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Triggerwarnung: Der Text beschreibt sexualisierte Gewalt, Vergewaltigung, physische Gewalt und Mord.
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Angehörige der Geiseln befinden sich heute erneut auf einem Protestmarsch von Tel Aviv nach Jerusalem, um die Freilassung ihrer am 7. Oktober verschleppten Lieben zu fordern. Auch Amnesty International fordert erneut die sofortige und bedingungslose Freilassung aller zivilen Geiseln, die seit dem 7. Oktober 2023 im besetzten Gazastreifen festgehalten werden. Es gibt keine Rechtfertigung für das Kriegsverbrechen der Geiselnahme.
In den vergangenen Wochen sind in ganz Israel Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen und haben von den israelischen Behörden ein Waffenstillstandsabkommen und Verhandlungen über die Freilassung der Geiseln gefordert. Angehörige von Geiseln marschierten am 12. Juli erneut von Tel Aviv nach Jerusalem, um die Freilassung ihrer Angehörigen zu fordern und die israelische Regierung zu drängen, einem Waffenstillstandsabkommen zuzustimmen, da die Verhandlungen in dieser Woche wieder aufgenommen wurden.
Schätzungsweise 116 Menschen werden seit dem 7. Oktober 2023 von der Hamas und anderen bewaffneten Gruppen im Gazastreifen als Geiseln gehalten oder gefangen gehalten. Inzwischen sind 43 der Entführten nicht mehr am Leben, ihr Tod wurde von den israelischen Behörden bestätigt. Mindestens 79 der gefangenen Personen sind vermutlich Zivilist*innen. Nach Angaben des Forums für Geiseln und vermisste Familien in Israel gab es bis zum 18. Mai Lebenszeichen von 33 Geiseln. Während ihrer gesamten Zeit in Gefangenschaft wurde den Geiseln der Zugang zu unabhängigen Beobachter*innen, einschließlich Vertreter*innen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), verweigert. So konnten weder ihr Gesundheitszustand noch ihre Haftbedingungen beurteilt werden.
Geiselnahme ist ein Kriegsverbrechen. Diejenigen, die noch am Leben sind, befinden sich seit über neun Monaten in Geiselhaft, getrennt von ihren Angehörigen. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, ihnen und ihren Familien ein solches Trauma und solche Qualen zuzufügen.
Erika Guevara-Rosas, leitende Direktorin für Recherche, Advocacy, Politik und Kampagnen bei Amnesty International
„Seit Oktober 2023 fordert Amnesty International immer wieder die Hamas und andere bewaffnete Gruppen auf, dringend alle zivilen Geiseln sofort und bedingungslos freizulassen und den wahllosen Raketenbeschuss unverzüglich einzustellen. Alle Gefangenen müssen menschlich behandelt und vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt werden, und sie müssen im Einklang mit dem Völkerrecht Zugang zum IKRK erhalten. Die Kranken und Verletzten müssen medizinisch versorgt werden.“
Trotz der Verabschiedung einer Resolution des UN-Sicherheitsrates am 10. Juni, in der alle Parteien zu einem sofortigen Waffenstillstand aufgerufen werden, haben die Verhandlungen über eine mögliche Vereinbarung zur Freilassung weiterer israelischer Geiseln und palästinensischer Gefangener bisher kein positives Ergebnis gebracht.
Während Israels unerbittlicher Bombardierungen und Bodenoperationen im Gazastreifen wächst die Gefahr für die Zivilbevölkerung, sowohl für palästinensische Zivilpersonen als auch für die israelischen Geiseln.
„Israels brutaler Angriff auf den Gazastreifen, der zum Tod von über 38.000 Palästinenser*innen geführt hat, ist eine der schlimmsten humanitären Katastrophen, die die Welt je gesehen hat. Durch die anhaltende Krise ist auch das Leben der israelischen Geiseln im Gazastreifen weiterhin gefährdet", so Guevara-Rosas weiter.
Ein Waffenstillstand aller Parteien ist der dringendste Schritt, um das Leiden der Zivilbevölkerung zu lindern, weitere Verluste an Menschenleben zu verhindern und den Schutz aller Zivilpersonen zu gewährleisten.
Erika Guevara-Rosas, leitende Direktorin für Recherche, Advocacy, Politik und Kampagnen bei Amnesty International
Es gab mehrere Vorfälle, bei denen die Hamas und andere bewaffnete Gruppen Geiseln in Wohngebäuden in belebten zivilen Gebieten festgehalten haben. Dadurch wurde das Leben von Zivilpersonen im Gazastreifen gefährdet, indem die Hamas und andere bewaffnete Gruppen gegen ihre Verpflichtung verstoßen haben, alle möglichen Vorkehrungen zu treffen, um die unter ihrer Kontrolle stehenden Zivilpersonen vor den Auswirkungen von Angriffen zu schützen.
