Hier liege grundsätzlich ein Problem: „Sozialhilfe wird von vielen als Almosen angesehen, die Menschen, die diese beantragen, werden oft als Bittsteller*innen behandelt. Dabei geht es hier um eine staatliche Unterstützung, auf die sie ein Recht haben“, betont die Menschenrechtsorganisation in ihrem Bericht. Alev nimmt dabei die Politik in die Pflicht: „Politiker*innen erwecken in ihren Aussagen oft – durchaus bewusst – den Eindruck, dass es am*an der Einzelnen liegt, Armut zu überwinden. Das heißt im Umkehrschluss auch, dass sie der Meinung sind, dass Armut die Verantwortung, wenn nicht sogar Schuld, der*des Einzelnen ist.“ Dabei, so sind sich Expert*innen und Hilfsorganisationen einig, ist Armut meist die Folge von strukturellen Versäumnissen des Staates. „Politiker*innen sollten Armut als eine Menschenrechtsverletzung und die Rechte von Betroffenen anerkennen, anstatt negative Stereotype zu bekräftigen“, fordert Ronya Alev bei der Präsentation des Berichts.
Überbordende Anspruchskriterien und Mitwirkungspflichten betreffen insbesondere Frauen und Menschen mit Behinderungen
Eine weitere Hürde im Zugang zur Sozialhilfe betrifft die überbordenden Anspruchskriterien, etwa beim Nachweis der Einkommens- und Vermögenssituation. Dieser bezieht sich nämlich nicht nur auf die antragstellende Person selbst, sondern auf das gesamte Haushaltseinkommen. Entsprechend müssen auch Familienmitglieder im gleichen Haushalt ihre Finanzen offenlegen – was zu Abhängigkeiten und Spannungen in einer ohnehin belasteten Situation führen kann.
Auch die Anforderung, zunächst alle offenen Unterhaltsansprüche einzufordern, stellt für manche Personengruppen eine immense Hürde dar. „Für Frauen, die sich aus gewaltvollen Beziehungen gelöst haben, ist es zum Teil unmöglich, mit ihrem Ex-Partner in Verbindung zu treten und Geld einzufordern, selbst wenn es ihnen rechtlich zusteht. Dadurch können sie aber auch ihren Anspruch auf Sozialhilfe nicht geltend machen“, erklärt Ronya Alev das Dilemma. „Auch auf Menschen mit Behinderungen wirkt sich diese Regelung überdurchschnittlich negativ aus: Sofern sie als nicht selbsterhaltungsfähig eingestuft sind, müssen sie Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Eltern oder gegebenenfalls auch ihren Kindern verfolgen.“