Seit den Präsidentschaftswahlen im August 2020, bei denen sich Langzeitherrscher Alexander Lukaschenko zum Sieger erklärte, gehen die Menschen in Belarus für ihre Freiheit auf die Straße. Die Behörden reagieren mit exzessiver Gewalt auf die friedlich Demonstrierenden und versuchen, jeglichen Dissens zu unterdrücken. Verschiedene Gruppen der belarussischen Gesellschaft werden von der Regierung besonders ins Visier genommen, darunter Frauen, ältere Menschen, Journalist*innen, Künstler*innen und sogar Kinder. Die feministische Aktivistin Yuliya Mitskevich, die 89-jährige Demonstrantin Valyantsina und ihre 68-jährige Tochter Lyudmila, die Kulturschaffenden Vola Semchanka und Illya Yasinski und die beiden Jugendlichen Aleh und Piotr haben Amnesty ihre Geschichten erzählt.
Frauen an der Spitze im Kampf für Menschenrechte
Frauen, die bei den Protesten in Belarus eine wichtige Rolle spielen, sind Repressalien und Drohungen ausgesetzt. Die Repressionen der belarussischen Behörden richten sich überproportional oft gegen Frauen, die sich politisch betätigen oder die Angehörige von politischen Aktivist*innen sind. Aktivistinnen berichteten Amnesty International, dass ihnen vorgeworfen wird, „schlechte Mütter“ und „schlechte Ehefrauen“ zu sein, und dass die Behörden damit drohen, ihnen ihre Kinder wegzunehmen. Außerdem wurden sie in der Haft misshandelt und zu Gefängnisstrafen verurteilt, nachdem sie ohne rechtliche Grundlage strafrechtlich verfolgt worden waren.
„Swetlana Tichanowskaja, eine Präsidentschaftskandidatin, die ins Exil gezwungen wurde, Maria Kolesnikowa, ihre Stabschefin, die im Gefängnis sitzt, Marfa Rabkova, eine inhaftierte Menschenrechtsverteidigerin, und die Journalistinnen Katsyaryna Bakhvalava und Darya Chultsova, beide zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil sie eine Protestaktion per Livestream übertragen haben – das sind einige der vielen Frauen, deren Namen zum Synonym für den Kampf um Freiheit und Menschenrechte in Belarus geworden sind", sagte Aisha Jung, Kampagnenleiterin für Belarus bei Amnesty International. „In einer zutiefst patriarchalischen Gesellschaft mit endemischer häuslicher Gewalt riskieren die Frauen in Belarus alles, um für ihre Überzeugungen einzutreten. Die belarussischen Behörden kontern dagegen mit Maßnahmen, die sich gegen Aktivistinnen, ihre Organisationen und ihre Familien richten.“
Yuliya Mitskevich, eine feministische Aktivistin, die die Organisation für Gender Awareness Aktyunym Byts Faina leitet und Mitglied einer Untergruppe des oppositionellen Koordinationsrates Femgruppa ist, wurde am 20. Oktober 2020 vor dem Büro ihrer Organisation festgenommen.
Yuliya Mitskevich wurde wegen „Teilnahme an einer illegalen Versammlung“ angeklagt. Amnesty sagte sie jedoch, dass sie davon ausgehe, wegen ihrer Arbeit für Geschlechtergerechtigkeit verfolgt zu werden. Die Angehörigen der Polizei, die Yuliya Mitskevich festnahmen, und die Beamt*innen, die sie verhörten, forderten sie auf, eine Erklärung zu unterschreiben, in der sie zugab, dass sie in ihrer Rolle als Organisatorin an illegalen Aktionen teilgenommen habe.