Bei einer Operation der israelischen Streitkräfte im Flüchtlingslager al-Nuseirat zur Befreiung von vier Geiseln am 8. Juni kamen nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums mehr als 270 Palästinenser*innen ums Leben. Bei einer früheren Rettungsaktion am 12. Februar in Rafah zur Befreiung von zwei Geiseln kamen rund 100 Menschen ums Leben.
Am 3. Juni gaben die israelischen Behörden bekannt, dass vier israelische Geiseln im Gazastreifen ums Leben gekommen sind. Unter ihnen war der 80-jährige Yoram Metzger, der zusammen mit seiner 78-jährigen Frau Tami Metzger aus dem Kibbuz Nir Oz am 7. Oktober 2023 als Geisel genommen worden war. Tami Metzger wurde im November 2023 freigelassen. Ayala Metzger, die Schwiegertochter des Paares, erklärte gegenüber Amnesty International, sie sei frustriert über das Versagen der israelischen Behörden, die Freilassung der Geiseln sicherzustellen:
„Unsere derzeitige Regierung hat die Geiseln aufgegeben; sie hat kein Interesse daran, dass sie freigelassen werden, sie unternimmt keine wirklichen Anstrengungen. Zunächst muss eine Entscheidung getroffen werden, den Krieg zu beenden. Yoram [sein Leichnam] ist immer noch in Gaza, wir wissen nicht genau, was mit ihm passiert ist, aber er wurde für tot erklärt. Bei ihm sind viele meiner Bekannten, die noch am Leben sind."
Wir wollen anfangen zu leben und wieder aufzubauen... aber wir können nicht.
Ayala Metzger
Sie fügte hinzu, dass Tami, die im November 2023 freigelassen wurde, nachts immer noch nicht schlafen kann: „Sie macht sich immer noch Sorgen um die Leute, die mit ihr in den Tunneln waren, und wir wissen nichts über sie. Es ist schwer, es ist schwer, das auszuhalten. Es ist schwer zu protestieren ... die Leute sind erschöpft.“
Von Amnesty International überprüftes Videomaterial zeigt, dass einige Geiseln während ihrer Gefangenschaft misshandelt wurden. Hersh Goldberg-Polin wurde in der Nähe des Nova-Partygeländes als Geisel genommen. Verifizierte Videos zeigen, wie Hamas-Kämpfer ihn auf einen Lastwagen laden und mit anderen Geiseln in Richtung Gaza fahren. Sein linker Arm war unterhalb des Ellenbogens abgetrennt und blutete stark. Ein von der Hamas am 24. April 2024 veröffentlichtes Video zeigt Hersh Goldberg-Polin, der von seiner Familie identifiziert wurde, nach der Operation seines amputierten Arms.
Die Geiseln werden unter katastrophalen Bedingungen festgehalten, und es gibt Grund für Befürchtungen, dass einige von ihnen in der Gefangenschaft gefoltert oder anderweitig misshandelt worden sind und immer noch werden.
Nach Angaben israelischer Mediziner*innen erfuhren sie von zurückgekehrten Geiseln, dass diese im Gazastreifen physisch und psychisch misshandelt wurden. Sie berichteten auch, dass einige Geiseln geschlagen und gezwungen wurden, Gewalttaten zuzusehen oder sich an ihnen zu beteiligen, dass sie sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren, einschließlich erzwungener Nacktheit und sexueller Übergriffe, dass sie in Isolation oder völliger Dunkelheit gehalten wurden und dass ihnen die Grundbedürfnisse, einschließlich Nahrung und Schlaf, vorenthalten wurden, was zu ernsten und langfristigen psychischen und physischen Gesundheitsschäden führte. Freigelassene Geiseln berichteten auch, dass in einigen Fällen Familien vorsätzlich voneinander getrennt wurden.
Amit Soussana, die aus dem Kibbuz Kfar Azza entführt und im November 2023 freigelassen wurde, beschrieb in einer Medienaufzeichnung, dass sie drei Wochen lang in Gaza in Ketten gehalten wurde. Sie sagte, der Mann, der sie bewachte, sei in ihr Zimmer gekommen, habe sich auf ihr Bett gesetzt und sie nach Sex gefragt. Einmal zwang er sie mit vorgehaltener Waffe zu einer sexuellen Handlung.
Einige Familien von Geiseln, mit denen Amnesty International gesprochen hat, gaben an, dass sie seit fast neun Monaten keine Informationen über ihre vermissten Angehörigen erhalten haben.
Am 7. Oktober wurden drei Verwandte von Nathalie Smith, die der Familie Kipnis angehörten, im Kibbuz Be'eri getötet und sieben als Geiseln genommen. Sechs von ihnen wurden im November 2023 freigelassen, aber einer von ihnen, Tal Shoham, wird immer noch gefangen gehalten.
