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Griechenland: Gerichtsverhandlung vertagt, weiterhin Ungewissheit für humanitäre Helfer*innen

19. November 2021

Ein Gericht in Lesbos vertagte am 18. November 2021 das Verfahren gegen 24 Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen, unter ihnen die Such- und Rettungskräfte Sarah Mardini und Seán Binder. Ihnen drohen 25 Jahre Gefängnis, weil sie Geflüchteten geholfen und deren Rechte verteidigt haben. Zur Vertagung sagt Giorgos Kosmopoulos, Experte für Migration bei Amnesty International: "Wir fordern die griechischen Behörden auf, ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen einzuhalten und die Anklagen gegen Sarah und Seán fallen zu lassen."

Die konstruierten Anklagen sind absurd und hätten niemals dazu führen dürfen, dass Sarah und Seán vor Gericht erscheinen müssen. Durch die heutige Vertagung zieht sich der Prozess für Sarah und Seán, die bereits über drei Jahre gewartet haben, noch mehr in die Länge und sie sind weiterhin in Ungewissheit.

Giorgos Kosmopoulos, Experte für Migration bei Amnesty International

„Die heutige Entscheidung ist ein weiterer Beweis für die Absurdität dieses Falles. Alles, was wir getan haben, war, Menschen zu helfen, die sich in einer Notlage befanden und Sicherheit suchten. Nach der heutigen Entscheidung leben wir wieder einmal in Ungewissheit“, sagte Seán Binder.

Die 25-jährige Sarah Mardini, die 2015 selbst aus Syrien geflüchtet war, und der 27-jährige Seán Binder, ein deutscher Staatsangehöriger, sind einer Reihe unfairer und haltloser Anschuldigungen ausgesetzt, weil sie ehrenamtlich Menschen in Seenot vor der Küste von Lesbos geholfen haben.

Da die griechischen Behörden Sarah Mardinis Einreiseverbot nicht aufgehoben haben, konnte sie nicht an ihrer eigenen Gerichtsverhandlung teilnehmen.

Die Ungerechtigkeit dieser absurden Anschuldigungen wird noch dadurch verstärkt, dass die griechischen Behörden Sarahs Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, zu dem auch das Grundrecht gehört, dem eigenen Prozess beizuwohnen, eklatant verletzen.

Giorgos Kosmopoulos, Experte zu Migration bei Amnesty International

„Amnesty International ist bestürzt darüber, dass die griechischen Behörden Sarah und Seán kriminalisieren. Wir stehen an der Seite von Seán und Sarah und werden uns weiter für sie einsetzen, bis sie Gerechtigkeit erfahren, ihre Menschenrechte gewahrt und alle Anklagen gegen sie fallen gelassen werden.“

Hintergrund

Sarah Mardini kam 2015 auf demselben Weg nach Lesbos wie die Menschen, denen sie später half. Auf ihrer Flucht aus Syrien war sie mit ihrer Schwester auf dem Mittelmeer in Seenot geraten. Nach dem Ausfall des Schiffsmotors hatten die beiden geübten Schwimmerinnen das sinkende Boot hinter sich hergezogen, an Land gebracht und so den 18 Mitreisenden das Leben gerettet. Später kehrte Sarah nach Griechenland zurück und arbeitete als Freiwillige bei einer griechischen Such- und Rettungsorganisation, wo sie Seán, einen ausgebildeten Taucher, kennenlernte. Sarah und Seán wurden 2018 unter zahlreichen Anschuldigungen festgenommen, darunter Schmuggel, Spionage, unrechtmäßige Nutzung von Funkfrequenzen und Betrug.

Die derzeit gegen sie erhobenen Anklagen können eine Gefängnisstrafe von bis zu acht Jahren nach sich ziehen. Darüber hinaus drohen ihnen Anklagen wegen schwerer Straftaten wie Menschenschmuggel, Betrug, Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Falls diese zusätzlichen Anklagen erhoben werden, drohen Sarah und Seán Haftstrafen von bis zu 25 Jahren.

Neben Sarah und Seán werden Hunderte weitere Menschen kriminalisiert und schikaniert, weil sie humanitäre Arbeit für Schutzsuchende in ganz Europa leisten. In einem Bericht von 2020 hat Amnesty International detailliert aufgezeigt, auf welche Weise europäische Regierungen restriktive Bestrafungsmaßnahmen gegen Menschen ergriffen haben, die sich für die Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen einsetzen. In Italien, Griechenland, Frankreich und der Schweiz wurden Dutzende von Strafverfahren gegen Einzelpersonen und NGOs, darunter auch Ärzte ohne Grenzen, eingeleitet.

Einem Rechtsgutachten der Menschenrechtskanzlei Leigh Day zufolge gab es in Seáns Fall bisher mehrere schwerwiegende Verstöße gegen internationale Menschenrechtsnormen.

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