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© Jimmy Lam @everydayaphoto/Amnesty International

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Weltweite Proteste: Wofür Menschen auf die Straßen gehen

31. Oktober 2019

Zusammenfassung

  • Derzeit gehen welweit Millionen Menschen auf die Straße.
  • Die Forderungen der Protestierenden sind unterschiedlich. Gemeinsam haben sie, dass sie sich für die Wahrung ihrer Menschenrechte einsetzen.
  • Viele Regierungen reagieren mit Brutalität und Repression auf überwiegend friedliche Proteste.

In den vergangenen Monaten formierten sich auf der ganzen Welt neue Protestbewegungen. In Hongkong, La Paz, Quito, Barcelona, Beirut und Santiago erleben wir eine massive Welle an Demonstrationen, bei denen Menschen ihr Recht nutzen, öffentlich zu protestieren und von den Regierenden einen Wandel zu fordern.

Repression und Polizeigewalt

Leider eint alle diese Proteste ein Phänomen: Die Brutalität, mit der die Regierungen auf die Demonstrationen reagieren, die in vielen Fällen grobe Menschenrechtsverletzungen darstellt. Amnesty International dokumentierte Missbrauchsfälle und Verletzungen bei Protesten in Bolivien, dem LibanonChile, Spanien, dem IrakGuinea und Hongkong.

In Hongkong fanden über einen langen Zeitraum hinweg  Proteste statt, obwohl die Polizei immer wieder hart durchgriff. In anderen Staaten wurden Demonstrationen durch Taktiken wie Massenfestnahmen rasch im Keim erstickt. In Ägypten etwa wurden mehr als 2300 Menschen festgenommen, die diesen September an Demonstrationen teilgenommen hatten. Sollte es tatsächlich zu einer Gerichtsverhandlung kommen, käme diese dem größten protestbezogenen Strafprozess in der Geschichte Ägyptens gleich.

Amnesty International stellt klar, dass friedliches Demonstrieren kein Verbrechen ist, sondern sogar ein Menschenrecht. Die Art und Weise, wie Regierungen häufig auf Demonstrationen reagieren, steht meist in keinem Verhältnis zu den Handlungen der DemonstrantInnen und ist daher als ungerechtfertigt und unrechtmäßig zu bezeichnen.

Die Protestierenden üben nichts anderes als ihre Menschenrechte aus und dürfen nicht daran gehindert werden. Hervorzuheben ist außerdem: Die Gründe, warum Menschen demonstrieren, betreffen oft ihre Menschenrechte.

Diese Faktoren treibt die Menschen am häufigsten auf die Straßen:

Korruption

Korruptionsvorwürfe, die die Regierungen betreffen, zogen in Chile, Ägypten und dem Libanon eine gigantische Welle an Protesten nach sich.

Ende September nahmen überall in Ägypten tausende Menschen an Demonstrationen teil. Viele fanden sich am Tahrir-Platz in Kairo ein, der bereits in den Protesten 2011 Bekanntheit erlangt hatte, im Zuge derer der ehemalige Staatschef Hosni Mubarak gestürzt worden war. Die jüngsten Proteste wurden von einer Reihe von Videos ausgelöst, die Korruption auf höchster Ebene im ägyptischen Militär anprangerten. Sie verbreiteten sich rasend schnell im Internet.

Im Libanon forderten Menschen den Rücktritt der Regierung und einen generellen Wandel des politischen Apparats, den sie als korrupt empfinden und als nicht im Stande, grundlegende soziale und wirtschaftliche Rechte zu garantieren. Die Protestierenden verlangen, sämtliche Minister und hohe Beamte für den mutmaßlichen Diebstahl an öffentlichen Geldern zur Verantwortung zu ziehen.

Die Zweckentfremdung öffentlicher Geldmittel durch Korruption stellt nicht nur schlicht ein strafrechtlich zu verfolgendes Delikt dar, sondern auch eine Menschenrechtsverletzung, da dadurch oft Gelder von essenziellen öffentlichen Dienstleistungen abgezogen werden. Regierungen, die die Menschenrechte respektieren, müssen zur Verfügung stehende Geldmittel so einsetzen, dass ihre Bevölkerung in Würde leben kann.

Lebenshaltungskosten

Wo Korruption als Problem empfunden wird, sind auch hohe Lebenshaltungskosten ein Thema. In Chile begannen Studierende zu demonstrieren, nachdem die Regierung einen Anstieg der Transporttarife in Santiago de Chile, der Hauptstadt des Landes, ankündigte.