Die Tatsache, dass die Geiseln immer noch dort sind, ist eine offene Wunde. Wir können weder die Toten betrauern noch mit der Trauerarbeit beginnen.
Nathalie Smith
Gil Dickmans Tante, Kineret Gat, wurde bei dem Angriff am 7. Oktober im Kibbutz Be'eri getötet. Seine beiden Cousinen Carmel und Yarden Roman-Gat wurden als Geiseln genommen. Yarden Roman-Gat wurde im Rahmen eines Gefangenenaustauschs im November 2023 freigelassen. Die 40-jährige Carmel Roman-Gat wird immer noch in Gaza festgehalten. Gil Dickman fürchtet um ihre physische und psychische Verfassung und hat kein Vertrauen in die Bemühungen des Staates, die Geiseln zurückzubringen.
„Unser Leben ist völlig zum Stillstand gekommen, etwas Neues hat begonnen, ein Horrorfilm, dessen Ausgangspunkt große Hilflosigkeit war", sagte er und fügte hinzu, dass er noch nicht in der Lage sei, den Schmerz zu verarbeiten oder zu trauern. „Das können wir nicht tun, denn das Dringendste ist, um das Leben derjenigen zu kämpfen, die noch gerettet werden können - in dem Wissen, dass wir jeden Moment die schreckliche Nachricht erhalten könnten.“
Er fügte hinzu, dass er sich angesichts der Zerstörung, die die Palästinenser*innen im Gazastreifen erleben, „sehr schlecht“ fühle:
Das sind Menschen auf der anderen Seite und ich betrachte sie als Opfer des Kreislaufs der Gewalt, genau wie Carmel und meine Familie ... Der Terror und die Gewalt verletzen letztendlich Menschen, die ein friedliches Leben führen wollen.
Gil Dickman
„Ein sofortiger und dauerhafter Waffenstillstand zwischen allen Parteien ist die einzige Möglichkeit, der humanitären Katastrophe, dem Massensterben und der Zerstörung, die wir in den vergangenen neun Monaten erlebt haben, ein Ende zu setzen. Unabhängig davon, ob eine Einigung erzielt wird oder nicht, müssen die Hamas und andere bewaffnete Gruppen dafür sorgen, dass alle zivilen Geiseln unverzüglich freigelassen werden, und Israel muss den ungehinderten Zugang und die Verteilung von Lebensmitteln, Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern nach Gaza ermöglichen", so Erika Guevara Rosas.
Am 7. Oktober 2023 feuerten die Hamas und andere bewaffnete Gruppen wahllos Raketen ab, schickten Kämpfer in den Süden Israels und begingen Kriegsverbrechen wie die vorsätzliche Massentötung von Zivilpersonen und Geiselnahmen. Nach Angaben der israelischen Behörden wurden rund 1.200 Menschen getötet. Amnesty International fordert, dass die Hamas und andere bewaffnete Gruppen zur Rechenschaft gezogen werden - für vorsätzliche Tötungen, Entführungen und wahllose Angriffe.
Bewaffnete Gruppen nahmen 250 Menschen als Geiseln, etwa 225 Zivilpersonen und 25 Soldat*innen. Bis heute wurden 131 zivile Geiseln und militärische Gefangene freigelassen (oder ihre Leichen geborgen) - fünf wurden bedingungslos freigelassen und 104 im Rahmen eines Geisel- und Gefangenenaustauschs während eines einwöchigen Waffenstillstands im November 2023.
Die israelischen Behörden haben bestätigt, dass mindestens 43 Geiseln entweder am 7. Oktober 2023 oder danach unter verschiedenen Umständen ums Leben gekommen sind. Sechs Zivilpersonen und ein Soldat wurden vom israelischen Militär zurückgebracht. Unter den verbleibenden Geiseln befinden sich neun Frauen und zwei sehr kleine Kinder im Alter von einem und vier Jahren (zusammen mit ihrer Mutter) sowie mehrere Männer, darunter auch ältere Männer und ausländische Staatsangehörige. Medienberichten und Informationen des Hostage Family Forum zufolge gab die Hamas im November 2023 bekannt, dass die beiden Kinder und ihre Mutter bei israelischen Luftangriffen getötet wurden. Amnesty International hat stets die sofortige Freilassung aller zivilen Geiseln gefordert.
Amnesty International hat direkte Angriffe auf Zivilpersonen und zivile Objekte sowie wahllose Angriffe durch Israel dokumentiert, die als Kriegsverbrechen untersucht werden müssen. Israel hat auch gegen seine Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht verstoßen, indem es humanitäre Hilfe behindert, die Stromversorgung und andere wichtige Dienstleistungen unterbrochen und die Zivilbevölkerung des Gazastreifens kollektiv bestraft hat.