Myanmar: Apartheid im Bundesstaat Rakhine
21. November 2017Rohingya in Myanmar werden seit Jahrzehnten systematisch diskriminiert und ausgegrenzt
Die anhaltende Krise in Myanmar, die im Sommer 2017 in ethnischen Säuberungen durch Myanmars Militär gipfelte und knapp 700.000 Menschen zur Flucht nach Bangladesch drängte, ist das Ergebnis jahrzehntelanger systematischer Diskriminierung und Ausgrenzung der Rohingya. Das zeigt der Amnesty-Bericht „Caged without a roof: Apartheid in Myanmar’s Rakhine State“. Über einen Zeitraum von zwei Jahren wurden in Myanmar über 200 Interviews geführt. Außerdem wurden relevante Gesetze, Verordnungen und Berichte sowie Fotografien und Videomaterial ausgewertet.
Die Rohingya in Myanmar werden in allen Bereichen ihres Lebens unterdrückt und zu Menschen zweiter Klasse gemacht. Die Behörden halten Rohingya-Frauen, -Männer und -Kinder in einem menschenverachtenden System der Apartheid. Die Repression hat sich in den letzten Jahren nur noch mehr verschärft.
Anna Neistat, Leiterin der Research-Abteilung bei Amnesty International
Der Bericht zeigt, dass Repressionen gegen die Rohingya seit 2012 drastisch zugenommen haben. „Der Bundesstaat Rakhine ist für die dort lebenden Rohingya wie ein Gefängnis unter freiem Himmel. Sie leben zusammengepfercht und von der Außenwelt abgeschnitten. Teilweise dürfen Rohingya ihren Wohnort nur mit Genehmigung verlassen oder ausschließlich andere muslimische Dörfer aufsuchen. Zum Teil sind ganze Straßen für sie gesperrt“, sagt Neistat.
Auch von der Gesundheitsversorgung und dem Bildungssystem sind die Rohingya weitgehend ausgeschlossen. Aufgrund der Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit können sie lokale Krankenhäuser oft nicht erreichen. Das beste Krankenhaus in Rakhine dürfen Rohingya nur in extremen Notfällen betreten. Sie werden dort in separaten Bereichen behandelt und polizeilich bewacht.
Seit 2012 dürfen viele Kinder zudem keine staatlichen Schulen besuchen. Im mehrheitlich von Muslim*innen bewohnten Gebiet gibt es zu wenig Lehrer*innen. Auch von Handelsrouten und Märkten werden Rohingya ausgeschlossen. Unterernährung und ein Leben in Armut sind für sie zur Norm geworden. Zudem sind die meisten Rohingya staatenlos, da ein Gesetz ihnen seit 1982 aufgrund ihrer Ethnie die Staatsbürgerschaft verwehrt. Auch andere Formen der Identifikation werden zunehmend erschwert. Vor diesem Hintergrund scheint eine Rückkehr der inzwischen 700.000 Vertriebenen illusorisch.
Rakhine ist ein Tatort. Das war bereits lange vor den ethnischen Säuberungen durch Myanmars Militär im Sommer 2017 der Fall. Dieses verabscheuungswürdige System der Diskriminierung und Segregation durchdringt jeden Aspekt des Lebens der Rohingyas.
Anna Neistat, Leiterin der Research-Abteilung bei Amnesty International
„Die Behörden können sich nicht auf Argumente über die Notwendigkeit von ‘Sicherheit‘ berufen oder den ‘Terrorismus‘ bekämpfen. Die Unterdrückung ist rechtswidrig und völlig unverhältnismäßig. Verbrechen gegen die Menschlichkeit können niemals gerechtfertigt werden - sei es als angebliche Sicherheitsmaßnahmen oder auf einer anderen Grundlage", sagt Neistat.
Das systematische Vorgehen von Myanmars Behörden gegen die Rohingya entspricht der Definition von Apartheid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Amnesty International fordert die Behörden von Myanmar auf, das System der Apartheid zu beenden, alle Gesetze, mit denen die Rohingya unterdrückt werden, aufzuheben und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Auch Hilfsorganisationen müssen dringend Zugang zu allen Gebieten im Bundesstaat Rakhine bekommen. Die internationale Gemeinschaft muss dafür sorgen, dass Entwicklungsgelder nicht das System der Apartheid festigen.