Die Folgen der Kriminalisierung sind neben Stigmatisierung auch Versorgungslücken. Je nach Bundesland müssen Betroffene mitunter weite Strecken zurücklegen, um eine*n Ärzt*in zu finden, die*der einen Schwangerschaftsabbruch durchführt. Das braucht niemanden zu wundern. Ärzt*innen, die in Österreich Schwangerschaftsabbrüche durchführen, befinden sich schließlich in einem strafrechtlichen Graubereich und sie sind ständigen Angriffen ausgesetzt, wie Amnesty International kürzlich in einem Bericht aufgezeigt hat: Drohbriefe, Proteste und Anfeindungen gefährden die Sicherheit und erschweren den Zugang zu wichtigen reproduktiven Gesundheitsleistungen. Diese Entwicklungen zeigen, dass Rückschritte auch hierzulande nicht nur möglich, sondern bereits Realität sind.
Fragiler Konsens
Warum also ist das Thema Schwangerschaftsabbruch kein zentrales Thema bei den österreichischen Nationalratswahlen, obwohl es so viele grundlegende Rechte berührt? Der scheinbare gesellschaftliche Konsens über die Fristenlösung hat das Thema aus dem politischen Fokus verdrängt. Doch dieser Konsens ist trügerisch. Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ist fragil und kann durch politische Entscheidungen schnell eingeschränkt werden.
Es ist höchste Zeit, dass progressive Kräfte in Österreich den Mut aufbringen, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch lautstark zu verteidigen. Dieses Thema gehört in den Mittelpunkt ihrer politischen Agenda. Denn letztlich geht es um nichts Geringeres als ein fundamentales Menschenrecht, das der Staat zu schützen und zu gewährleisten verpflichtet ist.
Die Debatte um den Schwangerschaftsabbruch geht weit über die unmittelbare Entscheidung hinaus, eine Schwangerschaft fortzusetzen oder zu beenden. Sie offenbart, wie weit wir wirklich auf dem Weg zur Gleichberechtigung sind. Eine vollständige Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ist unerlässlich, um die Menschenrechte, die Selbstbestimmung und die Würde von Frauen zu schützen. Jede Person, die schwanger werden kann, muss das Recht haben, über den eigenen Körper zu bestimmen – ohne gesetzliche oder gesellschaftliche Hindernisse. Egal wie die Nationalratswahl kommenden Sonntag ausgeht: Wir werden weiter für dieses Recht kämpfen.