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Lesbos: Schließung von Unterkunft droht

Diese Aktion ist abgelaufen. Vielen Dank allen, die sich eingesetzt haben!

Am Freitag, 30. Oktober 2020, räumten Polizeikräfte die offene Unterkunft für Geflüchtete PIKPA auf der griechischen Insel Lesbos, Griechenland.

Amnesty und 27 weitere Organisationen fordern die griechischen Behörden gemeinsam auf, die in PIKPA untergebrachten Menschen zu respektieren und ihnen im Einklang mit dem EU-Recht menschenwürdige Aufnahmebedingungen zu gewähren und den Schutz der Schwächsten unter ihnen sicherzustellen. Die griechischen Behörden müssen von der Schaffung eines geschlossenen Aufnahmezentrums Abstand nehmen, das für besonders gefährdete Menschen noch mehr Leid bedeuten würde.

 

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Griechenland: Statement zur Räumung von PIKPA

Mehr dazu

Die offene und selbstorganisierte Unterkunft für Geflüchtete PIKPA auf der Insel Lesbos ist in Gefahr, auf Anordnung der griechischen Behörden geschlossen werden. Die Schließung hätte bereits am 15. Oktober stattfinden sollen. Aufgrund des hohen internationalen Drucks wurde diese zwar verschoben, dennoch droht den Menschen, die derzeit in PIKPA leben, nach wie vor eine Räumung!

Seit 2012 unterstützen Freiwillige und Mitarbeiter*innen von PIKPA Tausende besonders gefährdete Geflüchtete und Asylsuchende. Dazu zählen zum Beispiel Menschen mit Behinderungen, Ältere, Kranke und Kinder ohne Begleitung. PIKPA ist eine Alternative zum überfüllten Flüchtlingscamp Moria, wo Geflüchtete und Asylwerber*innen in unmenschlichen Bedingungen lebten - eine sichere Unterkunft für jene, die besonders gefährdet sind.

Nach den verheerenden Bränden im Flüchtlingslager Moria wurden die dortigen Bewohner*innen in ein provisorisches Camp verlegt, das kürzlich auf Lesbos eingerichtet wurde. Dieses Lager ist jedoch nur eine vorübergehende Lösung, weil es weder angemessene Lebensbedingungen für alle Bewohner*innen noch die nötigen Sicherheitsmaßnahmen für besonders gefährdete Menschen bietet.

Derzeit leben rund 100 besonders schutzbedürftige Geflüchtete und Asylsuchende, darunter 21 unbegleitete Minderjährige in PIKPA. Falls die Unterkunft geschlossen wird, ist unklar, was mit ihnen geschieht. Würde man sie in das provisorische Camp in Lesbos bringen, wären sie vielen Risiken ausgesetzt.

Geflüchtete und Asylsuchende sind auf Lesbos und anderen Inseln unter katastrophalen Bedingungen untergebracht. Deshalb ist das Engagement und die Unterstützung von NGOs so wichtig. Statt NGOs an ihrer Arbeit zu hindern, sollte die griechische Regierung ihren Einsatz unterstützen und offene, sichere Räume für Geflüchtete und Asylwerber*innen in Griechenland schützen und fördern.

Diese Aktion ist abgelaufen. Vielen Dank allen, die sich eingesetzt haben!

 

Hintergrundinformationen

Seit 2012 hat die offene und selbstorganisierte Unterkunft für Geflüchtete PIKPA, geführt von der NGO Lesvos Solidarity, mehr als 30.000 Geflüchteten und Asylsuchenden auf der Insel Lesbos Unterkunft sowie andere Dienstleistungen zur Verfügung gestellt. Das Angebot von PIKPA richtet sich insbesondere an stark gefährdete Geflüchtete wie Familien, Menschen, die gefoltert worden waren, oder LGBTIQ. Die von PIKPA geleisteten Bemühungen und der wichtige Beitrag der Einrichtung wurden von vielen Seiten anerkannt - zum Beispiel vom UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR), welches eine der Gründerinnen von PIKPA im Jahr 2016 mit dem Nansen-Flüchtlingspreis auszeichnete. Amnesty International arbeitet schon lange mit PIKPA und Lesvos Solidarity zusammen. 2018 traf sich Kumi Naidoo, ehemaliger Generalsekretär von Amnesty International, mit verschiedenen Vertreter*innen von NGOs, die in Lesbos ansässig sind, darunter auch Lesvos Solidarity. Als Teil seines Einsatzes in Griechenland besuchte er die Flüchtlingsunterkunft PIKPA.

