Wahllose und gezielte Schüsse auf Demonstrierende
Obwohl internationale Menschenrechtsstandards den Einsatz von Schusswaffen mit tödlicher Munition zur Kontrolle von Demonstrationen verbieten, deuten die Informationen darauf hin, dass die Polizei und die Armee in mehreren Fällen zu diesem Mittel griffen, um Demonstrationen aufzulösen, selbst wenn keine offensichtliche Gefahr für das Leben anderer bestand. Die Proteste verliefen größtenteils friedlich, aber es gab einige Fälle von gezielter Gewalt durch Demonstrierende, u.a. wurden Steine mit selbstgebauten Schleudern und Feuerwerkskörper geworfen. Die vorliegenden Beweise deuten jedoch darauf hin, dass die Polizei und Armee wahllos und in einigen Fällen gezielt geschossen und dabei Umstehende, Demonstrierende und Personen, die Verletzten Erste Hilfe leisteten, getötet oder verletzt haben.
Neben Schusswunden hat Amnesty International bei der Analyse von Bildern auch zahlreiche Verletzungen durch Streumunition festgestellt. Diese unpräzise Munition, bei der mit jedem Schuss mehrere Projektile freigesetzt werden, ist für die Sicherung von Demonstrationen absolut ungeeignet. Seit Beginn der Krise wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei Protesten mehr als 1.200 Personen verletzt und 580 Polizist*innen verwundet.
Langsame und unzureichende Ermittlungen
Amnesty International hat mit Opfern gesprochen und offizielle Informationen eingeholt, die darauf hinweisen, dass die Generalstaatsanwaltschaft zwar einige wichtige Maßnahmen ergriffen hat, dass aber fast zwei Monate nach den Ereignissen immer noch keine zentralen Ermittlungsschritte erfolgt sind. So wurden weder Sachverständigengutachten durchgeführt noch Zeug*innenaussagen aufgenommen. In einigen Fällen wurde die Beweismittelkette nicht lückenlos dokumentiert, was eine wirklich unparteiische und gründliche Ermittlung verhindert.
"Die schwere Menschenrechtskrise, in der sich Peru befindet, wurde durch Stigmatisierung, Kriminalisierung und Rassismus gegenüber indigenen Völkern und kleinbäuerliche Bevölkerung verschärft. Diese wird mit Gewalt dafür bestraft, dass sie auf die Strasse geht, um ihr Recht auf freie Meinungsäusserung und friedliche Versammlung wahrzunehmen. Diese weit verbreiteten Angriffe auf die Bevölkerung führen zu einer klaren strafrechtlichen Verantwortung der Behörden, was deren Handeln betrifft, wie auch ihre Unterlassung, die Repression zu beenden – und zwar bis in die höchste Regierungsebene", sagt Erika Guevara-Rosas und sagt weiter:
"Wir fordern Interimspräsidentin Dina Boluarte und die übrigen Staatsorgane erneut auf, die Repression zu beenden und auf die legitimen Forderungen der Protestierenden einzugehen. Die Behörden müssen ihrer Verpflichtung nachkommen, alle von den Sicherheitskräften begangenen Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen."