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Die Evakuierungswarnungen des israelischen Militärs an die Bevölkerung der südlichen Vororte von Beirut und des Südlibanon waren unzureichend und in einigen Fällen auch irreführend, so Amnesty International. Diese Warnungen entbinden Israel nicht von seiner Verpflichtung nach dem humanitären Völkerrecht, Zivilpersonen zu schützen und alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um Schaden für sie zu minimieren. Dies beinhaltet auch, diese im Voraus wirksam vor bevorstehenden Angriffen zu warnen, außer es ist aufgrund der Umstände nicht möglich.
„Die Warnungen des israelischen Militärs an die Bewohner*innen von Dahieh, einem dicht besiedelten Vorort von Beirut, waren unzureichend. Unsere Analyse zeigt, dass die vom israelischen Militär herausgegebenen Warnungen nicht nur irreführende Karten enthielten, sondern auch kurzfristig – in einem Fall weniger als 30 Minuten vor Beginn der Angriffe – mitten in der Nacht über soziale Medien herausgegeben wurden, als viele Menschen schliefen, offline waren oder die Medienberichte nicht verfolgten“, sagte Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International.
Unabhängig von der Wirksamkeit der Warnungen dürfen verbliebene Zivilist*innen nicht als legitime Ziele betrachtet werden. Menschen, die in ihren Häusern bleiben oder aufgrund von Behinderungen oder anderen Mobilitätseinschränkungen nicht fliehen können, stehen weiterhin unter dem Schutz des humanitären Völkerrechts. Israel muss seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen und sicherstellen, dass der Schaden für Zivilpersonen minimiert wird.
Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International
Nach Beginn der israelischen Bodeninvasion zwischen dem 1. und 7. Oktober gab das israelische Militär außerdem Evakuierungswarnungen für die Bewohner*innen von rund 118 Städten und Dörfern im Südlibanon heraus. Laut Angaben des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OCHA) war bereits ein Viertel des libanesischen Staatsgebiets von Evakuierungswarnungen betroffen.
Damit eine Warnung wirksam ist, muss sie rechtzeitig erfolgen und Informationen über sichere Wege und Ziele enthalten. Amnesty International untersuchte zwei Warnungen, die in der Nacht vom 27. auf den 28. September nach dem Überraschungsangriff, bei dem Hisbollah- Anführer Hassan Nasrallah getötet wurde, an die Bewohner*innen des dicht besiedelten Stadtgebiets von Dahieh ausgegeben wurden.
Die Luftangriffe zerstörten ganze Wohnhäuser in dem dicht besiedelten Gebiet. In jeder Warnung wurden drei militärische Ziele genannt und die Bewohner*innen aufgefordert, ein Gebiet im Umkreis von 500 Metern um diese Ziele zu evakuieren. Die Warnungen wurden nachts über den arabischen Sprecher des israelischen Militärs auf X (früher Twitter) herausgegeben, ohne einen klaren Zeitplan oder Angaben zu sicheren Routen.
Bei den beiden Warnungen für die Bewohner*innen von Dahieh waren die vom israelischen Militär zusammen mit den Evakuierungswarnungen veröffentlichten Karten, die sechs verschiedene Gebiete abdeckten, irreführend. In jedem dieser Fälle umfasste das auf den Karten als Gefahrenzone für die Zivilbevölkerung markierte Gebiet einen viel kleineren Bereich als den 500-Meter-Radius, den das israelische Militär den Zivilist*innen als Mindestabstand für die Evakuierung genannt hatte.
Um wirksam zu sein, müssen die Warnungen klare Anweisungen für die Zivilbevölkerung enthalten, sich von militärischen Zielen zu entfernen, die angegriffen werden sollen. Zwar können Warnungen unter bestimmten Umständen allgemeiner Natur sein, doch schließt dies keine zu weit gefassten Warnungen ein, die die Zivilbevölkerung auffordern, ganze Gebiete zu evakuieren.
Die jüngsten Angriffe und die hohe Zahl der Vertriebenen und Todesopfer im Libanon werfen ernsthafte Fragen auf, ob Israel seinen Verpflichtungen nachkommt, alle machbaren Vorkehrungen zu treffen, um zivile Opfer zu vermeiden.
