Österreich: Einsatz von Gesichtserkennung verstößt gegen Menschenrechte
4. Mai 2021Zusammenfassung
- Amnesty fordert mit neuer Kampagne das Verbot von Gesichtserkennungstechnologie zur Strafverfolgung in Österreich
- Massiver Eingriff in das Recht auf Privatsphäre und hohes Risiko, bereits marginalisierte Gruppen zu diskriminieren
- Einsatz kann Menschen vor der Teilnahme an Demonstrationen abschrecken und bedroht daher Recht auf Versammlungs- und Meinungsäußerungsfreiheit
- Download Bericht zu Gesichtserkennung in Österreich; Kampagnenwebsite „Dein Gesicht gehört dir: Stoppt Gesichtserkennung in Österreich!”
Der Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie ist gefährlich und birgt mehr Gefahren, als ihr Nutzen für die Sicherheit der Menschen rechtfertigen kann. Amnesty International Österreich startet daher heute die neue Kampagne „Dein Gesicht gehört dir: Stoppt Gesichtserkennung in Österreich!” und fordert das Verbot des Einsatzes von Gesichtserkennungstechnologie zur Strafverfolgung.
„Unsere Sicherheit ist ein hohes Gut, das der Staat schützen muss. Der Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie macht die Menschen in Österreich jedoch nicht viel sicherer, aber sehr viel unfreier. Für Erleichterungen in der polizeilichen Ermittlungsarbeit zahlen wir alle einen zu hohen Preis. Gesichtserkennung bedroht unsere Rechte in einem Maß, das ihr Nutzen nicht aufwiegen kann”, so Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich und sagt weiter:
Gesichtserkennungstechnologie kann das Recht auf friedlichen Protest und freie Meinungsäußerung bedrohen und sich auch diskriminierend auswirken. Ihr Einsatz ist nicht mit unseren Menschenrechten vereinbar und muss daher verboten werden!
Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich
Gesichtserkennung greift massiv in Menschenrechte – insbesondere in das Recht auf Privatsphäre – ein. Das zeigt der aktuelle Amnesty-Bericht über die menschenrechtlichen Risiken zum Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie in Österreich.
Fehleranfällig und Risiko der Diskriminierung
Die Technologie ist fehleranfällig und kann unter anderem zu Diskriminierung bereits marginalisierter Gruppen führen. Die Systeme erkennen manche Gesichter in Abhängigkeit von bestimmten Schlüsselmerkmalen wie Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit oder Geschlecht genauer als andere. Ihr Einsatz kann Menschen auch vor der Teilnahme an Demonstrationen abschrecken und bedroht damit das Recht auf Versammlungs- und Meinungsäußerungsfreiheit.
Amnesty International warnt vor einer schrittweisen Ausweitung des Einsatzes von Gesichtserkennungstechnologie in Österreich, die im schlimmsten Fall zur Massenüberwachung führen kann, und fordert ein Verbot in Österreich und weltweit. Gesichtserkennungstechnologie zu Identifizierungszwecken soll weder eingesetzt, entwickelt, produziert noch verkauft und exportiert werden dürfen.
Keine klare gesetzliche Grundlage in Österreich
Der aktuelle Bericht von Amnesty International über die menschenrechtlichen Risiken zum Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie in Österreich zeigt: Nicht nur der schleichende Übergang in den Regelbetrieb ist besorgniserregend. Es gibt derzeit auch keine ausreichende rechtliche Grundlage für den Einsatz der Technologie. Nach einer einjährigen Testphase ist seit August 2020 Gesichtserkennung zur Strafverfolgung in Österreich im Regelbetrieb.
Das Innenministerium veröffentlichte erst nach parlamentarischen Anfragen Informationen über den Einsatz der Gesichtserkennungssoftware in Österreich. Sie wird laut Innenministerium derzeit vom Bundeskriminalamt zur Ermittlung von vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlungen eingesetzt – unabhängig der Strafhöhe eines Deliktes. Mithilfe der Software sollen Bilder eines Gesichtes, wie zum Beispiel Fotos aus Überwachungskameras, mit den Fotos einer Referenzdatenbank der Sicherheitsbehörden („Zentrale Erkennungsdienstliche Evidenz“) abgeglichen werden. Diese umfasst derzeit etwa 600.000 Personen.
Weltweit verstärkter Einsatz trotz Missbrauchspotential
Immer mehr Länder setzen Gesichtserkennungstechnologie zur Überwachung des öffentlichen Raums ein – vor allem mit dem Argument, die nationale Sicherheit zu schützen. Verdächtige sollen rasch identifiziert und überwacht werden. Derzeit wird in mindestens zehn EU-Mitgliedstaaten Gesichtserkennungstechnologie von der Polizei eingesetzt.
In China wird die Technologie zur Überwachung der muslimischen Minderheit der Uigur*innen eingesetzt – auch mit Technologie aus EU-Staaten, wie ein Bericht von Amnesty International zeigt. In Russland setzte die Polizei bei den jüngsten Protesten Gesichtserkennung ein, um friedlich Protestierende zu identifizieren und zu verfolgen.
In den USA wurde im Zuge der Black-Lives-Matter-Proteste das Missbrauchspotential der Technologie kritisiert. Daraufhin kam es in zahlreichen Städten in den Vereinigten Staaten zu einem Verbot von Gesichtserkennung.
Mit der internationalen Kampagne „Ban the Scan” wirft Amnesty ein Schlaglicht auf den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie weltweit: Im Jänner veröffentlichte Amnesty Recherchen zu den diskriminierenden Auswirkungen der Technologie in New York City.