Amnesty International Jahresbericht 2021
WOHLHABENDE Staaten haben ihre Versprechen für eine gerechtere Zukunft gebrochen, Internationale Gemeinschaft versagte beim Umgang mit Konflikten
Reiche Länder und große Konzerne machten den Menschen 2021 mit leeren Versprechungen Hoffnungen auf eine faire postpandemische Zukunft. Der Amnesty International Jahresbericht 2021 zur weltweiten Lage der Menschenrechte zeigt, dass dieses Versprechen gebrochen wurde. Die globale Ungleichheit wurde im Jahr 2021 weiter verschärft – einerseits aufgrund ausufernder Konzerngier und schonungslosem nationalem Egoismus, aber auch durch die Vernachlässigung von Gesundheitsdiensten und öffentlicher Infrastruktur durch Regierungen weltweit. Überall auf der Welt litten bereits marginalisierte Communites am stärksten unter den Folgen, unter anderem in Afrika, Asien und Lateinamerika.
Gleichzeitig versagte die internationale Gemeinschaft beim Umgang mit Konflikten. Die Lähmung multilateraler Gremien und die fehlende Rechenschaftspflicht mächtiger Staaten bereiteten den Nährboden für weitere Eskalationen, etwa in Afghanistan, Burkina Faso, Äthiopien, Israel und in den besetzten palästinensischen Gebieten, Libyen, Myanmar und im Jemen. Die Konfliktparteien verletzten das humanitäre Völkerrecht und internationale Menschenrechtsnormen. Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung wurden geduldet – Millionen Menschen wurden vertrieben, Tausende getötet, Hunderte sexualisierter Gewalt ausgesetzt.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung geriet 2021 weltweit zunehmend unter Druck. Dennoch ließen sich die Menschen nicht davon abhalten, ihre Stimme zu erheben. In mehr als 80 Ländern haben die Menschen in großer Zahl protestiert. Das ganze Jahr 2021 hindurch standen die Menschen auf – in Kolumbien, Libanon, Myanmar, Sudan, Thailand, Venezuela und vielen anderen Ländern.
Österreich: Wichtige Reformen wurden nicht umgesetzt
In Österreich hat die Regierung menschenrechtlich wichtige Reformen angekündigt, die bisher jedoch nicht umgesetzt wurden. Dazu zählen die Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetz, die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, eine grundlegende Reform des Maßnahmenvollzuges sowie die Umsetzung der EU-Whistleblower*innen-Richtlinie. Mehrere Verbote von Versammlungen stellten eine unverhältnismäßig starke Einschränkung des Rechts auf friedliche Versammlung dar. Misshandlungsvorwürfe gegen die Polizei wurden auch im Jahr 2021 nicht wirksam untersucht. Die Einrichtung einer von der Regierung im Januar 2020 angekündigten unabhängigen Ermittlungstelle zur Untersuchung von Polizeigewalt steht nach wie vor aus.
Auch in Österreich hat die COVID-19-Pandemie aufgezeigt, wie wichtig soziale Sicherheit ist. Doch die Sozialhilfeleistungen waren in einigen Bundesländern unzureichend und das Recht auf angemessenen Wohnraum wurde nicht ausreichend geschützt.
Die Asylpolitik in Österreich war 2021 von ungerechtfertigten Abschiebungen und rechtswidrigen Pushbacks von Asylsuchenden geprägt. Afghanische Staatsangehörige wurden noch bis kurz vor der Machtübernahme der Taliban im August weiterhin nach Afghanistan abgeschoben.
24-Stunden-Betreuer*innen in Österreich – hauptsächlich Migrantinnen, die ältere Menschen zu Hause betreuen – sind weiterhin von prekären Arbeitsbedingungen betroffen. Sie werden schlecht bezahlt, müssen übermäßig lange ohne angemessene Pausen arbeiten und haben aufgrund von Mehrfachdiskriminierung Schwierigkeiten beim Zugang zu Sozialleistungen.
Die Zahl der Femizide in Österreich war nach wie vor hoch. Die Behörden stellten auch 2021 keine ausreichenden Mittel bereit, um den Zugang zu Unterstützungsleistungen für Frauen zu verbessern.