Deine Spende wird heute verdoppelt
Jede Spende bis zum 31. Dezember wird verdoppelt. So entfaltet dein Beitrag doppelte Wirkung und schützt weltweit die Rechte von Menschen in Gefahr.
Die Rhetorik des Hasses und der Ausgrenzung hat dramatische Konsequenzen für Menschen auf der ganzen Welt: Die Diskriminierung von bestimmten Gruppen droht in vielen Ländern Normalität zu werden. Millionen bleiben fundamentale Rechte – etwa Zugang zu Nahrung, sauberes Wasser, Unterkünfte oder politische Teilhabe – verwehrt. Repressive Gesetze und Einschränkungen in der Zivilgesellschaft höhlen hart erkämpfte Rechte aus. Gleichzeitig haben Diskriminierung und soziale Ungerechtigkeit letztes Jahr viele Menschen dazu inspiriert, ihre und die Rechte anderer einzufordern.
Der Amnesty International Jahresbericht 2017/18 umfasst 159 Länder und liefert die umfassendste Analyse der aktuellen Menschenrechtssituation weltweit.
Von Myanmar über Syrien und den Yemen bis in die Türkei schaffen es Regierungen nicht, Verbrechen gegen die Menschlichkeit klar zu verurteilen und zu bekämpfen.
Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich
„Dabei sind sie mehr denn je gefordert, die Rechte aller zu verteidigen. Denn Menschenrechte sind der Kitt der Gesellschaft: Wer an ihm kratzt, bringt den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Gefahr", sagt Schlack.
Selbst in Österreich sei dieser Kitt in Gefahr, sagt Schlack. Auch die neue Regierung scheut nicht davor zurück, fundamentale, hart erkämpfte Rechte auszuhöhlen und Menschen gegeneinander aufzuhetzen.
Amnesty International Österreich liegen neue, noch inoffizielle Pläne für das Versammlungsrecht in Österreich vor, die offenbar dazu dienen sollen, kritische Stimmen mundtot zu machen. Beispielsweise soll es absolute Versammlungsverbote durch Verordnung im Vorhinein geben.
„Das ist ganz klar mit der Verfassung und den Menschenrechten nicht vereinbar“, sagt Schlack. „Die bestehenden Regelungen zum Versammlungsrecht sind vollkommen ausreichend. Wer mit schwammigen Formulierungen versucht, am Versammlungsrecht herumzudoktern, tritt ein hart erworbenes Recht mit Füßen.“
Justizskandal: Abschiebungen auf Basis eines unwissenschaftlichen Gutachtens Ein Amnesty-Bericht belegte 2017: Afghanistan ist nicht sicher. Und trotzdem schicken Regierungen nach wie vor Menschen zurück in die Gefahr - mit dabei auch Österreich. Dabei verdichten sich die Hinweise, dass das Gutachten, mit dem österreichische Behörden abweisende Entscheidungen begründen, unwissenschaftlich ist und die Informationen des zugezogenen Sachverständigen intransparent und nicht überprüfbar sind.
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass ein Verfahren eingeleitet wurde, in dem überprüft werden soll, ob der Sachverständige überhaupt die gesetzlichen Voraussetzungen eines Sachverständigen erfüllt. „Das ist – angesichts der Menge von Verfahren, in denen das unwissenschaftliche Gutachten bereits Entscheidungsgrundlage gewesen ist – ein später, aber dennoch wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, sagt Schlack.
„Sollte sich herausstellen, dass der Gutachter nicht fähig ist, die Lage in Afhanistan richtig einzuschätzen, dann muss er abgesetzt werden. Und es müssen die Asylverfahren, die unter anderem aufgrund seines Gutachtens abgelehnt wurden, neu aufgerollt werden. Es geht um Menschen, der der Zugang zu Schutz verwehrt wurde. Und es geht nicht zuletzt um Qualitätssicherung in unserem Justizsystem. Sachverständige leisten einen wichtigen Beitrag für rechtsstaatliche Entscheidungen in vielen Bereichen - umso wichtiger ist, dass sie fachkundig und vertrauenswürdig arbeiten“, sagt Schlack.
Der Kampf um die Meinungsfreiheit dürfte 2018 das zentrale Thema werden. Führende Politiker*innen sind offensichtlich bereit, Falschnachrichten zu verbreiten, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. Hinzu kommen folgenschwere Angriffe auf etablierte Institutionen, die zur Kontrolle der Macht dienen.
„Auch in Österreich gibt es Tendenzen, Institutionen abzuwerten, zu diskreditieren und anzugreifen, die eine wichtige Kontrollfunktion gegenüber den Mächtigen haben. Berichte unserer internationalen Kolleg*innen – etwa in der Türkei, Ungarn oder auf den Philippinen – zeigen, wohin das führen kann“, sagt Schlack.
