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Missbrauch von Tränengas tötet und verletzt Demonstrant*innen weltweit - aktualisierte interaktive Website

30. Mai 2023

Der grausame Missbrauch von Tränengas durch Sicherheitskräfte bei der brutalen Niederschlagung von Protesten im Iran, in Peru und Sri Lanka gehört zu den vielen neuen Vorfällen, die auf der aktualisierten interaktiven Website „Tear Gas: An Investigation“ von Amnesty International aufgezeigt werden.

Die interaktive Website enthält nun Einzelheiten zu 30 neuen Vorfällen in 13 Ländern, bei denen Polizei und Sicherheitskräfte durch den unangemessenen Einsatz von Tränengas Schaden angerichtet haben.

Seit dem Start der mit dem Webby Award ausgezeichneten Website im Jahr 2020 hat Amnesty International Vorfälle von Tränengasmissbrauch in mehr als 115 Ländern und Gebieten festgestellt, darunter Frankreich, Guatemala, Indien, Israel/Palästina, Libanon, Mali, Myanmar, Nigeria, Serbien, Sudan, Tunesien, Uganda und die USA.

Jahr für Jahr dokumentiert Amnesty International gefährliche und rücksichtslose Einsätze von Tränengas auf der ganzen Welt.

Marija Ristic, Leiterin des digitalen Verifizierungskorps von Amnesty International

„Die Menschen sind auf die Straße gegangen, um für die Einhaltung ihrer Menschenrechte zu protestieren und wurden mit unnötiger Gewalt oder übermäßigem Einsatz von Gewalt konfrontiert, darunter in vielen Fällen auch mit dem unrechtmäßigen Einsatz von Tränengas. Behörden auf der ganzen Welt müssen das Recht auf friedlichen Protest respektieren und jede*n zur Rechenschaft ziehen, die*der rechtswidrig Tränengas gegen Menschen einsetzt, die ihre grundlegenden Menschenrechte wahrnehmen", so Ristic.

Die aktuelle Kampagne von Amnesty International zum Recht auf Protest dokumentiert auch Angriffe auf friedliche Proteste, um sich mit den Betroffenen zu solidarisieren und die sozialen Bewegungen zu unterstützen, die sich weltweit für eine Veränderung der Menschenrechte einsetzen.

Zur interaktiven Webseite

Tränengasmissbrauch mit Todesfolge und Verletzungen

2022 gingen die iranischen Behörden systematisch mit militärischen Mitteln gegen lokale und landesweite Proteste vor und setzten scharfe Munition, Metallkugeln, Tränengas und Wasserwerfer ein, um weitgehend friedliche Proteste niederzuschlagen. Hunderte von Demonstrant*innen und Schaulustigen wurden von den Sicherheitskräften unrechtmäßig getötet, darunter Dutzende von Kindern. Ein sechsjähriges Mädchen wurde getötet, nachdem es von einer Tränengaskanone am Kopf getroffen worden war. Tausende von Menschen erlitten schwere Verletzungen, darunter auch Erblindungen. Viele nahmen, aus Angst vor Verhaftung, keine medizinische Versorgung in Anspruch.

Während der Proteste in Peru, die im Dezember 2022 begannen, schossen die Armee und die peruanische Nationalpolizei rechtswidrig mit tödlichen Waffen und setzten andere weniger tödliche Waffen gegen die Bevölkerung ein, insbesondere gegen Indigene und Campesinos (Landarbeiter*innen). Diese unrechtmäßige Gewaltanwendung führte bis Februar 2023 zu 49 Todesfällen. Die Proteste verliefen größtenteils friedlich, aber es gab Hinweise darauf, dass Polizei und Armee rücksichtslos Kugeln, Pellets und Tränengas abfeuerten und dabei Umstehende, Demonstrant*innen und Personen, die Verletzten erste Hilfe leisteten, töteten oder verletzten.

In Sri Lanka verschärfte die Regierung ihr Vorgehen gegen Andersdenkende, als Tausende von Menschen gegen die katastrophale wirtschaftliche Lage des Landes protestierten. Der missbräuchliche Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern als Reaktion auf die Demonstrationen wurde zur Regel und traf Demonstrant*innen und Passant*innen, darunter auch Kinder. Bei einer Demonstration im Juli 2022 kam mindestens ein Mensch durch solche Maßnahmen ums Leben.

