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Tränengas wird oft als "harmlos" bezeichnet, ein Reizgas, das Menschen nur vorübergehend Schmerzen hinzufüge und keinen echten Schaden anrichte. Allerdings ist Tränengas alles andere als harmlos. Sein Missbrauch kann zu ernsthaften Verletzungen und sogar zum Tod von Menschen führen. Unsere Recherchen weltweit haben immer wieder gezeigt, wie der undurchsichtige und kaum regulierte globale Handel mit Tränengas Menschenrechtsverletzungen gegen friedliche Demonstrierende begünstigt.
Amnesty International und die Omega Research Foundation setzen sich seit mehr als zwanzig Jahren für eine stärkere Kontrolle der Produktion, des Einsatzes und des Handels von Tränengas und anderer, weniger tödlicher Waffen ein. Infolgedessen haben die UNO und regionale Gremien wie die EU und der Europarat die Notwendigkeit erkannt, den Export derartiger Waffen zu regulieren.
Oft wird suggeriert, dass Tränengas eine sichere Methode sei, um Teilnehmer*innen von gewalttätigen Protesten zu zerstreuen. Tränengas ist heute Teil des Arsenals vieler Sicherheitskräfte und zählt zur sogenannten "weniger tödlichen" Ausrüstung, also Waffen, die als Alternativen zu Schusswaffen gelten. Doch eine "nicht-tödliche" Waffe ist Tränengas nicht: Sein Einsatz ist zwar nicht zum Töten gedacht, aber dennoch besteht die Möglichkeit einer tödlichen Wirkung.
Wenn Tränengas zur Verfügung steht, kann es sein, dass die Polizei nicht auf den Einsatz von gefährlicheren Waffen zurückgreifen muss. In der Praxis setzen Sicherheitskräfte Tränengas jedoch auf eine Art und Weise ein, für die es nie gedacht war: in großen Mengen oder indem sie Projektile direkt auf Menschen abfeuern.
Tränengas verursacht ein brennendes Gefühl und bewirkt tränende Augen, Husten, Brustbeklemmung und Atemnot sowie Hautreizungen. In den meisten Fällen lässt die Wirkung innerhalb von 10 bis 20 Minuten nach. Allerdings wirkt Tränengas auf Menschen unterschiedlich, wobei Kinder, schwangere Frauen und ältere Menschen besonders gefährdet sind. Die Toxizitätswerte können je nach Produktspezifikationen, der verwendeten Menge und der Umgebung, in der es verwendet wird, variieren. Längerer Kontakt kann zu schweren Gesundheitsrisiken führen. Aufgrund der begrenzten veröffentlichten Forschung zu den Auswirkungen dieser Gase ist das volle Ausmaß ihrer Auswirkungen unbekannt. Weitere systematische Studien sind dringend erforderlich.
Analysen von Amnesty International zeigten in den vergangenen Jahren einen beunruhigenden weltweiten Trend zum weiträumigen, rechtswidrigen Einsatz von Tränengas. Amnesty International veröffentlichte Anfang Februar 2021 neue Recherchen zum Missbrauch von Tränengas bei Demonstrationen weltweit, darunter bei Protesten rund um die Wahl in Uganda, der Black-Lives-Matter-Bewegung in den USA und bei der Unterdrückung von Demonstrationen im Libanon.
"Der anhaltende Missbrauch von Tränengas durch Polizeikräfte auf der ganzen Welt ist rücksichtslos und gefährlich. Er führt häufig zu Verletzungen und manchmal sogar zum Tod von Menschen, die friedlich demonstrieren“, sagte Patrick Wilcken, Experte für Waffenhandel, Sicherheit und Menschenrechte bei Amnesty International, und sagt weiter:
„Viel zu oft wurde im Jahr 2020 friedlichen Demonstrant*innen mit Gewalt begegnet – dazu zählt auch der weit verbreitete, rechtswidrige Einsatz von Tränengas, der unter bestimmten Umständen Folter oder anderen Misshandlungen gleichkommen kann.“
Unsere aktuellen Recherchen sind ein weiterer Beweis dafür, dass Sicherheitskräfte diese Waffe weiterhin massiv missbrauchen.