Die israelische Militäroperation “Northern Arrows” begann am 23. September mit intensiven Luftangriffen auf mehrere Gebiete im Libanon, darunter den Süden, das Bekaa-Tal und Dahieh. Laut der libanesischen Regierung ist die Zahl der Menschen, die vor den israelischen Luftangriffen fliehen, auf über 1,2 Millionen gestiegen – die meisten davon in den letzten drei Wochen.
Am ersten Tag der israelischen Militäroperation führten die israelischen Streitkräfte mindestens 1.600 Angriffe auf Gebiete im gesamten Libanon durch, wobei mehr als 500 Menschen getötet und über 1.800 verletzt wurden. Gleichzeitig feuerte die Hisbollah mehr als 200 Raketen auf Israel ab, wobei rund 10 Menschen durch Splitter oder Trümmer verletzt wurden.
Amnesty International überprüfte mehr als ein Dutzend Evakuierungswarnungen des israelischen Militärs und führte Interviews mit 12 Bewohner*innen, die nach den Evakuierungswarnungen vom 27./28. September 2024 aus Dahieh flohen. Die Organisation sprach zudem mit drei Bewohnerinnen von Dörfern im Südlibanon.
In ihrer Analyse konzentriert sich Amnesty International nicht darauf, festzustellen, ob Israel militärische Ziele angegriffen hat, sondern untersucht, ob die ausgegebenen Warnungen wirksam waren, um Zivilpersonen zu schützen und ob sie dem internationalen Recht entsprachen.
Nach internationalem Recht sind bewaffnete Gruppen wie die Hisbollah verpflichtet, militärische Ziele – darunter Kämpfer, Munition, Waffen und militärische Infrastruktur – nach Möglichkeit nicht in dicht besiedelten Gebieten zu platzieren. Die Anwesenheit solcher militärischen Ziele entbindet jedoch die israelischen Streitkräfte nicht von ihrer Verpflichtung, wahllose oder unverhältnismäßige Angriffe zu vermeiden und alle machbaren Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um Zivilpersonen zu verschonen – auch diejenigen, die das Gebiet nach einer Evakuierungswarnung nicht verlassen.
Der massive Verlust an Menschenleben in den letzten Tagen im Libanon lässt befürchten, dass die israelischen Streitkräfte möglicherweise ihre Verpflichtung missachten, alle machbaren Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um Zivilpersonen zu schützen – einschließlich der Ausgabe wirksamer Warnungen. Nach einem Jahr der Untersuchung von Kriegsverbrechen Israels im Gazastreifen ist Amnesty International zutiefst besorgt, dass Israel die gleiche Vorgehensweise wie in Gaza wiederholen könnte, was zu beispiellosen zivilen Opfern führen würde.
Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International
Die israelische Operation „Northern Arrow“ begann am 23. September. Am ersten Tag flogen die israelischen Streitkräfte mindestens 1.600 Angriffe auf Gebiete im gesamten Libanon, wobei in den ersten 24 Stunden mehr als 500 Menschen getötet und mehr als 1.800 verletzt wurden. Auch die Hisbollah feuerte an diesem Tag mehr als 200 Raketen auf Israel ab, wobei etwa 10 Menschen durch Splitter oder Trümmer verletzt wurden.
Seit dem Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Israel und der Hisbollah am 7. Oktober 2023 wurden laut dem libanesischen Gesundheitsministerium mehr als 2.083 Menschen im Libanon bei israelischen Angriffen getötet. Mehr als 1,2 Millionen Menschen wurden vertrieben, mindestens 400.000 sind über die Grenze nach Syrien geflohen.
Viele Raketen der Hisbollah sind ungelenkt und können nicht auf ein bestimmtes Ziel gerichtet werden. Der Abschuss ungelenkter Raketen auf Gebiete, in denen sich Zivilist*innen aufhalten, stellt einen unterschiedslosen Angriff dar und verstößt damit gegen das humanitäre Völkerrecht. Direkte Angriffe auf Zivilpersonen und wahllose Angriffe, bei denen Zivilpersonen getötet oder verletzt werden, stellen Kriegsverbrechen dar.
Amnesty International wird die Situation weiter untersuchen und fordert alle Konfliktparteien auf, das humanitäre Völkerrecht zu achten und Zivilpersonen zu schützen.