Die im Zuge des Militäreinsatzes begangenen Menschenrechtsverletzungen richten sich hauptsächlich gegen die Gemeinschaft der Rakhine. Doch auch andere ethnische Gruppen wie die Rohingya sind ins Visier geraten. Am 3. April eröffnete ein Militärhelikopter das Feuer auf Angehörige der Rohingya, die mit Bambusschneiden beschäftigt waren. Dabei wurden mindestens sechs Jungen und Männer getötet und ungefähr 13 weitere Personen verletzt.
Seit Jänner hat Amnesty International im Bundesstaat Rakhine außerdem sieben Fälle dokumentiert, in denen Zivilist*innen willkürlich festgenommen wurden – ausschließlich Männer, die meisten von ihnen im kampffähigen Alter. Oft ging dies einher mit Folter und anderen Misshandlungen, um Informationen über die Arakan Army zu erpressen.
Mitte Februar dokumentierte Amnesty International darüber hinaus das Verschwindenlassen von sechs Männern: fünf von ihnen gehörten der Gemeinschaft der Rakhine an, einer war Angehöriger der Minderheit der Mro. Die Familien der Männer haben seither nichts mehr von ihnen gehört.
Menschenrechtsverstösse der Arakan Army
Zwar ist das myanmarische Militär für die meisten von Amnesty dokumentierten Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, doch auch die Arakan Army verübt Menschenrechtsverstöße gegen die Zivilbevölkerung. Amnesty-Recherchen zeigen, dass die bewaffnete Gruppe für die Entführung von Zivilist*innen verantwortlich ist. So verschlepptem am 3. Mai Kämpfer vier Männer der Roghinya aus dem Dorf Sin Khone Taing, Rathedaung Township. Die Arakan Army hat zudem einflussreiche Personen in den Dörfern bedroht und gemahnt, sich nicht in ihre Aktivitäten einzumischen. Die zu diesem Zweck zugestellten Briefe enthielten Gewehrkugeln und trugen das offizielle Siegel der bewaffneten Gruppe.
Einschränkung der Meinungsfreiheit
Vor dem Hintergrund der Menschenrechtsverletzungen durch das Militär greifen die Sicherheitskräfte auf ihre bewährte Taktik zur Unterdrückung kritischer Stimmen zurück: Gegen die Redaktion von drei lokalen Nachrichtenmedien ist in den vergangenen Monaten Anzeige erhoben worden.
"Anfang Mai sind endlich die Reuters-Journalisten Wa Lone und Kyaw Soe Oo freigelassen worden, die mehr als 500 Tage lang willkürlich inhaftiert waren. Doch die weltweite Empörung über ihren Fall hat die Behörden nicht davon abgehalten, dieselben Taktiken erneut einzusetzen", sagt Nicholas Bequelin, und sagt weiter:
"Die NLD-geführte Regierung hat es in der Hand, etwas dagegen zu tun. Die Partei verfügt über eine parlamentarische Mehrheit und muss diese nun nutzen, um die repressiven Gesetze aufzuheben bzw. zu reformieren, die derzeit so häufig gegen Journalistinnen und Journalisten zum Einsatz kommen."
Internationalen Druck verstärken
Zu Beginn dieses jüngsten Militäreinsatzes war es noch nicht einmal 18 Monate her, dass die myanmarischen Sicherheitskräfte Verbrechen gegen die Menschlichkeit an den Rohingya begangen haben. Mehr als 900.000 geflüchtete Rohingya leben immer noch in Lagern in Bangladesch, und der neue Amnesty-Bericht ist ein weiterer Beweis dafür, dass ihre Sicherheit in Myanmar nicht gewährleistet ist.
Diese neuen Erkenntnisse zeigen auf, wie dringend die Vereinten Nationen Maßnahmen gegen die gesamte Palette an Gräueltaten ergreifen müssen, die das Militär Myanmars in den Bundesstaaten Rakhine, Kachin und Shan verübt hat. Eine Uno-Untersuchungskommission hat bereits gefordert, Untersuchungen gegen hochrangige Militärbeamte einzuleiten und sie wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Genozid vor Gericht zu stellen.
Da es in Myanmar für das Militär keine Rechenschaftspflicht gibt, fordert Amnesty International den Uno-Sicherheitsrat auf, die dortige Lage dringend dem Internationalen Strafgerichtshof zu übergeben und ein wirksames Waffenembargo zu verhängen. Auch internationale Partner*innen Myanmars – namentlich die EU und der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) – müssen ihre Beziehungen zu der militärischen Führung des Landes überdenken und gezielte Sanktionen gegen hochrangige Vertreter der Armee Myanmars verhängen.
"Myanmars Militär begeht weiterhin furchtbare Gräueltaten. Daher muss nun stärkerer Druck seitens der internationalen Gemeinschaft ausgeübt werden", sagt Nicholas Bequelin.