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Pakistan: Todesstrafe für "Blasphemie"

Update: gute Nachrichten!

Das Hohe Gericht von Lahore hat Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar freigesprochen.

Mehr Informationen findest du hier:

Christliches Paar seit 2013 im Gefängnis

Shagufta Kausar und Shafqat Emmanuel droht die Hinrichtung. Sie sollen "blasphemische" Textnachrichten an einen muslimischen Kleriker geschickt haben.

Das Paar ist seit 2013 inhaftiert und wurde im April 2014 zum Tode verurteilt. Die Anhörung zu ihrer Berufung war für April 2020 angesetzt – sechs Jahre nach ihrer Verurteilung, wurde jedoch aufgrund der Corona-Pandemie verschoben. Im Februar 2021 fanden schließlich zwei Anhörungen statt. Doch die Richter verließen den Gerichtssaal jeweils noch vor der eigentlichen Verhandlung mit der Begründung, ihre Arbeitszeit sei für diesen Tag beendet.

Die SIM-Karte des Telefons, von dem die "blasphemischen" Nachrichten verschickt worden waren, war angeblich auf Shagufta Kausars Namen registriert. Das Paar bestreitet sämtliche Vorwürfe und geht davon aus, dass Shaguftas Personalausweis absichtlich und missbräuchlich für eine solche Registrierung verwendet wurde.

Pakistans Blasphemiegesetze verletzen sowohl in ihrem Inhalt als auch in ihrer Anwendung die Menschenrechtsverpflichtungen des Landes. Sie stehen sinnbildlich für die Gefahren, denen die religiösen Minderheiten des Landes ausgesetzt sind.

Shafqat Emmanuel leidet zunehmend unter gesundheitlichen Beschwerden. Sein Unterkörper ist gelähmt und er kann sich nicht ohne Hilfe bewegen. Laut seiner Familie lag er im März drei Tage lang im Koma, ohne dass man ihn ins Krankenhaus verlegte.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderer Eigenschaften des Verurteilten oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt. 

Sachlage

Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar sind ein christliches Paar, das 2014 wegen "Blasphemie" zum Tode verurteilt wurde. Sie sollen "blasphemische" Textnachrichten an einen muslimischen Kleriker geschickt haben. Die SIM-Karte des Telefons, von dem die Nachrichten verschickt worden waren, sei auf Shagufta Kausars Namen registriert gewesen. Das Paar bestreitet sämtliche Vorwürfe und geht davon aus, dass deren Personalausweis absichtlich und missbräuchlich für eine solche Registrierung verwendet wurde. Obwohl sie nie hätten inhaftiert werden dürfen, sind die beiden seit fast acht Jahren im Gefängnis und warten auf ihre Berufungsverhandlung vor dem Obersten Gerichtshof von Lahore.

Im Prozess von Shafqat Emmanuel und Shagufta Kausar zeichnet sich ein besorgniserregendes Muster von Verzögerungstaktiken ab. Bei ihren letzten beiden Anhörungen – eine war für den 15. Februar angesetzt, die zweite für den 24. Februar – haben sich die Richter mit der Begründung entschuldigt, dass ihre Arbeitszeit bereits zu Ende sei. Amnesty International hat dokumentiert, dass auch in mehreren anderen "Blasphemie"-Fällen das Vertagen von Terminen übliche Praxis ist. Richterinnen scheinen sie anzuwenden, da sie keine Urteile fällen wollen, die die Angeklagten entlasten. Im pakistanischen Strafrechtssystem kann es viele Jahre dauern, bis Prozesse gegen Personen abgeschlossen sind, denen schwere Straftaten vorgeworfen werden – wozu auch "Blasphemie" gehört.

Pakistans Blasphemiegesetze

Pakistans Blasphemiegesetze verletzen sowohl in ihrem Inhalt als auch in ihrer Anwendung die Menschenrechtsverpflichtungen des Landes. Dazu gehört, die Rechte auf Leben, auf Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Glaubensfreiheit sowie auf freie Meinungsäußerung zu achten und zu schützen. Außerdem muss die Gleichheit vor dem Gesetz gewährleistet sein und das Diskriminierungsverbot eingehalten werden. Die Gesetze entsprechen nicht den Menschenrechtsnormen und -standards und es fehlen wesentliche Schutzmechanismen, die das Risiko einer missbräuchlichen Anwendung minimieren würden. Sie stehen sinnbildlich für die Gefahren, denen die religiösen Minderheiten des Landes ausgesetzt sind.

