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Die iranischen Behörden fordern in Scheinprozessen für mindestens 21 Menschen die Todesstrafe. Damit verfolgen sie das Ziel, weitere Demonstrierende einzuschüchtern und von den seit September anhaltenden Protesten abzuhalten. Amnesty International hat die Fälle der 21 Personen ausführlich untersucht, deren Verfahren vor Revolutionsgerichten stattfinden.
Laut einer geleakten Audiodatei, die dem persischsprachigen Dienst der BBC vorliegt, haben die iranischen Behörden in einer ersten Festnahmewelle seit Beginn der Proteste zwischen 15.000 und 16.000 Menschen willkürlich festgenommen. Zu den Betroffenen gehören Demonstrierende, Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen, Dissident*innen, Studierende und Schüler*innen. Viele von ihnen wurden verschleppt, in Isolationshaft gehalten, gefoltert und anderweitig misshandelt und stehen in unfairen Verfahren vor Gericht.
Am 8. November 2022 gaben die iranischen Justizbehörden bekannt, dass allein im Zusammenhang mit den Protesten in der Provinz Teheran 1.024 Anklagen erhoben wurden. Einzelheiten zu den Anschuldigungen nannten sie nicht.
Die von Amnesty International untersuchten Fälle der 21 Personen, denen Todesurteile drohen, werden vor verschiedenen Gerichten verhandelt. Die Verfahren sind unterschiedlich weit fortgeschritten, bereits gefällte Todesurteile können vor dem Obersten Gerichtshof angefochten werden. Amnesty International befürchtet, dass angesichts Tausender Festnahmen und der hohen Zahl bereits erhobener Anklagen noch viele weitere Personen zum Tode verurteilt werden könnten.
Diana Eltahawy, stellvertretende Direktorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International, sagt: „Die iranischen Behörden müssen unverzüglich alle Todesurteile aufheben, von der Verhängung der Todesstrafe absehen und alle Anklagen gegen diejenigen fallen lassen, die im Zusammenhang mit ihrer friedlichen Teilnahme an den Protesten festgenommen wurden. Die Todesstrafe ist eine grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe, deren Abscheulichkeit durch ein grundlegend unfaires Strafverfahren ohne jegliche Transparenz oder Unabhängigkeit noch verstärkt wird“, und sagt weiter:
„Zwei Monate nach Beginn der aktuellen Proteste im und drei Jahre nach den Protesten im November 2019 ermöglicht die herrschende Straflosigkeit den iranischen Behörden nicht nur weitere Massentötungen, sondern auch eine Verschärfung der Anwendung der Todesstrafe als Mittel der politischen Unterdrückung.“
Die Mitgliedsstaaten des UN-Menschenrechtsrates, der nächste Woche eine Sondersitzung zum Iran abhält, müssen dringend einen Untersuchungs- und Rechenschaftsmechanismus einrichten, um gegen diesen massiven Angriff auf das Recht auf Leben und andere Menschenrechtsverletzungen vorzugehen.
Diana Eltahawy, stellvertretende Direktorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International
Amnesty International fordert alle Regierungen mit Botschaften im Iran auf, unverzüglich hochrangige Beobachter*innen zu allen laufenden Prozessen zu entsenden, bei denen den Angeklagten ein Todesurteil droht. Laut den iranischen Behörden sind diese Prozesse öffentlich.
Mohammad Ghobadlou, Saman Seydi (Yasin), Saeed Shirazi, Mohammad Boroughani, Abolfazl Mehri Hossein Hajilou und Mohsen Rezazadeh Gharagholou wird „Feindschaft zu Gott“ (moharebeh) und „Verdorbenheit auf Erden“ (efsad f’il arz) vorgeworfen. Die sechs Männer wurden an ein Revolutionsgericht in Teheran überstellt, wo ihnen als Gruppe der Prozess gemacht werden soll.
Drei weitere Männer – Sahand Nourmohammad-Zadeh, Mahan Sedarat Madani und Manouchehr Mehman-Navaz – stehen in getrennten Verfahren vor verschiedenen Revolutionsgerichten in Teheran. Ihnen werden verschiedene Straftaten vorgeworfen, die der Anschuldigung „Feindschaft zu Gott“ (moharebeh) gleichkommen. Die genannten Vorwürfe können im Iran mit dem Tod bestraft werden. In acht dieser Fälle werden den Angeklagten jedoch keine schweren Straftaten wie vorsätzliche Tötungen zur Last gelegt. Die Vorwürfe lauten vielmehr auf Vandalismus, Zerstörung von öffentlichem und/oder privatem Eigentum, Brandstiftung und Störung der öffentlichen Ordnung.
Elf weitere Personen werden wegen „Verdorbenheit auf Erden“ (efsad f’il arz) vor einem Revolutionsgericht in Karadsch (Provinz Alborz) angeklagt. Unter ihnen befindet sich auch der Arzt Hamid Ghare-Hasanlou und seine Frau Farzaneh Ghare-Hasanlou.
Nach Informationen von Amnesty International wurde auch der 26-jährige Parham Parvari im Zusammenhang mit den Protesten wegen „Feindschaft zu Gott“ (moharebeh) angeklagt. Der junge Mann gehört der kurdischen Minderheit im Iran an. Seine Familie gab an, dass er gewaltsam festgenommen wurde, als er auf seinem Heimweg von der Arbeit in Teheran an Protesten vorbeikam.
Amnesty International dokumentierte in den 21 untersuchten Fällen zahlreiche Verstöße gegen das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren. Angeklagten wurde das Recht auf einen selbstgewählten Rechtsbeistand verweigert, in anderen Fällen galt die Unschuldsvermutung nicht, oftmals wurde Angeklagten auch das Aussageverweigerungsrecht nicht zugestanden. Zudem werden die Betroffenen nicht vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt. Sie erhalten keinen uneingeschränkten Zugang zu relevanten Beweismitteln und auch keine faire, öffentliche Anhörung vor einem zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gericht.
Nach dem Völkerrecht verstößt die Verhängung der Todesstrafe nach einem unfairen Verfahren gegen das Recht auf Leben und das absolute Verbot von Folter und anderen Misshandlungen.
In einer Erklärung haben 227 der 290 iranischen Parlamentarier*innen die Justizbehörden aufgefordert, „keine Nachsicht“ mit den Demonstrierenden zu üben und dringend Todesurteile gegen sie zu verhängen. So soll anderen eine „Lehre“ erteilt werden. Auch der Leiter der Justizbehörden Gholamhossein Mohseni-Ejei forderte rasche Gerichtsverfahren und Bestrafungen, einschließlich Hinrichtungen.