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Ukraine/Russland: Amnesty fordert Untersuchung zum Einsatz von Antipersonenminen als mögliches Kriegsverbrechen

26. Juli 2024

Die unzähligen Antipersonenminen in den ehemals und aktuell von den russischen Streitkräften besetzten Gebiete in der Ukraine stellen eine tägliche tödliche Bedrohung für die Zivilbevölkerung dar. Amnesty International fordert eine unverzügliche, gründliche und unabhängige Untersuchung über deren Einsatz als mögliche Kriegsverbrechen. Die Ukraine hat sich selbst zu einer solchen Untersuchung verpflichtet, doch es ist nicht klar, ob diese eingeleitet wurde.

Dem Landminen-Monitor 2023 zufolge starben in der Ukraine im Jahr 2022 insgesamt 608 Menschen aufgrund von Landminen, mehr als in jedem anderen Land der Welt mit Ausnahme von Syrien. Die von humanitären Minenräumungsorganisationen in der Ukraine gesammelten Daten zeigen, dass die meisten Todesopfer auf Antipersonenminen zurückzuführen sind; dabei handelt es sich um unterschiedslos wirkende Waffen, die als solche im humanitären Völkerrecht verboten sind.

Die Minen sind über das gesamte ehemals und heute von russischen Truppen besetzte Gebiet der Ukraine verstreut. Sie stellen eine tägliche, tödliche Bedrohung für die Zivilbevölkerung dar. Einige wurden absichtlich in Wohnhäusern platziert, um Menschen zu verstümmeln und zu töten.

Patrick Thompson, Experte für die Ukraine bei Amnesty International

„Bei allen diesen Vorfällen muss wirksam untersucht werden, ob ein Kriegsverbrechen vorliegt. In jeder ehemals von Russland besetzten Region der Ukraine haben wir Beweise dafür gefunden, dass Zivilpersonen durch Antipersonenminen getötet und verletzt wurden, die die russischen Streitkräfte zurückließen.“

Antipersonenminen werden in der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Jahr 2022 und in geringerem Umfang seit 2014 regelmäßig eingesetzt. Nach dem russischen Rückzug aus den Verwaltungsregionen Mykolajiw, Cherson und Charkiw Ende 2022 stieg die Zahl der zivilen Opfer deutlich an, als die Zivilbevölkerung in ihre Häuser, Gehöfte und Bauernhöfe zurückkehrte.

Im März 2022 vertrieben die russischen Streitkräfte Oleksandr* (nicht sein richtiger Name) und seine Mutter aus ihrer Wohnung in Snihuriwka in der Region Mykolajiw. Nach dem Rückzug der russischen Militäreinheit im November 2022 Oleksandr in den Wohnblock zurück. Beim Betreten des Kellers trat er auf eine getarnte PFM-1-Antipersonenmine, die unter Holzdielen platziert worden war. Die Mine explodierte, Oleksandr stürzte und fiel dabei auf weitere getarnte Minen, die offenbar absichtlich platziert worden waren, um jeden, der das Gebäude betrat, zu verletzen oder zu töten. Dabei verlor er sein linkes Bein und seinen linken Arm.

Seine Geschichte ist kein Einzelfall. Expert*innen von Amnesty International dokumentierten weitere Vorfälle, bei denen russische Streitkräfte Antipersonenminen in Wohngebieten der Verwaltungsregionen Cherson und Charkiw platziert hatten. „Die Minenräumer*innen leisten jeden Tag mühsame und gefährliche Arbeit. Das größte Hindernis für die Beseitigung der Landminen in der Ukraine ist die anhaltende Aggression Russlands“, so Patrick Thompson. Amnesty International fordert, dass sich „die internationale Gemeinschaft zu nachhaltiger finanzieller und technischer Hilfe verpflichtet, um der Ukraine zu helfen, eine Gefahr zu beseitigen, die weiterhin Leben und Lebensgrundlagen zerstört.“

Außerdem „müssen alle Länder das weltweite Verbot des Einsatzes, der Herstellung, der Lagerung und der Weitergabe von Antipersonenminen einhalten. Es muss Schluss sein mit dem Einsatz solcher unterschiedslos wirkender Waffen“, so Thompson.

Amnesty-Recherche: Landminen in der Ukraine

  • Amnesty-Researcher Patrick Thompson interviewt in der ukrainischen Stadt Snihuriwka eine Mutter, deren Sohn durch eine russische Mine schwer verletzt wurde. Das Gesicht der Mutter wurde zum Schutz ihrer Identität unkenntlich gemacht.
  • Diesen Schuh trug ein ukrainischer Zivilist, als er in seinem Garten im ukrainischen Dorf Nova Hnylytsya auf eine russische PFM-1-Antipersonenmine trat (Aufnahme vom Mai 2024).
  • Die Expert*innen Patrick Thompson und Anna Wright vor einer zerstörten Schule in der Oblast Mykolajiw.

Russischer Einmarsch in die Ukraine

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