EU: Amnesty fordert gemeinsame Iran-Strategie gegen willkürliche Inhaftierung von Doppelstaatsangehörigen
10. Oktober 2023Amnesty International in Deutschland und Amnesty International Österreich fordern eine neue europäische Strategie gegenüber dem Iran, um der willkürlichen Inhaftierung von Doppelstaatsbürger*innen sowie der systemischen Straflosigkeit ein Ende zu setzen. Der Weg der Stillen Diplomatie ist gescheitert – die Menschenrechtsverletzungen durch die Islamische Republik Iran müssen öffentlich benannt und zur Rechenschaft gezogen werden.
Die iranische Führung setzt die willkürliche Inhaftierung von Doppelstaatsbürger*innen bewusst als Instrument ein, um eigene politische Ziele zu erreichen: Sei es die Repression kritischer Stimmen, die Freigabe finanzieller Mittel oder die Freilassung von rechtskräftig verurteilten iranischen Beamten oder Geheimdienstagenten.
Im Juni wurden zwei österreichische und ein belgischer Staatsbürger im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freigelassen. Kürzlich kamen fünf US-Bürger frei, nachdem 6 Milliarden Dollar an eingefrorenen iranischen Geldern freigegeben wurden. Zahlreichreiche Doppelstaatsangehörige sind weiter im Iran inhaftiert, darunter der Deutsche Jamshid Sharmahd, dem die Hinrichtung droht.
Während die Freilassungen individuell zu begrüßen sind, geben die Umstände dennoch Anlass zur Sorge: Der Iran könnte sich ermutigt fühlen, weiterhin Geiselnahmen und andere Verbrechen nach internationalem Recht zu begehen. Die internationale Gemeinschaft, einschließlich Österreich und Deutschland, muss ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen, schwere Menschenrechtsverletzungen der iranischen Behörden im Ausland ordnungsgemäß zu bestrafen.
Amnesty Deutschland und Amnesty Österreich fordern in einem gemeinsamen Appell mit Mariam Claren und Kamran Ghaderi die europäischen Staaten auf, eine gemeinsame Strategie gegen die willkürlichen Festnahmen von europäischen Doppelstaatsangehörigen zu entwickeln und entschlossen dagegen vorzugehen:
Kamran Ghaderi, ehemals im Iran Inhaftierter: „Die westlichen Staaten sprechen immer noch von willkürlichen Verhaftungen, statt diese als Geiselnahmen anzuerkennen. Ich vermisse eine einheitliche, strengere Politik von Europa gegenüber Iran. Die sogenannte „stille Diplomatie“ muss revidiert werden: Forderungen um Einhaltung der Menschenrechte sollten in den Verhandlungen mit Iran an Wichtigkeit gewinnen. Die Dinge müssen beim Namen genannt werden, vor allem dann, wenn mit dem Iran verhandelt und Kompromisse geschlossen werden. Die Einhaltung der Menschenrechte muss in den Vordergrund gerückt und zur Vorbedingung gemacht werden.“
Mariam Claren, Tochter der im Iran inhaftierten Nahid Taghavi: “Die Befreiung der deutschen Geiseln scheint im Auswärtigem Amt nicht auf der Agenda zu stehen. Bis heute wurde die Freilassung meiner Mutter nicht einmal öffentlich gefordert. Es gibt weder eine Strategie für die sichere Rückkehr meiner Mutter noch eine zur Beendigung der Geiseldiplomatie. Selbst als die Friedensnobelpreisträgerin und Mitinsassin meiner Mutter, Narges Mohammadi, sich am 19. September mit einem Appell an die deutsche Bundesregierung wandte und effektive Maßnahmen zur Befreiung von meiner Mutter forderte, wurden keine weiteren Schritte in Berlin getroffen.“
Zwar begrüßen wir die Freilassung von einzelnen Inhaftierten, doch ist es entscheidend, dass diese Fortschritte nicht auf Kosten der Menschenrechte gehen. Westliche Staaten sollten nicht in eine Falle tappen und müssen einen klaren Fokus darauflegen, dass Verhandlungen mit dem Iran an klare Bedingungen geknüpft sind, die Menschenrechte schützen. Es bedarf eines entschlossenen Handelns, um die willkürlichen Inhaftierungen im Iran zu beenden und sicherzustellen, dass internationale Menschenrechtsstandards eingehalten werden.
Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich
Julia Duchrow, stellvertretende Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagt: „Die Bekämpfung von Unrecht fängt immer damit an, dieses Unrecht klar zu benennen. Die deutsche Bundesregierung muss die Fälle der inhaftierten deutschen Staatsbürger*innen endlich daraufhin prüfen, ob Fälle von Geiselnahme nach internationalem Recht vorliegen und dann konsequent strafrechtliche Maßnahmen ergreifen. Die Zeit der Zögerlichkeit muss ein Ende haben.“