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© Joaquin Castro/Amnesty International

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Polizeigewalt in Lateinamerika: Amnesty veröffentlicht fünf Strategien, um die Polizei zur Verantwortung zu ziehen

15. Oktober 2021

Zusammenfassung

  • Neuer Amnesty-Bericht Police in the Spotlight zeigt auf: Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei sind in Lateinamerika und der Karibik Normalität
  • Polizeigewalt gegen Demonstrierende und in Zusammenhang mit COVID-19-Maßnahmen
  • Exzessive Gewaltanwendung häufig gegen Menschen, die struktureller Diskriminierung ausgesetzt sind, wie indigene und Schwarze Menschen, Migrant*innen und Geflüchtete, Bewohner*innen von Stadtvierteln mit niedrigem Einkommen oder LGBTIQ+-Personen

Um die in vielen Teilen Lateinamerikas und der Karibik grassierende Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei zu beenden, müssen die Regierungen dieses Problem auf struktureller Ebene angehen, so Amnesty International in einem heute veröffentlichten Bericht. Regierungen müssen geeignete Vorschriften für polizeiliche Ermittlungen erarbeiten und befolgen und die Rolle befehlshabender Beamt*innen überprüfen. Sie sollten außerdem mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, um wirksame und unabhängige Mechanismen zur Erfüllung der Rechenschaftspflicht einzuführen.

Unsere mehrjährigen Recherchen in Lateinamerika und der Karibik zeigen, dass Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei in der ganzen Region die Norm und nicht die Ausnahme sind.

Erika Guevara-Rosas, Direktorin der Region Amerikas bei Amnesty International

"In dem heute veröffentlichten Bericht machen wir fünf konkrete Vorschläge, um die Straflosigkeit bei diesen Menschenrechtsverletzungen zu beenden. Wir hoffen, dass er von Regierungsvertreter*innen und Menschenrechtsexpert*innen gleichermaßen als praktischer Leitfaden genutzt wird, um Wege zu einer spürbar gerechteren Region zu finden“, sagte Erika Guevara-Rosas, Direktorin der Region Amerikas bei Amnesty International.

5 Empfehlungen für menschenrechtskonforme Polizeiarbeit

Der Bericht Police in the spotlight: Towards police accountability for human rights violations in the Americas umfasst fünf Schlüsselempfehlungen für Staaten, um gegen Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei in der gesamten Region vorzugehen. Dazu zählt die Einführung unabhängiger und wirksamer Mechanismen für die Überwachung und Rechenschaftspflicht der Polizei. Gleichzeitig muss die entscheidenden Rolle anerkannt und gestärkt werden, die zivilgesellschaftlichen Organisationen und Betroffenengruppen bei diesen Mechanismen zur Überwachung und Rechenschaftspflicht der Polizei zukommt. Staaten müssen außerdem sicherstellen, dass Ermittlungen zu möglichen rechtswidrigen Tötungen durch die Polizei im Einklang mit dem Minnesota-Protokoll über die Untersuchung potenziell rechtswidriger Tötungen durchgeführt werden. Rechtswidrige Polizeigewalt muss als strukturelles Problem behandelt werden und die Verantwortung leitender Beamt*innen und anderer Vorgesetzter für rechtswidrige Polizeigewalt muss in Gesetzen und Vorschriften eindeutig benannt werden.

Keine dieser Empfehlungen kann für sich allein genommen wirksam sein. Aber gemeinsam können sie einen soliden Fahrplan für eine verantwortliche, wirksame Polizeiarbeit darstellen, die die Menschenrechte aller Menschen schützt.

Erika Guevara-Rosas, Direktorin der Region Amerikas bei Amnesty International

Polizeigewalt trifft strukturell diskriminierte Menschen am härtesten

In den letzten Jahren hat Amnesty International dokumentiert, dass die Polizei in Ländern wie Chile, Kolumbien, Honduras, Nicaragua oder Venezuela unrechtmäßige Gewalt anwendet, um Demonstrierende abzuschrecken und auseinanderzutreiben. In anderen Ländern, beispielsweise in Brasilien oder Jamaika, sollten so Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie durchgesetzt werden. Auch bei Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung setzte die Polizei in diesen Ländern unrechtmäßige Gewalt ein. Die meisten derjenigen, die verdächtigt werden, für diese Menschenrechtsverletzungen strafrechtlich verantwortlich zu sein, genießen fast völlige Straffreiheit. Die Polizei an Orten wie Rio de Janeiro folgt oft ihren eigenen Gesetzen: Sie ermittelt, nimmt fest und verurteilt Menschen zum Tode. El Salvador dagegen weist nicht nur die höchste Mordrate der Welt auf, sondern auch die höchste Rate an Tötungen durch die Polizei – Tendenz steigend.

Der neue Bericht stellt fest, dass die Betroffenen exzessiver oder anderweitig unrechtmäßiger Gewaltanwendung durch die Polizei in Lateinamerika und der Karibik häufig aus Gemeinschaften stammen, die struktureller Diskriminierung ausgesetzt sind, wie etwa indigene und Schwarze Menschen, Migrant*innen und Geflüchtete, Bewohner*innen von Stadtvierteln mit niedrigem Einkommen und LGBTIQ+-Personen.

Sexualisierte Gewalt gegen Frauen durch Polizei und Streitkräfte

Auch wenn bei den meisten Tötungsdelikten durch die Polizei keine Frauen sterben, trifft sie das Leid, wenn ein Angehöriger getötet oder dauerhaft verletzt wird. Frauen sind zudem von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen. In Ländern wie Mexiko kommt es beispielsweise in der Haft oder bei Verhören häufig zu sexualisierter Gewalt durch Angehörige der Polizei oder der Streitkräfte. Darüber hinaus werden bestimmte Gruppen von Frauen, wie z. B. Sexarbeiterinnen, in einer Reihe von Ländern besonders häufig gefoltert und misshandelt, u. a. in der Dominikanischen Republik.

Die Straflosigkeit für polizeiliche Übergriffe besteht häufig fort, weil die Ermittlungen zu diesen Verbrechen nicht unabhängig sind, nicht den Mindestanforderungen der Sorgfaltspflicht entsprechen und die Betroffenen, ihre Familien und die Zivilgesellschaft nicht einbezogen werden. Viele Ermittlungen in Brasilien wurden dadurch untergraben, dass die gerichtsmedizinischen und ballistischen Dienste von der Polizei kontrolliert werden. Mangels unabhängiger Untersuchungen konnten in Kolumbien Beweise so manipuliert werden, dass rechtswidrige Tötungen als Todesfall bei Kampfhandlungen dargestellt wurden – ein Phänomen, das als „falsos positivos“ bekannt ist.

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