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#FreeAhmedSamir: Zwischen Hoffnung & Hoffnungslosigkeit

21. Dezember 2022

Ahmed Samir, Student an der Wiener Central European University (CEU), wurde am 30. Juli 2022 nach 18 Monaten unrechtmäßiger Haft in Ägypten freigelassen. Seine Rückkehr nach Wien ist nach wie vor ungewiss. Zsófia Bacsadi, eine Freundin und Teil der #FreeAhmedSamir-Kampagne, erzählt über ihren Aktivismus und wie es nun weitergeht.

Wie hast du Ahmed kennengelernt?

Ich habe Ahmed in einem Kurs über wissenschaftliches Schreiben an der CEU kennengelernt. Obwohl es nicht Ziel der Lehrveranstaltung war, war Ahmed nicht zurückhaltend bezüglich was in seinen Augen mit dem Text nicht in Ordnung war, den wir lasen. Wir hatten gleich den Eindruck, dass er eine sehr offene Person ist und deutlich sagt, was seiner Meinung nach mit dem System nicht stimmt. Das ist mir stark in Erinnerung geblieben.

Kannst du dich erinnern, wie es für dich war, als du von Ahmeds Entlassung erfahren hast?

Am Anfang war es eine Mischung aus Freude und Ungläubigkeit. Der Aktivismus war ein ständiges Auf und Ab aus Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. Manchmal bekamen wir gute Nachrichten und dachten, dass er eine Chance hat, entlassen zu werden. Doch dann war es jedes Mal niederschmetternd, wenn er doch nicht freigelassen wurde. Daher weigerte ich mich, es zu glauben, bis ich das Foto sah, wie er das Gefängnis verließ.

 

Für uns war es das Wichtigste, dass die Menschen über Ahmed sprechen und ihn nicht vergessen.

Zsófia Bacsadi

Hattest du seit Ahmeds Freilassung Kontakt mit ihm? Wie geht es ihm?

Wir haben telefoniert. Ahmed schien okay. Er steht vor vielen Fragen: Soll er sich einen Job suchen oder weiter studieren? Kann er reisen? Seine Inhaftierung war ein großer Bruch in seinem Leben. Aber er war auch glücklich und wollte durch die Stadt laufen, Freund*innen treffen und Zeit in Cafés verbringen – einfach genießen, dass er frei ist. Ahmed liebt Kairo. Gleichzeitig war er aber auch misstrauisch, dass sie einen anderen Grund finden, ihn wieder einzusperren.

Wie habt ihr euch nach Ahmeds Festnahme als Gruppe zusammengefunden und begonnen, euch für ihn einzusetzen?

Die Nachricht, dass er festgenommen wurde, hat sich zuerst in unserem Klassen-Chat verbreitet. Zunächst wussten wir nicht, was los war, denn Ahmed verschwand einfach und niemand hörte von ihm. Auch seine Familie nicht. Er ging auf die Polizeiwache und kam nicht mehr heraus. Niemand wusste, was los war. Wir dachten damals, es wäre der schnellste Weg, uns selbst zu organisieren. Wir wussten nicht, wie das politische Klima in Ägypten ist, ob die Aufmerksamkeit von Medien vorteilhaft ist, ob es hilft, europäische Verbindungen zu haben, oder ob es die dortige Regierung unter Druck setzt. Daher sammelten wir zunächst Informationen von Freund*innen und ägyptischen Studierenden, die mit der politischen Region besser vertraut waren. Später wurde uns klar, dass wir organisatorischen Hintergrund brauchen. Deshalb wandten wir uns an Amnesty und andere Organisationen.

Konntet ihr mit Ahmed während seiner Gefangenschaft Kontakt halten?

Wir durften ihm Briefe schicken. Für ihn war es sehr wichtig, Kontakt zur Außenwelt zu haben. Nicht nur zu seiner Familie oder seiner Partnerin, auch zu Menschen, die ihm erzählten, was draußen passierte. Es dauerte jedoch Monate, bis wir etwas zurückbekamen. Durch diesen Zeitunterschied war es schwierig zu wissen, wie sein aktueller Zustand wirklich war, ob es ihm gut ging oder nicht.

Wie habt ihr es geschafft, euch über diese lange Zeit zu organisieren und nach Rückschlägen motiviert zu bleiben?

Die Ironie dabei war, dass uns der Kreislauf aus Hoffnung und Hoffnungslosigkeit am Laufen hielt. Wann immer es einen Rückschlag gab, tauchte ein neuer Lichtblick auf, ein neuer Prozess oder Menschen, die Hilfe anboten. Wir teilten uns die Aufgaben so auf, dass andere übernehmen konnten, falls jemand nicht in der Lage war, zu helfen. Es gab immer einen Kern von mindestens 10 bis 20 Leuten, die sich für Ahmed einsetzten.

Welche Aktionen habt ihr für Ahmeds Freilassung umgesetzt?

Wann immer es einen neuen Prozess gab, gingen wir vor die ägyptische Botschaft in Wien, um zu protestieren. Die Angestellten dort sind verpflichtet, alle ungewöhnlichen Aktivitäten der ägyptischen Regierung zu melden. So blieb unsere Sichtbarkeit gegenüber Ägypten erhalten. Manchmal haben wir auch zeitgleich vor Botschaften in anderen Städten protestiert. Außerdem starteten wir eine Fotokampagne mit #FREEAHMED Schildern. Dazu forderten wir Menschen auf, Fotos von sich mit den Schildern auf sozialen Netzwerken zu posten. Daran haben sich unzählige Leute aus verschiedensten Ländern beteiligt. Das war unsere größte Aktion.

Wie geht es jetzt für Ahmed weiter?

Das Wichtigste ist, dafür zu sorgen, dass er zurück nach Wien kommen kann. Wir müssen alle gemeinsam einen Weg finden, wie wir das erreichen können. Denn während wir unseren Abschluss machten und unsere Leben weiterführten, wurde seines einfach auf Eis gelegt.

Wie hat die Erfahrung, das alles mitzuerleben, deine Sicht auf Menschenrechte verändert?

Ahmeds Fall ist Teil eines riesigen Musters. Es gibt unzählige Menschen, deren Liebsten weiterhin zu Unrecht inhaftiert sind. Sein Fall ist symbolisch für die allgemeine Feindseligkeit gegen die akademische Freiheit, die Freiheit der Forschung und der Meinungsäußerung. Ich habe definitiv erkannt, dass es immer mehr zu tun gibt.

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