Die "Besudelung des Namens des Propheten Mohammed" ist laut Paragraf 295-C des pakistanischen Strafgesetzbuchs mit der Todesstrafe zu ahnden. Das Bundes-Schariagericht, das unter anderem die Aufgabe hat, Gesetze auf ihre Konformität mit der islamischen Lehre zu überprüfen, befand 1991, dass Blasphemie mit dem Tode und nicht mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu bestrafen sei. Im Januar 2014 bestätigte es diese Entscheidung. Der UN-Menschenrechtsausschuss erklärte, dass die automatische und obligatorische Verhängung der Todesstrafe eine willkürliche Entziehung des Lebens darstellt, die gegen Artikel 6(1) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verstößt.

Die pakistanischen Blasphemiegesetze sind vage formuliert und es drohen harte Strafen. Auf Grundlage von Beweisen, die dem Glaubwürdigkeitsanspruch "über jeden vernünftigen Zweifel erhaben" nicht erfüllen, droht den Angeklagten die Todesstrafe. Die Blasphemiegesetze verletzen Pakistans Verpflichtungen zur Achtung der Menschenrechte und dienen außerdem zur Einschüchterung. Sie bilden die Grundlage für Todesdrohungen und Tötungen; beispielsweise werden Richter*innen unter Druck gesetzt, damit sie Angeklagte verurteilen – andernfalls könnten sie das nächste Ziel werden. Es kam bereits vor, dass Rechtsbeistände im Gerichtssaal getötet wurden. Außerdem mussten auch Zeug*innen und Angehörige von Personen, denen "Blasphemie" vorgeworfen wurde, untertauchen.

Für den Großteil dieser Gesetze gilt, dass im Falle einer entsprechenden Anschuldigung die Polizei die Befugnis hat, mutmaßliche Täter*innen ohne Haftbefehl festzunehmen. Außerdem dürfen auch ohne richterliche Anweisung Ermittlungen eingeleitet werden. Häufig beugen sich die Polizeibehörden dem öffentlichen Druck wütender Menschenmassen, einschließlich religiöser Kleriker und ihrer Anhänger*innen, und geben die Fälle an die Staatsanwaltschaft weiter, ohne die vorliegenden "Beweise" überhaupt geprüft zu haben. Ist die Anklage erst erhoben, kann den Betroffenen die Freilassung gegen Kaution verweigert werden. Stattdessen müssen sie in der Regel mit langwierigen und unfairen Prozessen rechnen.

Diejenigen, denen Blasphemie vorgeworfen wird, werden oftmals zur Zielscheibe von Gewalttaten. In der Vergangenheit hat es häufig Fälle gegeben, in denen Personen, die wegen Blasphemievorwürfen inhaftiert waren, im Gefängnis von Mitinsass*innen oder Beamt*innen getötet wurden. Auch Personen, die nicht inhaftiert waren und der Blasphemie beschuldigt wurden, sind wiederholt von Gruppen, die sich der Selbstjustiz verschrieben haben, getötet worden. Das Risiko, bedroht und getötet zu werden, tragen auch andere Personen, die mit den Beschuldigten in Verbindung stehen, einschließlich ihrer Rechtsbeistände, Familienmitglieder und Angehörige ihrer Gemeinschaft.

Auch bei denjenigen, die im pakistanischen Strafrechtssystem arbeiten, ist Angst weit verbreitet. Diese hindert Rechtsbeistände, Polizist*innen, Staatsanwält*innen und Richter*innen daran, ihrer Arbeit effektiv und unparteiisch nachzugehen.

In einem 2016 veröffentlichten Bericht zeigte Amnesty International, wie die Blasphemiegesetze im Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen Pakistans stehen, Menschenrechte wie die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Gedankens-, Gewissens- und Religionsfreiheit zu schützen. Außerdem machte der Bericht deutlich, wie mit Hilfe dieser Gesetze einige der am meisten gefährdeten Menschen der pakistanischen Gesellschaft ins Visier genommen werden, darunter Angehörige religiöser Minderheiten. Der Oberste Gerichtshof Pakistans hat eingeräumt, dass "die meisten Blasphemie-Fälle auf falschen Anschuldigungen beruhen" und von niedrigen Beweggründen getrieben sind. Amnesty International hat festgestellt, dass solche Motive von den Behörden selten untersucht werden. Sie reichen von Konkurrenzdenken im Beruf über persönliche oder religiöse Streitigkeiten bis hin zum Streben nach wirtschaftlichem Gewinn.