„Anstatt fragwürdige Bilder auf Facebook oder Worthülsen in den Medien zu verbreiten, sollte die Regierung endlich klarstellen, wie sie die offenen Punkte in Bezug auf Menschenrechte angehen und wie sie den Raum für zivilgesellschaftliches Engagement stärken will. Von dringend notwendigen Reformen im Maßnahmenvollzug über die umgehende Umsetzung des Erwachsenenschutzgesetzes, die Sicherstellung der Unabhängigkeit der Medien bis hin zu einem menschenrechtskonformen Asylrecht und nicht zuletzt gesellschaftlichem Zusammenhalt – zu tun gäbe es genug“, sagt Schlack.
In Myanmar, wo die beispiellose Militärkampagne gegen das Volk der Rohingya Hunderttausende Menschen zur Flucht gezwungen hat, wurde letztes Jahr deutlich, wohin eine Politik der Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung führt: „Das, was in Myanmar passiert, ist Apartheid“, sagt Schlack. Im November 2017 veröffentlichte Amnesty International einen ausführlichen Bericht über die brutale Gewaltkampagne des Militärs, die im vergangenen Jahr 688.000 Rohingya zur Flucht gezwungen hat.
In Venezuela und im Iran zeigte sich, welch enorme Sprengkraft soziale Unzufriedenheit hat. „Diese Staaten haben jahrzehntelang versagt, grundlegende Dinge wie Nahrung, Wasser oder politische Teilhabe sicherzustellen“, sagt Schlack. „Ein Warnsignal, das sich Regierungen weltweit zu Herzen nehmen sollten: Denn wenn sie nicht erkennen, was hinter den Protesten der Menschen steht, dann wird dies letztlich ihr eigenes Verderben sein.“
2017 wurden Hunderte Menschenrechtsverteidiger*innen getötet. Auch der Druck auf Medienschaffende stieg: Die meisten Journalist*innen wurden in der Türkei, Ägypten und China festgenommen. In China starb letztes Jahr der Nobelpreisträger Liu Xiaobo, nachdem er wegen Kritik an der Regierung inhaftiert worden war. In der Türkei wurden der Vorstandsvorsitzende und die Direktorin von Amnesty International Türkei in Untersuchungshaft genommen – ein bislang einmaliger Vorgang in der Geschichte von Amnesty.
„Die schwachen Reaktionen auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit zeigen, wie wenig Verantwortung die Staatengemeinschaft beim Schutz der Menschenrechte übernimmt. Auch in Europa drehen Regierungen das Rad der Zeit schamlos zurück und machen menschenrechtliche Errungenschaften, die über Jahrzehnte mühsam erkämpft wurden, zunichte“, sagt Schlack. Zum Beispiel in Polen, wo die Frauenrechte unter Beschuss stehen und friedlich Demonstrierende eingeschüchtert, überwacht und strafrechtlich verfolgt werden.
Oder in Ungarn, wo erst vor wenigen Tagen ein neues Gesetz eingebracht wurde. Es könnte die Zivilgesellschaft massiv einschränken und die Existenz von Organisationen bedrohen, die in Ungarn wichtige Arbeit leisten – davon betroffen ist auch die Menschenrechtsarbeit von Amnesty International Ungarn. „Das, was in unserem Nachbarland gerade passiert, ist ein beispielloser Frontalangriff auf die Zivilgesellschaft, den auch wir in Österreich sehr ernst nehmen müssen“, sagt Schlack. „Wir fordern, dass das Gesetz zurückgenommen wird und dass die europäische Gemeinschaft diesem Angriff auf die Zivilgesellschaft entschieden entgegentritt.“
Als Reaktion auf das neue Gesetz hat Amnesty International einen Solidaritätsappell aufgesetzt, der bisher von über 250 Organisationen weltweit unterzeichnet wurde. Gemeinsam stellen sie sich an die Seite der ungarischen Zivilgesellschaft.
Die letzten Monate zeigten aber auch eines deutlich: Repressive Gesetze und Einschränkungen in der Zivilgesellschaft inspirieren immer Menschen, sich für soziale Gerechtigkeit, Würde und Freiheit einzusetzen – zum Beispiel in Polen, Chile oder die „Ni Una Menos“-Bewegung in Lateinamerika. Der Widerstand gegen die rückwärtsgerichtete und diskriminierende Politik vieler Regierungen wächst.
Der Einsatz für Menschenrechte zeigt konkret Wirkung: In Chile wurden beispielsweise auf Druck von Aktivist*innen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert. Und in Österreich sollen ab 2019 gleichgeschlechtliche Paare heiraten dürfen – eine Forderung, die Amnesty International Österreich seit Jahren unterstützt.
„Diese Fortschritte sind nicht selbstverständlich. Wir müssen unsere Rechte immer wieder aufs Neue verteidigen und einfordern. Jeden Tag“, sagt Schlack. „Das Schöne ist: Menschenrechtsverteidiger*innen auf der ganzen Welt können sich darauf verlassen, dass andere für sie aufstehen – selbst wenn Regierungen versagen, sie und ihre Arbeit zu schützen und zu fördern.“