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In Ägypten werden Menschen, die vor dem Konflikt aus dem Sudan fliehen, in hohen Zahlen willkürlich festgenommen und rechtswidrig abgeschoben. Dies zeigt ein aktueller Bericht von Amnesty International. Im Vorfeld des Weltflüchtlingstags fordert die Menschenrechtsorganisation nun die ägyptischen Behörden auf, diese Praktiken umgehend einzustellen.
Unter dem Titel “Handcuffed like dangerous criminals”: Arbitrary detention and forced returns of Sudanese refugees in Egypt wird aufgezeigt, dass Tausende sudanesische Geflüchtete willkürlich festgenommen und daraufhin kollektiv aus Ägypten in den Sudan abgeschoben werden, obwohl dort ein Konflikt tobt. Laut Schätzungen des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) waren es allein im September 2023 rund 3.000 Menschen. Die Betroffenen haben weder die Chance auf ein ordnungsgemäßes Verfahren noch die Möglichkeit, Asyl zu beantragen. Dies verstößt auf eklatante Weise gegen das Völkerrecht.
„Es ist unfassbar, dass sudanesische Frauen, Männer und Kinder, die vor dem bewaffneten Konflikt in ihrem Land fliehen und sich über die Grenze nach Ägypten in Sicherheit bringen wollen, massenhaft zusammengetrieben und willkürlich unter elenden und unmenschlichen Bedingungen festgehalten werden, bevor sie rechtswidrig abgeschoben werden“, sagte Sara Hashash, stellvertretende Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International.
Jahrzehntelang beherbergte Ägypten Millionen Sudanes*innen, die im Land studierten, arbeiteten, investierten und medizinische Versorgung erhielten, wobei sudanesische Frauen und Mädchen sowie Jungen unter 16 Jahren und Männer über 49 Jahren von den Einreisebestimmungen ausgenommen waren. Seit Ausbruch des bewaffneten Konflikts im Sudan im April 2023 sind schätzungsweise 500.000 sudanesische Geflüchtete nach Ägypten gekommen. Im Mai 2023 führte die ägyptische Regierung jedoch eine Visumspflicht für alle sudanesischen Staatsangehörigen ein, sodass Flüchtende sich gezwungen sahen, die Grenze ohne Einreisegenehmigung zu übertreten.
Der Amnesty-Bericht dokumentiert detailliert, wie 27 sudanesische Geflüchtete zwischen Oktober 2023 und März 2024 zusammen mit etwa 260 weiteren Personen von den ägyptischen Grenzschutztruppen, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sowie von der Polizei, die dem Innenministerium untersteht, willkürlich festgehalten wurden. Darüber hinaus wird aufgezeigt, wie die Behörden zwischen Januar und März 2024 mindestens 800 sudanesische Gefangene abschoben, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, Asyl zu beantragen oder die Ausweisung anzufechten. Auch zum UNHCR hatten die Betroffenen keinen Zugang.
Der Welle von Massenfestnahmen und -abschiebungen ging ein Erlass des Premierministers vom August 2023 voraus, der von ausländischen Staatsangehörigen in Ägypten verlangte, ihren Status zu regeln. Gleichzeitig nahmen rassistische Äußerungen sowohl im Internet als auch in den Medien zu, und Regierungsvertreter*innen kritisierten immer offener die wirtschaftliche „Belastung“, die durch die Aufnahme von „Millionen“ Geflüchteter entstehe.
Hinzu kommt, dass das Land in den Bereichen Migration und Grenzkontrolle immer enger mit der Europäischen Union (EU) zusammenarbeitet, obwohl Ägypten eine miserable Menschenrechtsbilanz aufweist und die Menschenrechtsverstöße gegen Geflüchtete und Migrant*innen gut dokumentiert sind.
