver Eingriff in unsere Grundrechte – und je weiter der Grundrechtseingriff, umso klarer und präziser muss die gesetzliche Grundlage formuliert werden. Unklare Regelungen lösen auch Unsicherheit bei den Menschen aus – das haben wir in den vergangenen Monaten bei anderen COVID-19-Regelungen wiederholt beobachtet. Die Regierung darf den Fehler nicht wiederholen“, sagt Heinz Patzelt.

Widersprüchliche Bestimmungen gefährden Rechtssicherheit und Rechtsschutz

Widersprüchlich und unklar ist auch die Bestimmung, die eine gesetzliche Grundlage zur Kontaktdatenverarbeitung von Gästen, Besucher*innen, Kund*innen und Mitarbeiter*innen schafft: Einerseits sieht der Gesetzesentwurf die ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen zur Datenverarbeitung vor, andererseits darf jedoch nicht der Eintritt oder eine Dienstleistung verweigert werden, wenn die Einwilligung zur Datenverarbeitung abgelehnt wird. Außerdem bleibt unklar, welche Veranstalter*innen (Vereine, Gewerbe etc.) davon betroffen sind und wie wichtige Grundsätze wie Datensicherheit oder Löschung gewährleistet und überprüft werden.

„Diese Widersprüchlichkeiten öffnen willkürlichen Auslegungen Tür und Tor, die die Rechtssicherheit und den Rechtsschutz der Menschen gefährden können“, sagt Heinz Patzelt.

Positiv ist, dass die aktuellen Gesetzesänderungen – anders als bisherige COVID-19 Regelungen – von der Regierung in Begutachtung geschickt wurden und verschiedene Meinungen von Expert*innen und der Zivilgesellschaft gehört werden. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum der Begutachtungszeitraum auf nur zwei Wochen angelegt wurde (üblicherweise 6 Wochen).

„Einbindung und Dialog darf nie zum Selbstzweck werden. Gerade bei so einem sensiblen Thema wie COVID-19, bei dem verschiedene Menschenrechte gegeneinander abgewogen werden müssen, ist das Einbeziehen von vielen verschiedenen Perspektiven und ein offener Dialog besonders wichtig. Je ausführlicher, partizipativer und konsens-orientierter ein Begutachtungsprozess konzipiert wird, um so größer ist auch die Chance auf Akzeptanz und aktive Unterstützung der Menschen im Land“, sagt Heinz Patzelt.

Hintergrund

Amnesty International beobachtet, dokumentiert und analysiert seit Beginn der COVID-19-Pandemie in Österreich die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Im April veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation 9 Forderungen auf Basis eines ersten Zwischenberichts zu den bisherigen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID19-Pandemie in Österreich. Im Juli veröffentlichte Amnesty eine Kurzanalyse zum Thema soziale Rechte & COVID-19 in Österreich.