Österreich: Rechtswidrige und systematische Pushbacks an slowenischer Grenze von Höchstgericht bestätigt
9. Juni 2022Illegale Push-Backs an der österreichischen Grenze zu Slowenien sind systematisch, entschied der österreichische Verwaltungsgerichtshof am 8. Juni. Damit bestätigte er ein Urteil, gegen das die Landespolizeidirektion Steiermark Berufung eingelegt hatte.
Unter dem Deckmantel des Grenzschutzes sind Pushbacks zu einem systematischen Bestandteil der EU-Asylpolitik geworden. Österreich spielt dabei eine besonders unrühmliche Rolle. Eine neue Entscheidung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs bestätigt das Ausmaß der Verstöße Österreichs gegen das internationale Asylrecht.
Im Juli 2021 entschied das Landesverwaltungsgericht Steiermark, dass die Zurückweisung des marokkanischen Asylwerbers Ayoub N. an der slowenischen Grenze rechtswidrig war. Das Gericht stellte fest, dass Sicherheitsorgane ganz bewusst das Asylansuchen von Ayoub N. ignoriert und ihn durch die Aufforderung, sich im Zuge der Durchsuchung vollständig zu entkleiden, in seinem Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK verletzt hatten. Darüber hinaus führte das Gericht auch aus, dass Pushbacks an der slowenischen Grenze „teilweise methodisch Anwendung“ finden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nun eine dagegen eingebrachte Revision der Landespolizeidirektion Steiermark zurückgewiesen und die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark bestätigt. Damit steht fest: illegale Pushbacks an der slowenischen Grenze haben System.
Es kann nicht sein, dass Menschen, die bei uns Schutz suchen, an der Grenze zurückgewiesen und obendrein gedemütigt werden. Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs haben wir die Bestätigung dafür, dass Pushbacks an den österreichischen Außengrenzen systematisch stattfinden. Das verstößt gegen das Menschenrecht auf ein faires Asylverfahren. Wir fordern das Innenministerium auf, entschieden dagegen vorzugehen.
Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich
Amnesty International fordert Konsequenzen
Angesichts dieser besorgniserregenden Entwicklung fordert Amnesty International den Innenminister auf, dafür Sorge zu tragen, dass in Zukunft keine illegalen Pushbacks aus Österreich stattfinden und der Zugang zu Asylverfahren in Österreich immer gewährleistet wird. Denn Schutzsuchende an der Grenze zurückzuweisen ist laut Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und EU-Recht nicht erlaubt. Sie müssen Zugang zu einem fairen und rechtsstaatlichen Asylverfahren erhalten, in dem ihr Schutzbedarf individuell geprüft wird.
Vor dem EU-Innenministertreffen schlug Innenminister Gerhald Karner kürzlich eine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU vor. Amnesty International befürchtet, dass dies erhebliche Menschenrechtsrisiken birgt, da die notwendigen Menschenrechtsstandards in diesen Ländern oft nicht eingehalten werden und Menschen dadurch Gefahr laufen, unverhältnismäßig langer und willkürlicher Inhaftierung, Folter und Misshandlung ausgesetzt zu werden. Stattdessen sollte sich der Innenminister dafür einsetzen, dass illegale Pushbacks nicht Teil der österreichischen und europäischen Flüchtlingspolitik werden und dass legale Fluchtwege geschaffen werden, um Menschenrechte zu schützen und rechtsstaatliche Prinzipien zu garantieren.
Anstatt sich für eine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten auszusprechen, sollte sich Österreichs Innenminister dafür einsetzen, dass illegale Pushbacks nicht Teil der österreichischen und europäischen Flüchtlingspolitik werden. Es müssen sichere Fluchtwege und humanitäre Lösungen geschaffen werden, damit Menschenrechte geschützt und rechtsstaatliche Prinzipien garantiert werden können.
Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich