Loading...
© Wellphoto / Adobestock

Blog © Wellphoto / Adobestock

Warum wir uns um die Pressefreiheit in Österreich Sorgen machen sollten

3. Mai 2023
von Nicole Pinter, Advocacy & Research Officer bei Amnesty International Österreich

Wie wahrscheinlich die meisten von uns erinnere ich mich noch gut, als vor bald vier Jahren das Ibiza-Video veröffentlicht wurde und wir Vizekanzler-to-be Heinz-Christian Strache dabei zusahen, wie er unter anderem die Kronen Zeitung – die auflagenstärkste Zeitung Österreichs – an eine russische Oligarchin verkaufen wollte. Dieses Video brachte zwar einen Stein nach dem anderen ins Rollen. Doch in vielen Bereichen ist nach wie vor keine Besserung in Sicht.

Dem Ibiza-Video folgten schier unendlich scheinende Sitzungen der Untersuchungsausschüsse und viel Besorgniserregendes kam ans Licht: Von der Bezahlung verschiedener Medien durch Regierungsinserate (wohlgemerkt im Gegenzug gegen regierungsfreundliche Berichterstattung; wir erinnern uns insbesondere an die von Wolfgang Fellner herausgegebenen Medien der Gruppe „Österreich“) über die Einschüchterung unabhängiger Medien durch Einschüchterungsklagen (z.B. Dossier, ZackZack, Falter) hin zu politischem Einfluss auf die österreichische Medienwelt durch unausgeglichene Finanzierungsmodelle oder ganz einfach durch politisch besetzte Gremien im ORF.

Unser "Public watchdog" in Gefahr

Die*der gelernte Österreicher*in hat schon viel erlebt, das wissen wir. Sie*er denkt sich jetzt vielleicht, warum sie*er sich bei all den aktuellen Sorgen von Inflation bis Energiekrise auch noch um die Pressefreiheit Sorgen machen soll? Ganz einfach: Ist die Pressefreiheit nicht garantiert, können Medien und Journalist*innen ihren Auftrag eines „public watchdog“ nicht wahrnehmen und unabhängig und vielfältig über die Informationen im Land berichten. Dann fehlt es uns allen – der Gesellschaft – an der Möglichkeit, uns frei eine Meinung zu bilden. Konkret heißt das: Wenn Regierungsparteien die Inhalte von Medien kontrollieren, indem sie diese hauptsächlich über Regierungsinserate finanzieren – und dafür häufig regierungsfreundlich berichtet wird – und wenn die Besetzung von Führungspositionen bei Medien nicht unabhängig und aufgrund von objektiven Kriterien erfolgt, sondern parteinahe Personen Medien leiten, ist eine unabhängige Berichterstattung gefährdet. Für uns alle heißt das: Es wird für uns schwieriger, gut informierte Entscheidungen zu treffen.

© privat
Nicole Pinter Advocacy & Research Officer bei Amnesty International Österreich

Nicole Pinter ist Juristin und als Advocacy & Research Officer bei Amnesty International Österreich für den Bereich der Meinungsäußerungs-, Informations- und Pressefreiheit zuständig.

Leider ist auch keine Besserung in Sicht. Denn seitens der Politik fehlt das Interesse. Laute Forderungen von Reporter ohne Grenzen und anderen Organisationen bleiben seit Jahren ungehört. So die Forderung nach einer sinnvollen und ausgeglichenen Medienförderung, die auch kleine und unabhängige Medien fördert und so zu einer größeren Medienvielfalt in Österreich beiträgt. Oder nach einem Informationsfreiheitsgesetz, das den Menschen einen transparenten Zugang zu Informationen der öffentlichen Hand geben soll. Stattdessen verschlechtert sich das Klima gegenüber unabhängigen Journalist*innen immer mehr: Sei es Florian Klenk, Florian Scheuba, Thomas Walach oder Anna Thalhammer – sie alle waren bereits von Klagen betroffen, die gegen sie persönlich gerichtet waren. Der Grund für die Klagen: Ihre kritische und unabhängige Berichterstattung.

Sowohl im Internet als auch 'live' auf Demonstrationen und anderen Versammlungen werden Journalist*innen regelmäßig beschimpft und attackiert. Sogar körperliche Übergriffe mussten wir leider immer wieder beobachten.

Nicole Pinter, Advocacy & Research Officer bei Amnesty International Österreich

Angriffe auf Journalist*innen – auch durch die Polizei

Auch in der Gesellschaft wird die Feindseligkeit gegenüber Journalist*innen immer spürbarer: Sowohl im Internet als auch „live“ auf Demonstrationen und anderen Versammlungen werden Journalist*innen regelmäßig beschimpft und attackiert. Sogar körperliche Übergriffe mussten wir leider immer wieder beobachten. Hier schließt sich der Kreis zu den politischen Entscheidungsträger*innen, denn auch seitens der Polizei gibt es bei Versammlungen immer wieder Angriffe und Versuche, Journalist*innen vom Geschehen fernzuhalten. Die Polizei ist dem Innenministerium untergeordnet und unterliegt somit politischen Weisungen. Was offensichtlich fehlt, ist die politische Weisung an die Polizei, die Pressefreiheit zu respektieren und Journalist*innen ihre wichtige Arbeit – zu beobachten und zu berichten – zu ermöglichen, anstatt diese zu verhindern.

Die Talfahrt geht weiter

All diese Verschlechterungen im Bereich der Pressefreiheit haben schon letztes Jahr zu einem enormen Absturz Österreichs im Ranking von Reporter ohne Grenzen geführt. Wir sind ganze 14 Plätze gesunken: Von Platz 17 auf Platz 31. Und auch dieses Jahr kommt Reporter ohne Grenzen zum selben Schluss: Es herrschen hierzulande immer noch Zustände, die dem korrekten Verhältnis zwischen Politik und Journalismus in einer liberalen Demokratie zuwiderlaufen, es gibt weiterhin Angriffe auf Journalist*innen und Schikanen seitens der Polizei auf Demos und eine Politik, die durch Korruption und Bestechung geprägt ist.

Die Pressefreiheit ist als Teil der Meinungsfreiheit ein Menschenrecht. Sie ist sogar in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert, welche in Österreich im Verfassungsrang steht. Sie ist eine der Grundvoraussetzungen für eine freie und offene Gesellschaft. Wir sollten daher genau hinsehen, wenn sie verletzt wird, und den Schutz der Pressefreiheit lautstark einfordern – denn wir haben viel zu verlieren.

Mehr zum Thema

Antikriegsaktion: Russische Künstlerin in Haft!

Jetzt helfen