Extremistische Kräfte auf beiden Seiten nutzen die Sprache des Judentums und des Islams, um Gewalt zu propagieren. Ich bin selbst in einer rechten Gemeinde aufgewachsen, mit Rabbis, die der heutigen Regierung die religiöse Grundlage liefern. Ich hätte mich vom Judentum distanzieren können, weil ich seine korrupten, rassistischen und gewalttätigen Seiten kenne. Aber ich glaube, im Gegenteil, dass wir um das Judentum kämpfen müssen. Religionen wurden schon immer für Schlechtes missbraucht. Aber sie sollten und können auch eine Quelle des Guten sein.
Dieser Krieg ist nicht nur eine physische Bedrohung, sondern er bedroht auch unsere Werte als Jüd*innen. Als Rabbis sind wir verpflichtet, uns für die Menschenrechte einzusetzen. In der Tora steht, wenn auch in einem anderen Kontext: „Du kannst nicht ignorieren.“ Das ist eine sehr wichtige Regel für mich. Wir können nicht ignorieren, was in unserem Namen geschieht, was am 7. Oktober geschah, was in Gaza geschieht. Wir können die Geiseln genauso wenig ignorieren, wie die Kinder in Gaza, die Familien, die getötet wurden, hungern oder ihr Zuhause verloren haben.
Ein zentraler Wert im Judentum ist, dass alle Menschen gleich sind. Das ist leicht gesagt, aber es kann schwer sein, das Abbild Gottes in jedem Menschen zu sehen – selbst in denen, die uns angegriffen haben. Es gibt absolut keine Rechtfertigung für das schreckliche Massaker am 7. Oktober, und ich bin bedrückt, dass manche Menschen die Verbrechen leugnen oder legitimieren. Es gibt jedoch einen historischen Kontext. Das waren keine Außerirdischen, die uns aus dem Nichts angegriffen haben, und die wir nur besiegen können, indem wir sie alle umbringen. Israel trägt nicht die alleinige, aber einen großen Teil der Verantwortung dafür, dass Gaza so geworden ist, wie es heute ist.
Wir leben in sehr finsteren, verwirrenden Zeiten. Für viele Menschen ist es schwer zu hören, was ich gerade gesagt habe. In der Öffentlichkeit sind die Stimmen lauter, die zu Gewalt aufrufen und alle Menschen in Gaza für schuldig erklären. Viele Menschen glauben an Menschenrechte, aber wagen es nicht, darüber zu sprechen. Ich bin davon überzeugt, dass es in unserem Interesse ist, uns für Frieden und Gleichberechtigung einzusetzen, und mit den Palästinenser*innen in Frieden zu leben. Wir müssen eine bessere Lösung finden als einfach nur zu kämpfen.
Bericht von Avi Dabush