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© Valery Sharifulin/TASS

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Proteste in Kasachstan: Massive Gewalt gegen Demonstrierende

11. Jänner 2022

Am 2. Jänner 2021 brachen in der Region Mangystau im Südosten Kasachstans Proteste gegen Gaspreiserhöhungen aus, die sich dann auf mehrere andere Großstädte, darunter die größte Stadt Almaty, ausweiteten. Die Proteste schlugen allmählich in Gewalt um: Die Menge stürmte das Büro der Stadtverwaltung von Almaty, setzte es in Brand und plünderte Schusswaffen der Strafverfolgungsbehörden.

Die Behörden reagierten mit Tränengas, Blendgranaten und tödliche Waffen auf die Proteste. Die Behörden haben außerdem das Internet und andere Kommunikationsmittel eingeschränkt und die Medien davor gewarnt, gegen das übermäßig restriktive Mediengesetz Kasachstans zu verstoßen. Die Kommunikation mit den Menschen in Kasachstan, insbesondere in Almaty, ist stark eingeschränkt.

"Schiessen ohne vorwarnung"

Am 7. Jänner forderte der kasachische Präsident Kassym-Jomart Tokajew in einer Fernsehansprache die Sicherheitskräfte auf, bei weiteren Unruhen nach den jüngsten Massenprotesten und Gewalttaten "ohne Vorwarnung zu schießen".

Nach internationalem Recht dürfen Polizeibeamte tödliche Gewalt immer nur als letztes Mittel einsetzen. Sie darf nur dann eingesetzt werden, wenn es unbedingt notwendig ist, entweder um sich selbst oder andere vor einer unmittelbaren Bedrohung durch Tod oder schwere Verletzungen zu schützen, und nur dann, wenn alle anderen Möglichkeiten zur Deeskalation der Situation versagt haben.

"Wenn der Einsatz von Gewalt und Schusswaffen unbedingt erforderlich ist, sind die einschlägigen UN-Grundsätze eindeutig. Die Sicherheitskräfte müssen immer eine klare Warnung geben, bevor sie das Feuer eröffnen – außer wenn sie sich selbst oder andere dadurch in Gefahr bringen würden. Wenn sie dies nicht tun, erhöht sich das Risiko, dass unschuldige Umstehende schwer verletzt oder getötet werden. Die pauschale Anweisung, keine Warnung auszusprechen, ist äußerst gefährlich und deutet auf eine Politik des 'Erst töten, dann denken' hin", so Marie Struthers, Direktorin für Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International.

Die Anwesenheit von gewalttätigen Einzelpersonen oder Gruppen entbindet die kasachischen Sicherheitskräfte nicht von ihrer Verpflichtung, das Recht auf friedliche Versammlung zu schützen.

Marie Struthers, Direktorin für Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International

Das kasachische Innenministerium gab an, dass mehr als 3.800 Menschen festgenommen wurden, und bestätigte Hunderte Verletzte und 26 Tote unter Demonstrant*innen und Sicherheitskräften. Die Zahl der Todesopfer unter den Demonstrant*innen ist wahrscheinlich viel höher, da Aktivist*innen und die Polizei zuvor von "Dutzenden" Opfern und Präsident Tokajew von "Hunderten" gesprochen hatten.

Am 5. Januar ersuchte die kasachische Regierung Russland und seine anderen regionalen Verbündeten im Rahmen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit um militärische Unterstützung. Diese sagten die Bereitstellung von insgesamt fast 3.000 Soldaten zu, angeblich um die Ordnung nach den Gewalttätigkeiten wiederherzustellen und einer nicht näher bezeichneten "Bedrohung" von außen zu begegnen.

Prekäre Menschenrechtslage in Kasachstan

Seit Jahren unterdrücken die Behörden die Grundrechte der kasachischen Bevölkerung, indem sie nicht nur friedliche Proteste, sondern auch oppositionelle politische Parteien verbieten. Zahlreiche Anführer*innen friedlicher Proteste, Menschenrechtsverteidiger*innen, Blogger*innen und andere wurden verhaftet und nach unfairen Gerichtsverfahren inhaftiert. Im Jahr 2011 wurden mindestens 14 Demonstranten getötet, nachdem die Polizei gegen eine Demonstration in Zhanaozen vorgegangen war. Der Vorfall wurde nicht vollständig und wirksam aufgeklärt.