Im Oktober 2022 unterzeichneten die EU und Ägypten eine Kooperationsvereinbarung in Höhe von 80 Mio. Euro, die u. a. den Ausbau der Kapazitäten der ägyptischen Grenzschutztruppen zur Eindämmung der „irregulären Migration“ und des Menschenhandels an der ägyptischen Grenze vorsieht. Die Vereinbarung wendet vorgeblich „rechtebasierte, schutzorientierte und gendersensible Ansätze“ an. Allerdings geht aus dem Bericht von Amnesty International hervor, dass die Grenzschutztruppen an Menschenrechtsverletzungen gegen sudanesische Geflüchete beteiligt sind.
Durch die Zusammenarbeit mit Ägypten im Bereich der Migration, ohne hierfür solide Menschenrechtsgarantien vereinbart zu haben, riskiert die EU eine Mitschuld an den Menschenrechtsverletzungen Ägyptens. Die EU muss die ägyptischen Behörden dringend auffordern, konkrete Maßnahmen zum Schutz von Geflüchteten und Migrant*innen zu ergreifen.
Sara Hashash, stellvertretende Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International
Die Massenfestnahmen fanden bisher vor allem im Großraum Kairo und in den Grenzgebieten des Gouvernements Assuan bzw. innerhalb der Stadt Assuan statt. In Kairo und Gizeh geht die Polizei gezielt mit Personenkontrollen gegen Schwarze Menschen vor, was Furcht unter Geflüchteten auslöst und viele dazu bringt, ihre Häuser nicht mehr zu verlassen.
Sudanesische Geflüchtete, die in Assuan von der Polizei festgenommen werden, werden auf Polizeistationen oder in ein Lager der Zentralen Sicherheitskräfte gebracht – letzteres ist ein inoffizieller Haftort in der Region Shallal. Jene, die von den Grenzschutztruppen im Gouvernement Assuan festgenommen werden, werden in behelfsmäßigen Hafteinrichtungen untergebracht, wie z. B. Lagerhallen in einer Militäranlage in Abu Simbel und ein Pferdestall in einer anderen Militäranlage in der Nähe von Nagaa Al Karur, bevor sie schließlich mit Bussen und Kleinlastern zur sudanesischen Grenze gefahren werden.
Die Bedingungen in diesen Haftanstalten sind grausam und unmenschlich: Es herrscht Überbelegung, der Zugang zu Toiletten und sanitären Einrichtungen ist unzulänglich, die Ernährung ist minderwertig und unzureichend, und Inhaftierte werden nicht angemessen medizinisch versorgt.
Amnesty International dokumentierte außerdem die Festnahme von mindestens 14 Geflüchteten in öffentlichen Krankenhäusern in Assuan, wo sie wegen schwerer Verletzungen behandelt wurden, die sie bei Verkehrsunfällen auf ihrem Weg aus dem Sudan nach Ägypten erlitten hatten. Die Behörden brachten sie – gegen ärztlichen Rat und bevor sie sich vollständig von ihren Eingriffen erholt hatten – in eine Haftanstalt, wo sie auf dem Boden schlafen mussten.
Das Evidence Lab von Amnesty International hat Fotos und verifizierte Videos von Januar 2024 gesichtet, in denen Frauen und Kinder zu sehen sind, die in einem von ägyptischen Grenzschützer*innen kontrollierten Lagerhaus auf schmutzigen und mit Müll übersäten Böden sitzen. Ehemalige Inhaftierte berichteten, dass in den Lagerhäusern Ratten- und Taubenbefall herrschte und die Menschen dort kalte Nächte ohne angemessene Kleidung und Decken durchstehen mussten. Die Männerlager waren mit jeweils mehr als 100 gemeinsam untergebrachten Männern überfüllt, und die Inhaftierten hatten nur begrenzten Zugang zu verstopften Toiletten, sodass sie gezwungen waren, nachts in Plastikflaschen zu urinieren.
Mindestens elf Kinder, einige unter vier Jahre alt, wurden zusammen mit ihren Müttern an diesen Orten festgehalten.
Seit Beginn des Konflikts im Sudan haben die ägyptischen Behörden weder Statistiken vorgelegt noch ihre Abschiebestrategie eingeräumt. Laut Angaben des UNHCR wurden allein im September 2023 rund 3.000 Menschen aus Ägypten in den Sudan abgeschoben.