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© Yasin Akgul / AFP / picturedesk.com

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Türkei muss nach 1.000. Mahnwache für vermisste Angehörige Galatasaray-Platz dauerhaft für Samstagsmütter und Unterstützer*innen freigeben

27. Mai 2024

Die türkischen Behörden müssen die rechtswidrigen Beschränkungen auf dem berühmten Galatasaray-Platz in Istanbul aufheben und den Samstagsmüttern sowie allen ihren Unterstützer*innen erlauben, sich dort regelmäßig zu versammeln. Dies erklärte Amnesty International im Kontext der 1.000. Mahnwache, bei der die Samstagsmütter am vergangenen Samstag Gerechtigkeit für ihre Angehörigen forderten, die in den 1980er und 1990er Jahren dem Verschwindenlassen zum Opfer fielen.

Eine hochrangige Delegation von Amnesty International traf sich am vergangenen Samstag mit den Samstagsmüttern und ihren Unterstützer*innen, um sich angesichts der anhaltenden Versammlungsbeschränkungen auf dem Galatasaray-Platz zusammen mit Anwält*innen, Journalist*innen, Gewerkschaften und anderen Organisationen der Zivilgesellschaft an ihre Seite zu stellen.

Seit tausend Samstagen haben sich die Samstagsmütter und ihre Unterstützer*innen friedlich versammelt – manchmal im Angesicht von Tränengas, Gummigeschossen und Polizeigewalt – um unermüdlich Wahrheit und Gerechtigkeit für ihre Angehörigen einzufordern.

Erika Guevara Rosas, Direktorin für Recherche, Advocacy, Politik und Kampagnen bei Amnesty International.

„Sie wurden willkürlich inhaftiert und grundlos strafrechtlich verfolgt, wobei zwei Verfahren noch nicht abgeschlossen sind. Ich bin stolz darauf, Schulter an Schulter mit den Samstagsmüttern zu stehen, um den rechtswidrigen Einschränkungen zu trotzen, die sie seit 2018 erdulden müssen, und die Stimmen zehntausender Unterstützer*innen von Amnesty International auf der ganzen Welt beizusteuern, um gemeinsam mit ihnen, ihr Recht auf Wahrheit und Gerechtigkeit einzufordern", so Rosas weiter.

Die Geschichte des Protests

Die Samstagsmütter und ihre Unterstützer*innen (Cumartesi Anneleri/İnsanları) begannen ihre friedlichen Sitzstreiks auf dem Galatasaray-Platz vor 29 Jahren, am 27. Mai 1995, und forderten die Behörden auf, das Schicksal und den Verbleib von Hunderten von Menschen zu untersuchen, die nach dem Militärputsch in der Türkei in den 1980er Jahren und dem Ausnahmezustand in den 1990er Jahren in der Haft Opfer des Verschwindenlassens und getötet wurden. Im Zusammenhang mit diesen Fällen des Verschwindenlassens wurde niemand vor Gericht gestellt.

Seit August 2018 ist der Galatasaray-Platz von Metallbarrieren umgeben, die den Zugang versperren, und wird von bewaffneten Polizist*innen bewacht. Die Versuche der Samstagsmütter und ihrer Unterstützer*innen, sich dort zu versammeln, wurden von den Sicherheitskräften mit aller Härte bekämpft. Zwei Urteile des türkischen Verfassungsgerichts aus den Jahren 2022 und 2023, in denen festgestellt wurde, dass das Recht auf friedliche Versammlung der Antragstellenden der Samstagsmütter und ihrer Unterstützer*innen verletzt worden war, und in denen angeordnet wurde, dass sich dieser Verstoß nicht wiederholen dürfe, sind nicht umgesetzt worden. Im November 2023 wurden die Beschränkungen jedoch etwas gelockert: Bis zu zehn Personen durften die Mahnwache auf dem Galatasaray-Platz abhalten und jede Woche eine Erklärung zum Gedenken an eines der Opfer des Verschwindenlassens verlesen.

Als einer der am längsten andauernden friedlichen Proteste der Welt ist diese Mahnwache eine deutliche Erinnerung an die erdrückende Last der Trauer, die Angehörige von verschwundenen Menschen empfinden, wenn deren Schicksal nicht aufgeklärt wurde.

Erika Guevara Rosas, Direktorin für Recherche, Advocacy, Politik und Kampagnen bei Amnesty International.

„Die Samstagsmahnwache, die mit Razzien und strafrechtlichen Verfolgungen einhergeht, ist auch ein Symbol für die harten und rechtswidrigen Einschränkungen des friedlichen Protests in der Türkei. Ihr Durchhaltevermögen und ihre friedliche Beharrlichkeit sind ein Leuchtfeuer für alle, die sich weltweit für Wahrheit und Gerechtigkeit einsetzen, und wir schließen uns ihrer Forderung an, die rechtswidrigen Beschränkungen für ihre Mahnwachen auf dem Galatasaray-Platz dauerhaft aufzuheben.“

Hintergrund

Am 20. Mai 2024 forderte Amnesty International gemeinsam mit neun anderen Nichtregierungsorganisationen, dass die Mahnwache auf dem Galatasaray-Platz stattfinden kann.

Im Jahr 2018 setzte die Bereitschaftspolizei übermäßige Gewalt ein, um die 700. wöchentliche Mahnwache der Gruppe aufzulösen. Sechsundvierzig Menschenrechtsverteidiger*innen, darunter auch Angehörige, die dieser übermäßigen Gewaltanwendung ausgesetzt waren und unrechtmäßig inhaftiert wurden, stehen heute noch vor Gericht. Eine weitere unbegründete Strafverfolgung von 20 Personen, darunter wiederum Angehörige, begann im Februar 2024.

Erika Guevara Rosas ist als Teil einer hochrangigen Delegation von Amnesty International aus Mexiko angereist. Sie sprach auf einer Pressekonferenz nach der 1.000. Mahnwache am Samstag, den 25. Mai, zusammen mit den Menschenrechtsorganisationen Human Rights Foundation of Turkiye, Memory Centre und Media Law Studies Association, die zusammen mit der Amnesty-Sektion Türkei von Amnesty International die friedlichen Versammlungen seit April 2023 beobachten, als die Gruppe auf den Platz zurückkehrte, aber 29 Wochen lang mit exzessiver Gewaltanwendung der Polizei und wöchentlichen Inhaftierungen konfrontiert war.

Protect the Protest

Wir alle haben das Recht, laut zu sagen, was wir denken, eine bessere Welt einzufordern und friedlich zu protestieren. Protest ist eine starke Kraft für Veränderung und ein wirksames Mittel, um Menschenrechte zu schützen und Ungleichheiten abzubauen. Doch unser Recht auf Protest ist in allen Teilen der Welt bedroht wie nie zuvor.