Patrick Wilcken, Experte für Waffenhandel, Sicherheit und Menschenrechte
Zu den gesundheitlichen Bedenken, die vom U.S. Center for Disease Control and Prevention und von Physicians for Human Rights beschrieben wurden, zählen:
Trotz des weit verbreiteten Missbrauchs gibt es keine klaren internationalen Regelungen für den Handel mit Tränengas. Nur wenige Staaten informieren die Öffentlichkeit über die Menge und den Bestimmungsort von Tränengasexporten, was eine unabhängige Aufsicht erschwert.
Amnesty International und die Omega Research Foundation setzen sich seit mehr als zwanzig Jahren für eine stärkere Kontrolle der Produktion, des Einsatzes und des Handels von Tränengas und anderer, weniger tödlicher Waffen ein. Infolgedessen haben die UNO und regionale Gremien wie die EU und der Europarat die Notwendigkeit erkannt, den Export derartiger Waffen zu regulieren.
Nach diplomatischer Initiative auf höchster Ebene – mit Unterstützung von Amnesty International und Omega – prüft die UNO nun die mögliche Einführung internationaler Handelskontrollen für weniger tödliche Waffen und andere Güter, um Folter, andere Formen der Misshandlung sowie den Vollzug der Todesstrafe durch deren missbräuchlichen Einsatz zu verhindern. Wir setzen uns gemeinsam mit Omega dafür ein, Tränengas und andere Mittel zur Bekämpfung von Unruhen in diese Maßnahmen einzubeziehen.
Die interaktive Website „Tear Gas: An Investigation“ wurde im Februar 2021 mit neuen Analysen aktualisiert. Sie startete Mitte 2020 und enthält mittlerweile Videos von mehr als 100 Vorfällen von Tränengasmissbrauch aus 31 Ländern und Territorien.
Open-Source-Recherchen
Das Evidence Lab von Amnesty International untersuchte den Missbrauch von Tränengas weltweit, hauptsächlich über Videos, die auf Social-Media-Plattformen wie Facebook, YouTube und Twitter gepostet wurden. Mit Hilfe von Open-Source-Untersuchungsmethoden haben wir fast 500 Videos ausgewertet und konnten dabei für fast 80 Ereignisse in 22 Ländern und Gebieten, bei denen Tränengas missbraucht wurde, den Ort, das Datum und die Authentizität nachweisen. Durchgeführt wurde die Analyse vom Digital Verification Corps von Amnesty International, einem Netzwerk aus Studierenden an sechs Universitäten auf vier Kontinenten, die in der Beschaffung und Überprüfung von Inhalten aus sozialen Medien geschult sind.
Neben Interviews mit betroffenen Demonstrierenden zeigt die Website auch ein in Zusammenarbeit mit SITU Research entstandenes Video, in dem die Wirkung von Tränengas analysiert, das Innenleben der Munition erläutert und gezeigt wird, dass eine missbräuchliche Verwendung zu Verstümmelung und Tod führen kann.
Wen betrifft Tränengasmissbrauch und welche gesundheitlichen Folgen zieht er nach sich? Die interaktive Website zeigt mit Hilfe von Expert*innen-Berichten, Videos und Stories, den weltweiten Missbrauch von Tränengas auf und warum uns das Thema alle angeht.
Amnesty International hat über 500 Videos von Tränengasmissbrauch in 31 Ländern und Territorien überprüft, von denen über 100 in einer interaktive Karte die verschiedenen Arten des Tränengasmissbrauchs veranschaulichen. Bitte beachte, dass einige der Inhalte für manche Menschen verstörend sein können.
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