PIKPA und andere Einrichtungen, wie das von der Gemeinde Lesbos geführte Camp Kara Tepe, bilden einen Kontrast zum "Modell Moria" und symbolisieren einen alternativen Ansatz für die Aufnahme von Geflüchteten und Asylsuchenden: Sie zählen auf Gemeinschaftssinn und Solidarität und bieten ihren Bewohner*innen sichere, menschliche Bedingungen. Wie PIKPA steht auch Kara Tepe vor der Schließung (siehe: https://www.lesvossolidarity.org/en/blog/news/save-dignity-save-pikpa-a…).

Im Verlauf der letzten Jahre wurde PIKPA schon mehrfach die Schließung angedroht, so auch 2018. Die Mitarbeiter*innen von PIKPA und Lesvos Solidarity wurden wiederholt von örtlichen Gruppierungen oder Einzelpersonen angegriffen. Weitere Informationen dazu findest du im Bericht von Amnesty International unter https://www.amnesty.org/en/documents/eur01/2077/2020/en/.

 

Situation von NGOs für Geflüchtete in Griechenland

Die Ankündigung, dass PIKPA und Kara Tepe vor einer unmittelbaren Schließung stehen, kommt zu einer Zeit, in der NGOs, die sich in Griechenland für Migrations- und Asylbelange einsetzen, zunehmend verunglimpft werden. Ein englischsprachiger Bericht von Amnesty International vom März 2020 belegt diese Entwicklung (https://www.amnesty.org/en/documents/eur01/1828/2020/en/).

Der Fall von Sarah Mardini und Sean Binder beweist, dass die Regierung versucht, Menschenrechtsverteidiger*innen, die Flüchtlinge und Migrant*innen unterstützen, strafrechtlich zu verfolgen. Im April 2020 führte die Regierung zudem neue, härtere Vorschriften für die Arbeitsweise und die Registrierung von NGOs ein, die sowohl die Versammlungsfreiheit als auch die Handlungsfähigkeit der Organisationen stark einschränken (siehe: https://www.amnesty.org/en/documents/eur25/2821/2020/en/). Die Behörden äußern sich mittlerweile offen feindselig gegen NGOs. So verglich der stellvertretende Migrations- und Asylminister Giorgos Koumoutsakos die Mitarbeiter*innen von NGOs mit "Blutegeln" (siehe: https://www.amnesty.org/en/documents/eur25/2821/2020/en/).

 

Allgemeine Situation in Griechenland

Griechenland ist eines der Hauptaufnahmeländer für Geflüchtete und Asylsuchende in Europa. Die EU hat in Griechenland ihr "Hotspot-Konzept" erprobt und große Aufnahme- und Identifikationszentren (Reception and Identification Centres, RIC) auf den fünf ägäischen Inseln eingerichtet. Seit der "Flüchtlingskrise" 2015 und nach dem EU-Türkei-Abkommen von 2016, welches dazu führte, dass Menschen, die auf den griechischen Inseln ankamen, dort festgehalten wurden, sind diese Zentren - insbesondere das Lager Moria in Lesbos - dauerhaft überbelegt und bieten äußerst schlechte Lebensbedingungen. Als Resultat dieser EU-Politik leben heute über 22.000 Menschen unter miserablen Bedingungen in den RICs, die eigentlich nur für rund 6.000 Menschen ausgelegt sind.

Ab dem 8. September 2020 zerstörten mehrere Brände das Lager Moria, wodurch die beinahe 13.000 Bewohner*innen obdachlos wurden. Seit Mitte September werden die Bewohner*innen in ein eilig eingerichtetes, provisorisches RIC in der Gegend von Kara Tepe gebracht. Unbegleitete Minderjährige, die zuvor in Moria gelebt hatten, wurden auf das griechische Festland verlegt. Die Lebensbedingungen im neuen provisorischen Lager sind unterdurchschnittlich und es gibt keine angemessenen Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Menschen.

Der griechische Migrations- und Asylminister ist die zentrale Autorität für alle Aspekte der Migrations- und Asylpolitik, darunter auch die Aufnahme- und Identifikationszentren sowie die Beziehungen mit NGOs und Dritten, die in diesen Feldern agieren. Seit Ende 2019 wirbt der Minister für die Zentralisierung des Aufnahmesystems in Griechenland, unter anderem durch die Einführung von geschlossenen und überwachten Zentren und durch die schrittweise Schließung von alternativen Unterkunftsstrukturen, wie z.B. die Unterbringung in Hotels auf dem griechischen Festland. Das provisorische RIC in Lesbos kann als erstes Beispiel der Umsetzung dieses Modells gesehen werden. Es werden bereits weitere Zentren auf anderen ägäischen Inseln eingerichtet, die die offenen Flüchtlingsunterkünfte langfristig ersetzen sollen.

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