Seit diesem Zeitpunkt begannen sich die Proteste auf eine Vielzahl anderer Regierungsmaßnahmen auszuweiten, die die wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Rechte der breiten Masse in Chile beschneiden. Die von den Menschen empfundene Ungerechtigkeit wird auch von der Tatsache untermauert, dass Chile OECD-weit bei der Einkommensungleichheit einen Spitzenplatz belegt.

Die steigenden Lebenshaltungskosten wurden für viele Menschen zunehmend durch die Tatsache zum Problem, dass sich viele Regierungen einen strengen Sparkurs verordneten (wie etwa in Ägypten und Ecuador).

In Ecuador führte die Entscheidung der Regierung, Heizkostenzuschüsse zu streichen, zu massiven Protesten gegen ein umstrittenes Sparpaket, bei dem die Regierung nun Abstriche machen muss.

Die Auswirkungen der Sparmaßnahmen auf die Bevölkerung werden sich noch weiter zuspitzen. Ein Bericht prognostiziert etwa, dass im Jahr 2021 in zwei Drittel aller Staaten der Welt Sparmaßnahmen zur Anwendung kommen werden, die etwa sechs Milliarden Menschen betreffen. Das wird Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz kosten, von denen viele keine Aussichten auf eine andere Stelle haben.

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Klimagerechtigkeit

Der Klimawandel und Umweltzerstörung wirken sich auf der Welt in völlig unterschiedlichem Ausmaß aus und geraten ebenfalls immer stärker in den Fokus der Proteste. AktivistInnen indigener Bevölkerungsgruppen, die die Umweltzerstörung anprangern, lösten die Formierung von Gruppen aus, die mit zivilem Ungehorsam für den Umweltschutz mobilmachen, wie jene, die in Großbritannien die Schlagzeilen dominieren. Auch in Bolivien kam es zu massiven Protesten gegen die Art und Weise wie die Regierung mit Waldbränden umgeht. Immer mehr Menschen gehen auf die Straßen, um ihre Sorge zum Ausdruck zu bringen, wie die Regierungen mit der Krise umgehen.

Diesen September kam es zu einem Schlüsselmoment: In 185 Staaten fanden eine Woche lang Klimastreiks statt, an denen mehr als 7,6 Millionen Menschen teilnahmen. Die Proteste waren von Fridays for Future organisiert worden – einer von Jugendlichen dominierten Bewegung, die von Greta Thunberg ins Leben gerufen worden war, die vor etwas mehr als einem Jahr vor ihrem Parlament zu streiken begonnen hatte.

Amnesty International verlieh der Fridays for Future-Bewegung seine höchste Auszeichnung, den Ambassador of Conscience Award. Nach der Preisverleihung sagte Greta Thunberg: „Dieser Preis geht an die Millionen von Menschen, junge Menschen, die überall auf der Welt die Fridays for Future-Bewegung leben. All diese angstfreien Jugendlichen, die für ihre Zukunft kämpfen. Eine Zukunft, die selbstverständlich sein sollte. Heute ist sie das jedoch nicht mehr.“

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Politische Freiheit

Diesen Monat erlebten wir in Barcelona und dem übrigen Katalonien massive Mobilisierungen und Demonstrationen nachdem das spanische Höchstgericht 12 führende katalanische Politiker*innen und Aktivist*innen zu Gefängnisstrafen verurteilt hatte.

Auch in Indien kam es zu Protesten, nachdem die indische Regierung im Alleingang beschlossen hatte, Artikel 370 der indischen Verfassung aufzuheben, der den besonderen Autonomiestatus von Jammu & Kaschmir garantierte und den Staat in zwei getrennte Territorien spaltete. Diese Änderungen wurden ohne jegliche Kommunikation nach außen beschlossen, während gleichzeitig eine Ausgangssperre verhängt wurde und es zu Massenfestnahmen von Politiker*innen und Aktivist*innen in der Region kam.

In Hongkong kam es zu umfassenden und dauerhaften Protesten für politische Freiheit. Die Proteste begannen im April 2019 nachdem die Regierung Hongkongs einen Gesetzesentwurf vorlegte, der die Auslieferung von Menschen an China ermöglichen sollte.

Menschen gingen in Rekordzahlen auf die Straßen. Obwohl die Regierung schließlich von der Inkraftsetzung des Gesetzesentwurfs Abstand nahm, entwickelten sich die Proteste weiter zu einer viel breiteren Front, die umfassende Änderungen verlangt. Die Protestierenden fordern Einschränkungen der Polizeibefugnisse bei Amtshandlungen und politische Reformen, die es der Bevölkerung Hongkongs ermöglichen, selbst ihre Regierenden auszusuchen.

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