Und in der Ukraine feuerten russische Sicherheitskräfte Tränengas auf friedliche Demonstrant*innen in Cherson, die im April 2022 auf die Straße gingen, um ein Ende der russischen Besetzung ihrer Stadt zu fordern.

Die jüngste Aktualisierung der Website enthält ähnliche Beispiele des Tränengasmissbrauchs in Kolumbien, Ecuador, Griechenland, Indien, Indonesien, Irak, Israel/Palästina und der Türkei.

Open-Source-Untersuchung

Das Crisis Evidence Lab von Amnesty International begann 2019 mit der Dokumentation des Tränengasmissbrauchs, vor allem durch die Analyse von Videos, die in sozialen Medien gepostet wurden. Mithilfe von Open-Source-Untersuchungsmethoden identifizierte und verifizierte die Organisation Fälle, in denen Tränengas missbräuchlich eingesetzt wurde, und bestätigte den Ort, das Datum und die Gültigkeit. Die Analyse wurde vom Digital Verification Corps von Amnesty International durchgeführt, einem Netzwerk von Studierenden an fünf Universitäten auf vier Kontinenten, die darin geschult sind, Videos und Fotos von möglichen Menschenrechtsverletzungen in Konflikten und Krisen auf der ganzen Welt zu überprüfen.

Amnesty International hat dokumentiert, dass die Polizei Tränengas auf vielfältige Weise missbraucht, u. a. durch den Einsatz in engen Räumen, durch den direkten Beschuss von Personen, durch den Einsatz übermäßiger Mengen, durch den Einsatz bei friedlichen Protesten und durch den Einsatz gegen Gruppen, die schlechter fliehen können oder die anfälliger für die Wirkung von Tränengas sind, wie z. B. Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen.

Regulierung erforderlich

Trotz des weit verbreiteten Missbrauchs gibt es keine vereinbarten internationalen Vorschriften für den Handel mit Tränengas und anderen chemischen Reizstoffen. Nur wenige Staaten geben öffentlich Auskunft über die Menge und den Bestimmungsort von Tränengasexporten, was eine unabhängige Kontrolle erschwert.

Amnesty International und die Omega Research Foundation setzen sich seit mehr als zwei Jahrzehnten für eine stärkere Kontrolle der Herstellung, des Handels und des Einsatzes von Tränengas und anderer Ausrüstung und Waffen für Strafverfolgungsbehörden ein.

Infolgedessen hat die EU Handelskontrollen für einige Arten von Ausrüstungsgegenständen eingeführt, und die Vereinten Nationen und der Europarat haben die Notwendigkeit anerkannt, die Ausfuhr von Ausrüstungsgegenständen für Strafverfolgungsbehörden zu regeln, die für Folter oder andere Misshandlungen verwendet werden können.

Nachdem sich die mehr als 60 Staaten der Alliance for Torture-Free Trade mit Unterstützung einer internationalen Koalition zivilgesellschaftlicher Organisationen auf höchster diplomatischer Ebene dafür eingesetzt haben, prüfen die Vereinten Nationen nun die Einführung internationaler Handelskontrollen für Ausrüstungsgegenstände zur Strafverfolgung, einschließlich Tränengas, um deren Einsatz bei Folter und anderen Misshandlungen zu verhindern. Im Januar 2023 unterzeichneten Amnesty International und über 30 Nichtregierungsorganisationen gemeinsam die Shoreditch-Erklärung, in der ein internationaler Vertrag zur Kontrolle des Handels mit Folterwerkzeugen gefordert wird, die zur Unterdrückung friedlicher Proteste und zur Misshandlung von Gefangenen auf der ganzen Welt eingesetzt werden.

Protect the Protest

Wir alle haben das Recht, laut zu sagen, was wir denken, eine bessere Welt einzufordern und friedlich zu protestieren. Protest ist eine starke Kraft für Veränderung und ein wirksames Mittel, um Menschenrechte zu schützen und Ungleichheiten abzubauen. Doch unser Recht auf Protest ist in allen Teilen der Welt bedroht wie nie zuvor. Es ist Zeit, aufzustehen und die Mächtigen lautstark an unser unveräußerliches Recht zu erinnern, zu protestieren. Setzen wir uns gemeinsam für unser Recht auf Protest ein. Damit Veränderung möglich ist. Damit eine gerechtere Welt möglich ist.