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© MARCO LONGARI/AFP/Getty Images

Presse © MARCO LONGARI/AFP/Getty Images

Covid-19-Pandemie: Keine Rechtfertigung für Menschenrechtsverletzungen

17. Dezember 2020

Zusammenfassung

  • Lockdowns und Ausgangssperren weltweit oft mit unverhältnismäßiger Polizeigewalt durchgesetzt.
  • Amnesty International dokumentiert aus 60 Ländern Fälle, in denen Sicherheitskräfte im Namen der Bekämpfung von Covid-19 Menschenrechtsverletzungen begingen.
  • Teilweise wurde die Gesundheitskrise durch überschießende Maßnahmen verschärft.

Der neue Amnesty-Bericht „COVID-19 Crackdowns: Police Abuse and the Global Pandemic“ zeigt unter anderem auf, wie Menschen getötet oder schwer verletzt wurden, weil sie gegen die verhängten Auflagen verstoßen haben sollen oder weil sie gegen schlechte Haftbedingungen protestierten.

So setzten iranische Sicherheitskräfte Berichten zufolge scharfe Munition und Tränengas ein, um Proteste gegen den mangelhaften Schutz von Inhaftierten vor Covid-19 aufzulösen. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt und einige getötet. In Kenia wurden allein in den ersten fünf Tagen nach Verhängung einer Ausgangssperre mindestens sieben Personen bei Polizeieinsätzen getötet, und 16 Menschen mussten ins Spital eingeliefert werden.

Gewisse Einschränkungen der Menschenrechte sind während einer Pandemie vertretbar, wenn diese Maßnahmen die öffentliche Gesundheit schützen oder durch eine andere dringende gesellschaftliche Notsituation gerechtfertigt sind. Allerdings wurden in vielen Ländern Einschränkungen verhängt, die bei Weitem nicht angemessen oder gerechtfertigt sind.

Sicherheitskräfte auf der ganzen Welt verstoßen während der Pandemie gegen internationales Recht, indem sie unverhältnismäßige und unnötige Gewalt anwenden, um Lockdowns und Ausgangssperren durchzusetzen.

Patrick Wilcken, stellvertretender Leiter der Abteilung Globale Themen bei Amnesty International

„Sicherheitskräfte auf der ganzen Welt verstoßen während der Pandemie gegen internationales Recht, indem sie unverhältnismäßige und unnötige Gewalt anwenden, um Lockdowns und Ausgangssperren durchzusetzen“, so Patrick Wilcken, stellvertretender Leiter der Abteilung Globale Themen bei Amnesty International. „Unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Covid-19 wurden bereits erschreckende Menschenrechtsverletzungen begangen; so zum Beispiel in Angola, wo die Polizei einem Jugendlichen ins Gesicht schoss, weil er gegen die Ausgangssperre verstoßen haben soll. Oder in El Salvador, wo Sicherheitskräfte einen Mann mit Schüssen in die Beine verletzten, als er Lebensmittel einkaufen wollte“.

„Selbstverständlich spielt die Polizei derzeit eine wichtige Rolle beim Schutz von Leben und Gesundheit. Allerdings wird die Lage nur verschlimmert, wenn zur Durchsetzung von Gesundheitsvorschriften in unverhältnismäßiger Weise auf Zwangsmaßnahmen zurückgegriffen wird. Die Pandemie hat weitreichende Auswirkungen auf das Leben der Menschen, und deshalb ist es umso wichtiger, dass bei der Polizeiarbeit die Menschenrechte gewahrt werden“, so Wilcken weiter.

Die Pandemie hat weitreichende Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass bei der Polizeiarbeit die Menschenrechte gewahrt werden.

Patrick Wilcken, stellvertretender Leiter der Abteilung Globale Themen bei Amnesty International

Die Festnahme und Inhaftierung von Menschen, der Einsatz von Gewalt und die Auflösung von Versammlungen dämmen das Virus nicht ein, sondern haben in vielen Fällen die Ansteckungsgefahr noch erhöht – und zwar sowohl für die Ordnungskräfte als auch für die Betroffenen“, so Wilcken weiter.

Staatliche Gewalt

Der Amnesty-Bericht untersucht Gesetze, politische Maßnahmen und Handlungen der Polizei sowie anderer Einheiten mit Polizeibefugnissen. Er beschreibt zahlreiche Beispiele für staatlichen Machtmissbrauch unter dem Vorwand, die öffentliche Gesundheit schützen zu wollen. Polizeieinsätze in Verbindung mit der Pandemie haben in zahlreichen Ländern zu Verletzungen und Todesfällen geführt, zum Beispiel bei der Durchsetzung von Ausgangssperren und Lockdowns. Anderswo kam es zu rechtswidrigen Abschiebungen, Zwangsräumungen und aggressiven Maßnahmen gegen friedliche Protestierende, bei welchen die Regierungen die Pandemie als Grund vorgaben, um die Menschenrechte angreifen und abweichende Stimmen zum Schweigen bringen zu können.

Auch massenhafte und willkürliche Festnahmen durch die Ordnungskräfte werden im Bericht dokumentiert. So wurden beispielsweise in der Dominikanischen Republik zwischen dem 20. März und 30. Juni etwa 85.000 Menschen von der Polizei festgenommen, weil sie sich nicht an die Ausgangssperre gehalten haben sollen. In der Türkei wurden zwischen März und Mai Berichten zufolge 510 Menschen festgenommen, weil man sie wegen des „Teils provokativer Coronavirus-Posts“ in den Sozialen Medien befragen wollte. Dies ist ein Verstoß gegen die Meinungsäußerungsfreiheit. 

In einigen Ländern legten Sicherheitskräfte bei der Durchsetzung von Covid-19-Bestimmungen diskriminierende und rassistische Haltungen an den Tag. Ganz besonders betroffen sind Angehörige marginalisierter Gruppen wie zum Beispiel Flüchtlinge, Asylsuchende, Migrant*innen, LGBTI* sowie Sexarbeitende und obdachlose Menschen. 

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