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Tausende Arbeitsmigrant*innen in Katar warten immer noch auf ausstehende Gehälter und Entschädigungen – obwohl die Regierung zugesichert hat, Arbeitnehmer*innenrechte zu stärken. Das zeigt der neue Amnesty-Bericht All work, no pay: The struggle of Qatar’s migrant workers for justice, der heute veröffentlicht wird.
Seit März 2018 haben Hunderte Arbeitsmigrant*innen, die für drei verschiedene Bau- und Reinigungsfirmen tätig waren, die Hoffnung auf Gerechtigkeit aufgegeben. Sie sind mittellos in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt. Und das, obwohl die katarischen Behörden gemäß ihren Reformversprechen im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 neue Gerichte für Arbeitsstreitigkeiten eingerichtet haben.
„Katar hat im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 nicht unerhebliche Reformzusagen gemacht. Dennoch tummeln sich dort nach wie vor zahlreiche skrupellose Arbeitgeber*innen“, sagt Stephen Cockburn, stellvertretender Leiter der Abteilung Globale Themen bei Amnesty International, und sagt weiter:
"Arbeitsmigrant*innen zieht die Aussicht auf ein besseres Leben für ihre Familien nach Katar. Doch viele von ihnen kehren mittellos nach Hause zurück, nachdem sie monatelang versucht haben, ihre Löhne einzufordern. Die Systeme, die ihnen eigentlich dabei helfen sollten, bieten viel zu wenig Unterstützung."
Wir fordern die katarischen Behörden auf, ihre Versprechen umfassend einzulösen. Die schändliche Ausbeutung von Menschen muss sofort beendet werden.
Stephen Cockburn, stellvertretender Leiter der Abteilung Globale Themen bei Amnesty International
Die Arbeitsgerichte sind überbeansprucht und unterbesetzt. Arbeiter*innen warten oftmals monatelang, bis ihr Prozess fortgesetzt wird. Selbst wenn eine Entschädigung gewährt wird, wird sie häufig nicht ausgezahlt. Auch der Fonds zur Unterstützung von Arbeiter*innen, der im Oktober 2018 angekündigt wurde, ist bisher noch nicht einsatzfähig.
„Arbeitsmigrant*innen in Katar stehen allzu oft vor der unmöglichen Wahl: Entweder müssen sie lange und potenziell erfolglose Gerichtsverfahren anstreben, oder sie kehren ohne die dringend benötigten Gehälter zu ihren Familien zurück. Wir fordern die katarischen Behörden auf, ihre Versprechen umfassend einzulösen. Die schändliche Ausbeutung von Menschen muss sofort beendet werden“, sagt Stephen Cockburn.
Seit März 2018 dokumentiert Amnesty International die Suche nach Gerechtigkeit von mehr als 2.000 Menschen, die bei Hamton International, Hamad bin Khaled bin Hamad (HKH) und United Cleaning angestellt waren. Die Firmen blieben den Arbeiter*innen mehrere Monatslöhne schuldig. Sie begründeten das mit finanziellen Schwierigkeiten. Schließlich stellten sie den Betrieb ein und kündigten die Arbeiter*innen. Die Unternehmen waren für mehrere Bauprojekte und Reinigungsaufträge verantwortlich.
Mindestens 1.620 dieser Arbeiter*innen sind mit Beschwerden vor die neuen Gerichte für Arbeitsstreitigkeiten gezogen. Diese Gerichte waren im März 2018 als Teil der Reformversprechen von Katar eingerichtet worden, um in Zusammenarbeit mit der Internationalen Arbeitsorganisation die Arbeitnehmerrechte zu stärken. Im Jahr 2018 wurden laut eines Berichts des US-Außenministeriums mehr als 6.000 Beschwerden eingereicht.
Einigen Beschwerdeführer*innen wurde schließlich ein Teil der ausstehenden Löhne ausgezahlt. Im Gegenzug mussten sie ihre Anzeigen fallen lassen. Die meisten von ihnen erhielten jedoch keinen Cent und mussten mittellos nach Hause zurückkehren. Eine Entschädigung erhielt niemand.
Das katarische Arbeitsministerium sagte Amnesty International, man habe bei vielen dieser Schlichtungen geholfen und zudem Nahrungsmittel und Stromaggregate für die Lager der Arbeiter*innen bereitgestellt.
Das katarische Recht sieht vor, dass Arbeitsgerichte innerhalb von sechs Wochen nach Erhebung einer Beschwerde ihr Urteil zu fällen haben. Allerdings haben Recherchen von Amnesty International ergeben, dass die Urteile in der Regel drei bis acht Monate auf sich warten ließen.
In der Zwischenzeit müssen die Betroffenen ohne Einkommen in Arbeitslagern ausharren, wo sie weder Zugang zu ausreichender Lebensmittelversorgung noch zu fließendem Wasser haben.
Abgesehen von der Aussicht auf einen langatmigen Beschwerdeprozess müssen sich die Arbeiter*innen auch darauf einstellen, dass selbst bei einem günstigen Urteilsspruch nicht notwendigerweise eine Entschädigung gewährt wird.
Oft müssen die Betroffenen noch zusätzlich vor ein Zivilgericht ziehen, um ihre Arbeitgeber*innen zur Auszahlung der ihnen zustehenden Entschädigung zu bringen. Dies führt zu weiteren Verzögerungen und finanziellen Auslagen – und endet meist ohne Erfolg.
„Bei jeder Anhörung passiert dasselbe, der Richter fordert mich immer wieder auf, zu neuen Terminen zu erscheinen. Ich zahlte Geld für Taxis zum Gericht und wieder zurück... Ich musste auch auf meiner neuen Arbeitsstelle um Ferien bitten, um vor Gericht zu erscheinen“, sagte Roy, ein ehemaliger HKH-Angestellter aus den Philippinen.
Im Oktober 2018 kündigte Katar die Einrichtung eines Fonds zur Unterstützung und Versicherung von Arbeitnehmer*innen an. Beinahe ein Jahr später und trotz des dringenden Bedarfs ist dieser Fonds immer noch nicht finanziert und einsatzfähig.
In Katar leben etwa zwei Millionen Arbeitsmigrant*innen, doch das Land hält internationale Arbeitsnormen nicht ein. Amnesty International hat Katar bereits mehrfach aufgefordert, das ausbeuterische Kafala-System abzuschaffen. Unter diesem System sind Arbeiter*innen bis zu fünf Jahre lang an ihre Arbeitgeber*innen gebunden. Bestimmte Personengruppen, wie z. B. Hausangestellte, dürfen das Land nicht verlassen, ohne die Erlaubnis ihres Arbeitgebers einzuholen.
„Die zwei Millionen Arbeitsmigrant*innen, die das Grundgerüst der katarischen Wirtschaft darstellen, haben das Recht, fair behandelt zu werden und Gerechtigkeit zu erhalten, wenn ihre Rechte verletzt werden“, sagt Stephen Cockburn.
„Wenn Katar die Rechte von Arbeitnehmer*innen wirklich wie zugesichert stärken möchte, dann müssen mehr Richter*innen eingesetzt werden, damit diese Fälle zügig verhandelt werden können. Außerdem muss der Unterstützungsfonds finanziert und sichergestellt werden, dass Unternehmen für Verfehlungen zur Rechenschaft gezogen werden.“
Amnesty International hat allen drei Firmen die Ergebnisse ihrer Recherchearbeit präsentiert, jedoch keine Antwort erhalten.