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© Amnesty/Reza Shahriar Rahman

Presse © Amnesty/Reza Shahriar Rahman

COVID-19 verschärft Mangel an Gesundheitsversorgung für Geflüchtete

9. Oktober 2020

Zusammenfassung

  • Gesundheitsdienstleistungen müssen für all diejenigen zur Verfügung stehen, die sie benötigen – auch für Geflüchtete und Migrant*innen, fordert Amnesty International vor dem globalen "Welttag der geistigen Gesundheit"
  • COVID-19-Pandemie belastet Gesundheitssysteme besonders zu einer Zeit, in der psychologische Dienstleistungen mehr denn je benötigt werden

Die COVID-19-Pandemie verdeutlicht und verschärft den bereits lang herrschenden Mangel in der Gesundheitsversorgung von Geflüchteten und Migrant*innen. Amnesty International fordert vor dem „Welttag der geistigen Gesundheit“ am 10. Oktober die internationale Gemeinschaft auf, psychische Gesundheit für alle sicherzustellen.

„Nur ein winziger Teil des Budgets der internationalen Hilfe im Gesundheitsbereich ist für die psychische Gesundheit vorgesehen. Geflüchtete und Migrant*innen sind von den ohnehin nur spärlich vorhandenen Dienstleistungen häufig ganz abgeschnitten. Die psychische Gesundheit von Menschen auf der Suche nach Sicherheit war nie eine Priorität der internationalen Gemeinschaft – das muss sich ändern“, sagt Charlotte Phillips, Teamleiterin des Bereichs Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen bei Amnesty International, und sagt weiter:

„Asylsuchende, Geflüchtete und Migrant*innen, von denen viele bei der Wohnungs- und Arbeitssuche sowie der Gesundheitsversorgung ohnehin auf Barrieren stoßen, sind besonders von der COVID-19-Krise betroffen. Viele dieser Menschen werden mit der Unsicherheit und der Isolation, die die Pandemie verursacht, alleinegelassen. Ein System der Gesundheitsversorgung und Behandlung, das ganze gesellschaftliche Gruppen – wie z. B. Geflüchtete und Migrant*innen ausschließt – erfüllt seinen Zweck nicht.“ 

Die COVID-19-Pandemie belastet die Gesundheitssysteme besonders zu einer Zeit, in der psychologische Dienstleistungen mehr denn je benötigt werden. Dies betrifft Menschen, die seit langem in einem Land wohnen, genauso wie Menschen auf der Flucht.

Die Auswirkungen der Pandemie werden noch jahrelang zu spüren sein. Wir rufen alle Regierungen auf, sicherzustellen, dass angemessene Gesundheitsdienstleistungen für all diejenigen zur Verfügung stehen, die sie benötigen – auch für Geflüchtete und Migrant*innen.

Charlotte Phillips, Teamleiterin des Bereichs Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen bei Amnesty International

Amnesty International ruft alle Regierungen auf, sicherzustellen, dass ihre Gesundheitsmaßnahmen Geflüchtete und Migrant*innen umfassend einbeziehen. Zudem müssen Einwanderungsmaßnahmen und -praktiken beendet werden, die die Menschenrechte verletzen und psychologische Probleme verursachen, wie zum Beispiel, Familienmitglieder voneinander zu trennen und Kinder zu inhaftieren. Wenn ein Land mit niedrigem Einkommen nicht die Mittel und Wege hat, um das Recht auf Gesundheit der Menschen in seinem Zuständigkeitsbereich zu respektieren, zu schützen und umzusetzen, müssen wohlhabendere Länder reagieren und die notwendige Unterstützung bereitstellen.

Australien und USA: Missbräuchliche Maßnahmen verschärfen Situation

Die psychologischen Bedürfnisse von Geflüchteten, von denen viele furchtbares Leid erfahren haben, können sehr von denen der übrigen Bevölkerung abweichen. Doch anstatt das Wohlergehen von Menschen auf der Flucht und Migrant*innen, die vielfach Rassismus, Feindseligkeit, Armut und Arbeitslosigkeit erleben, im Blick zu haben, verfolgen viele Regierungen Maßnahmen und Praktiken, die eine nachweislich schädliche Wirkung auf die psychische Gesundheit der Betroffenen haben.

So führte zum Beispiel die in Australien willentlich eingeführte Strafmaßnahme – Asylsuchende auf dem Inselstaat Nauru zu inhaftieren – zu einer hohen Zahl an Selbstmordversuchen und Selbstverletzungen. In den USA hat Amnesty International dokumentiert, wie die Politik der Trennung von Familien so großes psychisches Leid bei den Betroffenen verursacht, dass dies Folter gleichkommt.

Mangel an Daten veranschaulicht Vernachlässigung

Es gibt nur sehr wenige aktuelle Zahlen über die Verfügbarkeit von psychologischen Diensten für Geflüchtete und Migrant*innen. Das ist ein Problem an sich, da es gegen die Pflicht von Staaten verstößt, zugängliche psychologische Dienste für alle bereitzustellen. Dies veranschaulicht, wie sehr die psychologischen Bedürfnisse von Geflüchteten und Migrant*innen vernachlässigt werden. Die Informationen, die vorliegen, belegen, wie völlig unzureichend die Leistungen sind.

Die große Mehrzahl (85%) der Geflüchteten weltweit lebt in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. Das jährliche pro-Kopf-Mittel für die Finanzierung aller psychologischen Dienste in diesen Ländern ist in höchstem Maße unangemessen und rangiert zwischen 0,02 US-Dollar in Niedriglohnländern und 1,05 US-Dollar in Ländern mit mittleren Einkommen im unteren Bereich. Außerdem unterstützen Länder mit hohem Einkommen weniger gut bestellte Nationen nicht in ihren Bemühungen, ihrer Bevölkerung psychologische Dienstleistungen bereitzustellen.

Zwischen 2007 und 2013 wurde nur ein Prozent des weltweiten Budgets für internationale Gesundheitshilfe für die psychische Gesundheit ausgegeben. Dazu kommt, dass viele Länder es am Einwanderungsstatus festmachen, ob eine Person Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen erhält und auf diese Weise den Zugang dazu für Geflüchtete und Migrant*innen weiter erschweren.