IRan

from oppression

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Soli Kiani

Soli Kiani wurde 1981 im Iran geboren. Seit 2000 lebt und arbeitet sie in Wien, Österreich. Die Künstlerin beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit dem Thema Menschenrechte, insbesondere mit den Rechten der Frauen im Islam.

Im Iran blieb mir die Luft zum Atmen weg.

Soli Kiani

Warum sind Sie damals aus dem Iran weggegangen?

Ich bin gegangen, weil ich im Iran das Gefühl hatte, dass mir die Luft zum Atmen wegbleibt. Ich fühlte mich eingeengt und eingesperrt.


Wie erinnern Sie sich an Ihr Leben im Iran?

Ich vergleiche die Zeit im Iran immer mit den vielen Lockdowns während der Corona-Pandemie, da Einschränkungen im Privatleben für mich aus Erfahrungen im Iran nichts Neues waren, nur waren sie in Iran noch schlimmer. Die Freiheit, sich frei zu bewegen, die Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Entscheidungsfreiheit waren stark eingeschränkt.

Je nachdem, wie liberal die Familien waren, gab es in den eigenen vier Wänden mehr Freiheiten, aber insgesamt war die Situation oft sehr streng. Schwieriger ist es auch im privaten Raum, der dort immer weniger existiert. Überall wird man kontrolliert, sei es durch die Verschleierungspflicht oder durch die Sittenpolizei, die in Wohnungen eindringt, um Partys aufzulösen. Das Leben im Iran war wie ein Gefängnis. Je älter ich werde und je länger ich in Österreich lebe, desto mehr wird mir bewusst, wie eingeengt ich war.


Sind Sie noch in Kontakt mit Menschen im Iran?

Sehr wenig, ich war zuletzt 2018 im Iran. Die meisten meiner Freund*innen und Schulkolleg*innen haben das Land verlassen, vor allem diejenigen, die es sich leisten konnten und ein freieres Leben suchten. Ich verstehe jede und jeden, der das Land verlässt, insbesondere als Frau.


Was denken Sie, wie Ihr Leben verlaufen wäre, wenn Sie im Iran geblieben wären?

Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie mein Leben im Iran ausgesehen hätte. Ich hätte sicher nicht Religion und gesellschaftspolitisch kritische Kunst machen können, auf jeden Fall nicht in der Form in der ich sie heute in Europa ausüben kann und darf. Im Iran ist Kunst wie vieles andere im Land von Zäsur betroffen.  

Mit meiner Arbeit würde ich im Iran eingesperrt und vielleicht hingerichtet werden. Ich kritisiere politische Machtstrukturen und zeige nackte Körper, was im Iran nicht erlaubt ist. Für mich ist meine Kunst ein Mittel geworden, um auf die Situation im Iran aufmerksam zu machen.

Ich habe eine Fotoserie und Malereien erstellt, in denen ich den Schleier, den sogenannten „Tschadoor“, mit einem Müllsack ersetzt habe. Diese Arbeit spiegelt meine eigenen Gefühle und Erfahrungen wider und trägt den Titel „Breathe“, was natürlich ironisch gemeint ist. Diese Serie zeigt genau das Gefühl der kollektiven und permanenten Erfahrung von Stress und Eingesperrtsein, die viele Frauen im Iran teilen.


Warum ist der Iran ein so großer Teil Ihrer Kunst? Warum beschäftigt es Sie nach all den Jahren weiterhin?

Weil ich nicht anders kann und weil es wichtig ist die Stimme gegen Ungerechtigkei zu erheben. Früher habe ich fröhliche, bunte Bilder gemalt und mich von Politik ferngehalten. Ich komme aus einer sehr politischen Familie. Mein Onkel wurde nach der iranischen Revolution aus politischen Gründen hingerichtet. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich als kleines Kind mit meiner Familie, mit meiner Mutter, meine Tante oder Onkel im Gefängnis besuchte. Das hat mich stark beeinflusst.

Mir wurde je länger ich in Österreich gelebt habe umso mehr bewusster wie wenig Menschen hier über die Menschenrechtslage und das Leben und aufwachsen in so einer Gesellschaft wissen. Nachdem ich 2015-2016 eine Pause im Atelier eingelegt hatte und einige Bücher über die Geschichte des Landes gelesen habe, darunter Bücher von Shirin Ebadi, der jüngsten Richterin im Iran und Friedensnobelpreisträgerin, die später aufgrund ihres Geschlechts nicht mehr arbeiten durfte, begann ich, mich mehr mit politischen Themen zu beschäftigen. Ich konnte nicht tatenlos zusehen, wie Menschenrechtsverletzungen im Iran stattfinden. Daher ist der Iran ein wichtiger Teil meiner Kunst, um diese Themen anzusprechen und auf die Situation im Land aufmerksam zu machen. Meine Kunst ist Aufklärungsarbeit.


Wie ging es Ihnen beim Ausbruch der Proteste im Iran?

Beim Ausbruch der Proteste im Iran saß ich wie viele andere vor dem Fernseher oder in den sozialen Medien und sah all die Videos, Berichte und etc…. Es war eine Mischung aus Wut, Traurigkeit und Hoffnung. Anfangs dachte ich, dass die Proteste wieder brutal niedergeschlagen würden, aber dann begann ich zu glauben, dass es diesmal anders war, und ich glaube immer noch daran. Ich glaube, dass wir an „Point of no Return“ angekommen sind. Es wird vielleicht länger dauern, sogar Jahrzehnte, aber ich denke, es wird Veränderungen herbeiführen. Kürzlich hat die iranische Regierung strengere Hijab-Gesetze verabschiedet, was zeigt, dass sie sich zunehmend in der Defensive befinden.

Die Mullahs schaffen Gesetze, die direkt aus den islamischen schiitischen Gesetzen des 7. Jahrhunderts abgeleitet sind. Das iranische diskriminiert nicht nur Frauen, sondern auch Minderheiten.


Geben Ihnen die Proteste Hoffnung für Veränderung im Iran?

Ja, wenn ich heute diese jungen Menschen sehe, bewundere ich sie dafür, dass sie sich der Gefahr bewusst sind, die ihnen droht, aber dennoch auf die Straße gehen. Das kann niemand verstehen, der nicht im Land lebt oder gelebt hat.

Ich hoffe nur, dass die ältere Generation sich diesen Veränderungen anschließt. Die Hinrichtungen und das Schüren von Angst durch die Regierung dienen dazu, die Gesetze aufrechtzuerhalten. Das hat insbesondere bei der Generation meiner Eltern gut funktioniert. Ich hoffe, dass sie den Wandel ebenfalls unterstützen werden.